Samstag, 15. Dezember 2012
Die wohlmeinende Ernährungsdikatur
nimmt jetzt die Senioren ins Fadenkreuz

Zu viel Fleisch, die Lieferdienste bieten keinen Salat oder Rohkostmahlzeiten an, keine täglichen vegetarischen Mahlzeiten, es ist ein Kreuz...

Ich frage mich, ob Rohkost so viel Spaß macht mit Dritten Zähnen. "Leckeres Essen" ist nicht nur subjektiv, es ist auch noch generationell geprägt. Man findet wenige Fans von Pizza und Döner unter den Kunden von "Essen auf Rädern" oder auf den Pflegestationen der Altenheime. vegetarisch riecht eher nach dem mangel der Nachkriegszeit als nach leckerem Essen, selbst wenn es angeboten wird, klingt "königsberger Klopse" für viele ältere Menschen leckerer als "Pasta mit Gemüsesauce", also verschwindet es mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann vom Speiseplan- es sei denn, ein wohlmeinender Ernährungstotalitarist (zBin Person einer Krankenschwester mit Ernährungsberaterinnenzusatzausbildung, ich habe da mittlerweile einige kennengelernt, bei denen ich dankbar war, ihnen nicht unbegrenzt ausgeliefert zu sein) setzt es auf den Plan und macht die Alternativen "noch schlimmer".


Ich habe eine Großtante, deren Evakuierungsheim im Zweiten Weltkrieg zum Ende hin nicht mehr mit Nahrungsmitteln beliefert wurde. Das Kinderheim sollte eigentlich weiterevakuiert werden, das klappt nicht, weil die Züge nicht mehr so fuhren wie sie sollten, man hat die Kinder schlicht vergessen. Es ist zum Glück kein Kind verhungert, aber die Tage ohne Nahrung haben meine Großtante geprägt. Hunger ist eine der elemetarsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann, sagte meine Volkskunde-Dozentin als die Sprache auf schichtspezifische Ernährungsgewohnheiten kam und das für Menschen der Kriegsgeneration "wir haben noch jede Menge Kekse und Pizza" keine Beruhigung ist, wenn sie sehen, daß die Brotklappe leer ist.
Jedenfalls hat meine Tante Diabetes. Ein paar selbererklärt schlaue Verwandte, die sich supertoll auszukennen meinen, lästern immer ziemlich heftig über sie weil sie ja "so gar keine Disziplin" habe und Schokolade ißt.
Ich denke mir: Tante G., du bist jetzt ein bißchen unter 80. Du hast immer sparsam gelebt, deine Familie hat in einer 2 1/2 Zimmer Wohnung gewohnt, dein großes Abenteuer war, wenn du einmal im Jahr deine Schwester besucht hast und es dann einen Abend Fruchtwein gab und ihr 30er und 40er Jahre Schlager gesungen habt. Was bitte beschwert sich irgendwer, wenn du auf deine alten Tage Schokolade ißt oder jeden Tag Fleisch in der Pfanne landet?
Ja, du könntest weniger wiegen, aber warum solltest du? Du hast jetzt den Hund, den du dir gewünscht hast und mit dem du spazierengehst, und dein Leben ist gut. Du bewegst dich also, fährst noch Fahrrad und irgendwer will rumhupen wenn du dir nachmittags mehr Insulin spritzt als du mußt? Solange du das Zeug nicht überdosierst, hast du meinen Segen, auch wenn du ganz gut ohne auskommst.
Du hattest als Kind ernsthaften Hunger- wenn du jetzt dein Brot mit Butter und Leberwurst schmierst, dann freue ich mich, daß es dir gut geht. Das wird dein Leben wahrscheinlich verkürzen. Das finde ich schade. Aber noch schlimmer fände ich, wenn du "verzichten" müßtest auf etwas, was dir dein Leben schön macht.
Ja, du warst früher mal schlanker. Das sehe ich auf Bildern, die euch Schwestern alle zusammen zeigen. 2 deiner Schwestern und dein Bruder sind tot.
Früher gab es auch nur sonntags Kaffee&Kuchen und nur manchmal Schlagsahne. Wenn dein Leben heute jeden Tag ein Sonntag ist- freu dich dran!

Ich hoffe, dir schmeckt es.

Jenny Joseph hat dazu ein wunderschönes Gedicht geschrieben.


Wenn ich alt bin, werde ich mich auch ganz furchtbar unvernünftig aufführen, Krams essen, der ungesund ist und vielleicht habe ich dann sogar wieder eine grüne Strähne im Haar!
Jüngere Verwandte dürfen sich dann über meinen völligen Mangel an Disziplin beschweren. Ich werde dadrauf eine Tüte Gummibärchen erledigen- wenn es dann noch legal ist, dermaßen viel Zucker in einer Packung zu verkaufen. Notfalls finde ich meine kriminelle Energie und besorge sie mir auf dem Schwarzmarkt!



"Der Herr der Ringe"
Großer Tiger hat vorgestern den Kleinen Hobbit fertiggelesen. Tolles Buch, doof, daß es zu Ende ist. Er suchte eine Problemlösung. Nochmal lesen zum Beispiel. Aber hatte der Herr Tolkien nicht noch mehr Bücher geschrieben? Da war doch was...
Was tat Tigerpapa? Das Problem lösen und eine deutsche Hardcover-Variante des "Herrn der Ringe" ordern.
Wurde grad geliefert und ich weiß nicht, wer sich hier mehr freut. Beide sitzen über die mitgelieferten Karten gebeugt und klären, was wo passiert.

Ich hätte das Werk ja in Geschenkpapier gewickelt und am Weihnachtsmorgen präsentiert, aber Tigerpapa besteht drauf, daß ein Tolkien NIEMALS warten kann. Und der Junge braucht doch was zu lesen neben dem Bett. Leseförderung und so, ganz wichtig, sagt auch die Lehrerin. Ja, aber sie hatte dabei wohl eher an "Das magische Baumhaus" gedacht als an Tolkien...

Ich denke, das Motto des Wochenendes heißt jetzt "Ich bin dann mal in Mittelerde".