Verzicht?
Ich ward letztens gefragt, ob ich denn wirklich noch ein paar Jahre "verzichten" will, ich hätte doch so einen schönen Beruf und so viel Mühe und Zeit da reingesteckt. Stimmt, habe ich.
Aber wenn ich mir ansehe, wie Tigergatte zur Zeit auf dem Zahnfleisch geht...
7:45 Aufbruch hier, im Büro so gegen 8:30.
Kurz vor 19 Uhr dann der Anruf "bin jetzt in der Straßenbahn, kannst du für was heißes zu trinken sorgen?"
Dann noch fix was backen, Weihnachtsfeier und ich hatte leider keine Ahnung, was er angekündigt hatte.

Das geht jetzt seit ein paar Monate so und wir haben uns schon vor Nr4 gefragt, ob wir es wuppen, wenn ich etwa den gleichen Job hätte. Die Antwort war nein, tun wir nicht. Täten wir auch nicht mit nur einem Kind.

Ist der Verzicht auf 12-Stunden-plus-Arbeitstage wirklich so ein Opfer? Tigergatte würde grad liebend gern mit mir tauschen.

Urlaub wird nicht nach Bedarf genommen, sondern so, wie das Projekt ihn hergibt. Arbeiten während des Urlaubes ist selbstverständlich, als sein Chef auf die Idee kam, er müsse jetzt den Resturlaub nehmen, aber passen tut das grad gar nicht, also könne er das Paper ja im Urlaub weiterschreiben, dann muß er nur noch zu den Meetings kommen und das wäre doch schon mal was. Sagte Tigergatte, daß wäre tatsächlich was, nämlich nicht drin. Die Vorstellung, im Urlaub jeden Morgen am Rechner zu sitzen, war dann zu viel. Also ward der Urlaub verschoben (und als er dann tatsächlich genommen wurde, waren die Meetings natürlich auch drin, sind sie auch im Jahresendurlaub aller Vorraussicht nach)
Wie man unter den Bedingungen noch den zweiten Elternteil losschicken will, möglichst noch in einer anderen Stadt... ich weiß es nicht.

Was fehlt mir denn am meisten? Das Lästern mit den Jungkollegen während der Konferenzkaffeepausen, das Drumherum von Konferenzen insgesamt (wegfahren, Hotel übernachten, immer noch einen halben Tag frei einplanen, sich die Stadt angucken), der Kick des "Jagens" im Archiv, eine Tür, die ich hinter mir zumachen kann, vorne stehen und stolz sein auf das, was ich zusammengetragen habe.
Was fehlt mir nicht? 12plus-Arbeitstage, Streß mit den lieben Kollegen.

Insgesamt hält sich das Leidenslevel in engen Grenzen bei mir. Sieht bei anderen anders aus, aber das nennt man dann Individualität.