Ich hab da eine Theorie...
Ich fuhr letztens Straßenbahn. Im Werbeblättchenständer gab es eine Broschüre über Schwangerschaft und Elternsein. Ich guckte rein und es ging nur um die Frage, wie man den Nachwuchs so fix wie möglich in Betreuung bringt und selbst wieder an die bezahlte Arbeit geht.

Nochmal: wer das möchte, soll das tun. Manche Kinder finden Krippe toll. Andere nicht. Manche Mütter drehen zu Hause durch. Andere sitzen im Büro und wollen nur raus da.

Wie wäre es, wenn wir ein bißchen weniger steuern und ein bißchen mehr Akzeptanz für die Möglichkeit, ein paar Jahre Familienarbeit zu leisten, schaffen?
Wenn es am Geld liegt: das muß doch machbar sein. Wirtschatftlicher Zwang ist auch Zwang, da was von "du hast ja die Wahl" zu reden, ist zynisch.

Alle Welt scheitn auf die geburtenrate zu staren wie das Karnickel auf die Schlange.

Meine Theorie: vielleicht steigt ja die Geburtenrate, wenn wir das ganze weniger als Minenfeld betrachten, bei dessen Durchquerung eigentlich nur alles schief gehen kann und für das man jede Menge Experten braucht, sondern mit ein bißchen mehr Entspannung und Selbstverständlichkeit.
Vielleicht kriegen Leute mehr Kinder, wenn nicht erwartet wird, daß sie ihr Leben im Dauerlauf zwischen Karriere, Familienarbeit und möglichst einem interessanten Hobby, daß ihre Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt steigert, verbringen, sondern ein paar Jahre "da war ich zu Hause" als teil der Biographie nicht nur tolerieren, sondern für selbstverständlich betrachten.




mark793 am 26.Feb 13  |  Permalink
als teil der Biographie nicht nur tolerieren, sondern für selbstverständlich betrachten

Wie "die Leute" das sehen, muss eine(n) wohl weniger jucken. Aber die Arbeitsmarkt-Mechanismen, wonach eine mehrjährige Kinderpause den Marktwert der Arbeitskraft der betreffenden Frau leider ziemlich in den Keller knüppelt, sind ab einer gewissen beruflichen Mindestflughöhe leider sehr real. Ich sehe auch nicht so recht, wie die Politik das effektiv kompensieren könnte. Oder wo die Interessen liegen könnten, daran was zu ändern. Der Wirtschaft kommt der derzeitige status quo jedenfalls ganz klar zupaß, wenn sie eine qualifizierte Frau mit Kinderknick in der Karrierekurve günstiger kriegen kann als einen vergleichbar qualifizierten Mann.

Zynisch gesagt, wäre das beste, was man für die Geburtenrate tun könnte, die Frauen möglichst dumm und ungebildet zu halten. In anderen Weltgegenden funktioniert es doch auch so.

cassandra_mmviii am 26.Feb 13  |  Permalink
"Aber die Arbeitsmarkt-Mechanismen, wonach eine mehrjährige Kinderpause den Marktwert der Arbeitskraft der betreffenden Frau leider ziemlich in den Keller knüppelt, sind ab einer gewissen beruflichen Mindestflughöhe leider sehr real.">/i>

Deutlich real. Unsere Nachbarin ist nicht nur Inderin, sondern auch noch Informatikerin und weigert sich, für den Lohn, der ihr geboten wird, zu arbeiten. Sie hat das Glück, daß sie sich das leisten kann.


"Ich sehe auch nicht so recht, wie die Politik das effektiv kompensieren könnte. Oder wo die Interessen liegen könnten, daran was zu ändern."

Dann sollte man einfach aufhören, die Geburtenrate anzustarren. Ändern tut das nüämlich nichts und den Krippenausbau sehe ich da auch nichts reißen.

Ich halte eine gewisse Arbeitslosenquote aber auch für politisch und wirtschaftlich gewollt. Da obendrauf noch ganz, ganz viele supergut qualifizierte Frauen, die unbedingt Vollzeit arbeiten wollen und nur von der Krippensituation davon abgehalten werden, 7 Kinder zu bekommen... das klingt doch eher nach Wunschdenken als nach Realität.


"Zynisch gesagt, wäre das beste, was man für die Geburtenrate tun könnte, die Frauen möglichst dumm und ungebildet zu halten. In anderen Weltgegenden funktioniert es doch auch so.>/i>

Klares Jein :-)

Ist ein Weg, aber vielleicht nicht der zum Erfolg.
Ich tendiere eher zur Möglichkeit, verschiedene Lebensstile nebeneinander herlaufen zu lassen statt sich in Politikerstüblein zu überlegen, was denn bitte das Modell der Wahl sei und wie man das an den Mann oder die Frau im gebärfähigen Alter bringen könnte.
Wenn Frauen Mitte 50 entscheiden, was "junge Frauen" wollen, bin ich als Enddreizigerin immer wieder in pubertärer Fundamentalopposition gegen die Müttergeneration. Ein paar Dinge haben sich halt doch geändert seit sie mal Anfang 20 waren, damals, kurz vor der neolithischen Revolution :-)

mark793 am 26.Feb 13  |  Permalink
Nun neige ich selber ja auch sehr dazu, das was man gemeinhin unter "Familienpolitik" versteht, für einen total überschätzten Nebenschauplatz zu halten. Aber trotzdem kommt man an der unbequemen Tatsache nicht ganz vorbei, dass eine sinkende Geburtenrate für die Sozialsysteme, insbesondere für das umlagebasierte Rentenwesen, eine tickende Zeitbombe darstellt. Eine Superidee, wie das Problem mit Strukturreformen in den Griff zu bekommen wäre, ist derzeit nicht erkennbar, also scheint es der naheliegendere Weg zu sein, zu gucken, ob man nicht an der Geburtenrate was drehen kann.

Um Lebensmodelle geht es da erst in zweiter oder dritter Linie, allen Sonntagsreden zum Trotz.

cassandra_mmviii am 26.Feb 13  |  Permalink
Nennen wir es mal "demographische Herausforderung": definitiv existent. Und alles Gerede von "demographiscehr Wandel als Chance" klingt für mich nach Singen im dunklen kleller und Schönrederei.

An der Geburtenrate was zu drehen... kann das ein Staat überhaupt?

Das Problem ist, daß Kinder haben oder auch nciht und wenn ja wie viele, unter die ganz große Überschrift "Lebensmodelle" gehört. Auf die versucht der Staat Einfluß über finanzielle Förderung zu nehmen mit dem Ziel, daß da irgendwann die Geburtenrate steige (eben wegen der Chancen im demographsichen wandel und so), aber das scheint nicht wie gewünscht zu klappen. Die Gleichung "mehr Geld= mehr Kinder" ist vielleicht doch etwas zu einfach.


Das ist kein Nebenkriegsschauplatz, sondern ein Kernthema weil da so viel zukunftsrelevantes mit reinspielt. Rentenfinanzierung zB. Das hat das Zeug zum Sprengstoff.

Ich wäre dafür, erst mal einen Gang rauszunehmen und in Ruhe zu gucken, wer tatsächlich welche Bedürfnisse hat und dann nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, eierlegende Wollmilchsäue sind nicht, sondern dann zu sagen "okay, das alles steht gleichberechtigt nebeneinander. Wir entscheiden nicht, das müßt ihr, es ist nämlich euer Leben, wir ermöglichen nur"
Und das hieße auch, daß es auch Leuten mit geringerem Verdienst möglich sein sollte, unser Lebensmodell zu wählen statt auf den 2. verdienst schlciht angewiesen zu sein.
Wie? Gute Frage...