Donnerstag, 14. Februar 2013
"Ich habe ihn drei Mal gefragt"
Mini-TIger ist heute wieder nicht gewickelt worden. Warum? Er wollte nicht, obwohl er drei Mal gefragt wurde.

ich schlug vor, ihn einfach zu wickeln, ohne fragen, so mit einer Ansage der Gattung "Komm, wir gehen mal kurz wickeln".
Nein, das ginge nicht, da müsse man vorher fragen und wenn das Kind nicht will, dann will es nicht. Da kann man dann nichts machen.
ich weise auf den wunden Popo hin und betone die Notwendigkeit von Windelwechseln. Ja, das stimme ja schon, aber wenn er doch nicht wolle, könne man ihn ja nicht zwingen.

Und morgen in diesem Theater: Mini-Tiger, möchtest du dich anziehen? nein? Ist schon okay, ich liefere dich im Schlafanzug (und mit Morgenkackwindel) im Kindergarten ab.

ich glaub, mein Hamster bohnert...



"All that is necessary for the triumph of evil is that good men do nothing."

-Edmund Burke



Gewalt
Ich fange mit einem Disclaimer an:
ich finde es nicht gut, wenn irgendjemand zusammengeschlagen oder geschubst wird.

Aber bei einem Kindergartenkind gehört das zur halbwegs normalen Entwicklung.

Wir hatten Elternabend. "Faustlos", ein Gewaltpräventionsprogramm. Am Ende machte ich mir ernsthaft Sorgen um
-meinen Geisteszustand
-meine Kopfschmerzen
-das Gefühl unterdrückter Aggression, daß sich auf dem Nachhauseweg in leisem Schimpfen über "Friedensfaschos", "Gewaltfreiheitfetischisten", "militant Friefertige", "Opfermacher", "Erziehungstotalitaristen", "Sinnverdreher", "Programmjunkies", "Hirnwäscherei" und ähnlich schmeichelhaften Worten entlud
-meine Kinder
-das Gewaltlevel im Kindergarten

was wollen die Kindergartenleute?
Kurz gefaßt: wenn Lasse-Ole Moritz-Amadeus vbon der Schaukel wegschubst, dann soll Lasse-Ole nicht zurückschubsen, sondern seine Wut verbalisieren, das Gespräch mit Lasse-Ole suchen und wenn Lasse-Ole nicht von der Schaukel runter will, sich überlegen, was er statt dessen tun könnte.

Nun bin ich nicht dafür, daß Moritz-Amadeus sich schnellstmöglich eine Zaunlatte rausbricht und zurückschlägt, aber das Modell "Laß ihn damit durchkommen" erscheint nicht erstrebenswert.

Ich fragte, warum Kinder, die kein Gewaltproblem haben (und Zurückschubsen würde ich noch nicht als Gewaltproblem ansehen), bitte ein Gewaltpräventionsprogramm mitmachen sollen. Antwort: damit es fair ist und niemand ausgegrtenzt wird und damit die Kinder, die Gewaltfreiheit schon praktizieren, als Vorbilder dienen können. Das ist ganz wichtig.
Elternmeinung: total traumatisiert seit Grundschultagen weil sich da mal jemand auf dem Schulhof geprügelt hat, das war echt schlimm, muß man verhindern. Und überhaupt- U-Bahnschläger! Gewalt ist schlimm! Gewalt ist keien Lösung!

... ja, und manchmal ist keine Gewalt auch keine Lösung...
Großer Tiger hatte dieses Unsinnsprogramm zum Glück nie, trotzdem war es hart genug, ihm beizubringen, daß man sich gegen Schulhofbullies wehren muß. Er probierte es mit der schärfsten Waffe, die er hat: Reden. Dummerweise wollte Kevin nicht reden, sondern lieber des Tigers Hausaufgaben zerreißen.
Das haben wir uns lange angeguckt, mit der Klassenlehrerin besprochen. Die Klassenlehrerin verwies auf die Gewaltpräventionsprogramme, die sie machen (die aber anscheinend Kevin nicht erreichten) und schlug vor, wir mögen Kevin doch mal einladen, dann würden die beiden sich anfreunden oder vielleicht könne der Tiger ja auch Kevin einfach aus dem Weg gehen, der Schulhof sei schließlich groß. Äks, nö. Appeasement hat schon in München nicht funktioniert...
also sprachen wir das mit dem Judo-Trainer durch. Der befand, kein Kind müsse sich schlagen lassen und übte Verteidigung gegen Schlag und Schubsen. Großer Tiger wartete nur noch... und es ergab sich auch schnell Gelegenheit. Kurz und handfest lernte Kevin, daß man keine Brillen- und Pullunderträger haut. Die Woche drauf lernte er, daß man auch keine anderen haut wenn wehrhafte Brillen- und Pullunderträger dabeisind. Resultat: Klassenlehrerin rief an wegen Prügelei, man strebe doch eine gewaltfreie Schule an und um, die Situatiuon nicht weiter zu eskalieren... blablabla. Ich erklärte, der Tiger habe sich nur verteidigt, das Drangsalieren habe lange genug gedauert. Und wenn Kevin sich jetzt provoziert fühle, weiterzumachen, läge wohl kaum dadran, daß er mal Kontra bekommen hat.

Das man auf Kinder einwirkt, bitte nicht sofort loszuprügeln, finde ich verständlich. Aber deswegen das GESAMTE Programm bis zu den Sommerferien um dieses Programm zu zentrieren?

Das legte bei mir den Verdacht nahe, daß sie wohl ein massives Problem hätten. Ich fragte also nach. Nein, selbstverständlich nicht, das sei alles rein präventiv.
Ja, aber warum denn? Wenn was klappt, warum dran rumschrauben? Sie schrauben ja nicht, sie arbeiten pädagogisch. Empathieförderung! Total wichtig!
Ich äußere, daß ich den Kindern erst mal zutraue, daß sie das schon hinbekommen, auch ohne Anleitung im Stuhlkreis und Schaubild (ja, sie haben Schaubilder...) und das die meisten Menschen, die ich treffe, zu alt sind, um dieses Programm absolviert zu haben und trotzdem gewaltfrei durch's Leben kommen.
Das einzelne Kinder Förderung brauchen- okay, dann sollen sie die bekommen. Aber deswegen alle mitzufördern?
Ich schicke ja auch keinen Nichtraucher zur Rauchentwöhnung oder zwinge einen Nichtdiabetiker, auf Schokolade zu verzichten.
Aber das ist doch unfair... Kinder werden ausgegrenzt... finde ich es nicht auch wichtig, daß niemand ausgegrenzt wird?

Über Gefühle solle nachgedacht werden, Wut rationalisiert werden und so weiter. Die Kinder sollten lernen, bei Wut erst mal zu zählen oder einen Luftballon aufzublasen und dann ohne Aggression zu reagieren und eine vorher im Stuhlkreis besprochene Lösung anzuwenden.
Wut gehört zum Leben dazu. Und kann mir einer den 3-jährigen zeigen, der das gebacken kriegt?

Und dann kam die Fragerunde, was unsere Kinder denn von diesem Wahnsinnsprogramm mit nach Hause bringen?
Ich war froh- so gut wie gar nichts. Außer das er häufiger mal in der Ecke sitzt und grumpft. Mir schwante wes... er reagiert nicht mehr auf das, was er fühlt, sondern denkt drüber nach. Und das scheint ihm nicht wirklich gut zu tun. Die Kindergartencrew fand das aber äußerst wünschen- und erstrebenswert.
Außerdem hat mein Kleienr Tigher in letzter Zeit immer Ärger mit einem Kind, was ihn ärgert. Üblicherweise brüllte er es an, schubste es weg und so und dann war das Problem gelöst. Erzieherin war begeistert: gewaltfreies Konfliktverhalten, er geht einfach weg! Ja, in die Ecke, weinen und es in sich hineinfressen. Naja, das wolle man natürlich nicht... aber grundsätzlich sei das schon gut, wenn er wegginge.
Nö, sehe ich anders.

Und deswegen haben wir gestern unser eigenes Gewaltpräventionsprogramm gestartet: Judo.