PR sind wieder da
Dabei seien die beiden am Samstag nach einer Demonstration in einer Kirche verhaftet worden, als sie das Lied skandierten, so Tolokonnikowa in einer Kurznachricht.

Grammatik...

waren die beiden nach der Demo ein bißchen beten und sind dabei in der Kirche verhaftet worden?
Haben sie wieder in einer Kirche demonstriert und wenn ja, wußte die gemeinde davon und wenn ja, wie stand sie dazu?




nordgepolter am 19.Feb 14  |  Permalink
Das hat man (bzw. wir) jetzt davon, wenn unter Journalismus nur noch das möglichst schnelle Heruntertwittern von Neuigkeiten verstanden wird. Nur gut, dass es noch sowas wie die "Zeit" gibt, die grösstenteils noch guten Journalismus (und vor allem schönes Deutsch) bietet.
Aber vermutlich ist diese Ansicht ziemlich gestrig und out. Macht nichts, ich bin über 40. Da darf ich das!

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
Scheint Handtaschendiebstahl gewesen zu sein. Und was war nun mit der Kirche?

Ich werd mal die englischsprachigen Neuigkeiten befragen.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Ob es tatsächlich Handtaschendiebstahl war, muss sich noch erweisen. Korrekt ist, dass ihnen Diebstahl vorgeworfen wurde - das heißt aber nicht, dass sie die Tat tatsächlich begangen haben. Insgesamt sind zehn Leute festgenommen worden, darunter auch der Journalist Jewgenij Feldman, der für die regierungskritische "Nowaja Gaseta" arbeitet, und Semjon Simonow, Chef des Büros der Menschenrechtsorganisation Memorial, berichtet "Die Zeit". Ich halte es für recht unwahrscheinlich, dass die alle Handtaschenräuber sind.

"The Guardian" berichtet: The charges were dropped, and the women freed. It was unclear what purpose the arrest had served except to bring attention to the fact that Pussy Riot were in town.

Übrigens berichten sowohl Guardian als auch die BBC, dass Anfang des Monats sechs Mitglieder von Pussy Riot einen offenen Brief veröffentlichten, demzufolge Maria Alyokhina und Nadezhda Tolokonnikova der Gruppe nicht mehr angehören und daher nicht als Mitglieder von Pussy Riot bezeichnet werden sollen.

Da Sie sich mit solcher Inbrunst an Pussy Rito abarbeiten, noch eine Buchempfehlung des "Telegraph": Words Will Break Cement: The Passion of Pussy Riot.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
Handtaschendiebstahl traue nicht mal ich denen zu. ich wußte, daß es in Sotschi eine kunsthistorisch bedeutende Kirchen geben soll. PR und (orthodoxe) Kirchen sind eine dumme Kombination.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
In Russland stehen jede Menge kunsthistorisch bedeutende Kirchen. Das bedeutet noch lange nicht, dass die beiden nochmals die gleiche Aktion starten. Sie wollten in Sotschi einen Videoclip für einen neuen Song drehen.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
"In Russland stehen jede Menge kunsthistorisch bedeutende Kirchen"

Ja, und in Sotschi gibt es grad mehr westliche Presse als in Irgenwodograd.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Ja, und die örtlichen Behörden haben selbst für maximale internationale Aufmerksamkeit für Pussy Riot gesorgt.

Um nochmals aus dem oben verlinkten Guardian-Artikel zu zitieren:

The women had been keeping a low profile since arriving in the Olympic city on Sunday, apparently to film clips for a new protest song.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
Deswegen stand ihre Ankuft ja auch im Spiegel. Noch bevor sie verhaftet worden sind- wegen was auch immer.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Im Spiegel stand auch, dass die beiden Pussy Riot-Aktivistinnen zwei Tage vor Beginn der olympischen Spiele gemeinsam mit Madonna beim Konzert der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in New York aufgetreten sind. Zuvor hatten sie sich mit der US-Botschafterin Samantha Power getroffen - woraufhin der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin öffentlich gegen die Power zu sticheln anfing. Und davor waren die beiden Frauen zur Premiere des Dokumentarfilms über Pussy Riot in Berlin. Das stand auch im Spiegel.

Fakt ist, in Sotschi blieben sie unauffällig, die große Bühne bereiteten die russischen Behörden.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
Ja, in einer Stadt mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wegen Großereignis ein Video zu drehen spricht wirklich für den Versuch, ganz unauffällig zu bleiben.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Sagen Sie mal, plädieren Sie etwa für eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit für diese Frauen? Darf Ihrer Meinung nach nicht jeder nach Sotschi fahren, der möchte?

Sogar der Anwalt der Aktivistinnen, Alexander Popkov, sagte seufzend:

"Our authorities have this amazing ability to organise a scandal," he said. "If they hadn't arrested them, there would have been none of this crazy media attention."

Dem Anwalt zufolge sind die Frauen auch schon an den beiden Tagen zuvor festgenommen und verhört worden, berichtete der Guardian:

The women arrived on Sunday night and were arrested immediately – supposedly to determine their identity, said Alexander Popkov, a lawyer for the women: "Then on Monday they were detained again and questioned for several hours. And then today, for supposed theft from the hotel. Which is being investigated by 12 specialist investigators."

Die Aktivistinnen wollten die Aufmerksamkeit auf die Korruption lenken, die es rund um die olympischen Spiele in Sotschi vorab gegeben hat - und dass es die gab, können nicht einmal Sie bestreiten. Da die russischen Steuerzahler den Löwenanteil der Kosten für die bisher teuersten Winterspiele bezahlen - wir reden hier von etwa 51 Milliarden Dollar -, haben russische Bürger auch allen Grund dazu, diese Korruption zu thematisieren.

Und finden Sie es etwa gerechtfertigt, wenn man fünf Frauen und einen Mann, die auf der Straße ein Protestlied singen, auspeitscht? Ist heute geschehen, das Video können Sie sich auf der Website des Telegraph anschauen.

Bei dem Mann mit Kamera im Hintergrund, er trägt eine graue Hose und ein weißes T-shirt, könnte es sich um einen Pressefotografen handeln. Auch er wird am Anfang mit der Peitsche geschlagen, später zerren die Milizinäre an seinem Rucksack und reißen ihn zu Boden.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
Nein, ich plädiere nicht dafür, sie aus Sotschi oder sonstewo auszuweisen, nur für völlig harmlose Künstlerinnen, die niemals irgendjemandem was tun würden, halte ich sie auch nicht.

Und immer noch frage ich mich, ob sie nach einer Demo in einer Kirche verhaftet worden sind oder nach der Demo in der Kirche oder nun doch beim Spazierengehen wegen einer andernorts vermißten Handtasche.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Ich weiß nicht, wieso Sie weiterhin über Protestaktionen in einer Kirche in Sotschi spekulieren. Wenn es eine solche gegeben hätte, hätten die Behörden ja einen Grund gehabt, die Aktivisten weiter in Haft zu behalten. Und die Anschuldigungen wegen des angeblichen Handtaschenraubs wurden fallen gelassen. Lesen Sie halt auch mal die verlinkten englischen Medienberichte.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
ich wundere mich nur, woher die Nachricht stammte. Vielleicht reichte dem Spiegel ja die Sichtbarkleit einer Zwiebelkirchturmstpitze im Hintergrund. Das wäre dann ja auch eine Antwort, nämlich: Falschmeldung.


Meine erste Reaktion war zusammenzucken und "nicht schon wieder".
Einerseits weil man im Fall der russischen Rechtsprechung davon ausgehen kann, daß Wiederholungstaten nicht milder bestraft werden.
Andererseits weil die Damen nun mal daneben gegriffen haben mit ihrem Auftritt hinter der Ikonenschranke. Diesen Bereich betritt in orthodoxen Kirchen keiner außer dem Priester weil er gesondert geweiht ist. Das war eine versuchte Kirchenentweihung und so locker-künstlerisch-kreativ ist das eben nicht.

Außerdem stolperte ich über die Formulierung, die mich fragen ließ:
-in der Kirche gewesen bei Verhaftung (anscheinend nicht, sondern auf der Straße)
- in der Kirche demonstriert (auch nicht)

mark793 am 19.Feb 14  |  Permalink
Ihre Hauptsorge dreht sich also um die Kirche, verstehe ich das richtig?

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Wenn Sie das tatsächlich so sehr beschäftigt, warum haben Sie nicht einfach einmal den Twitter-Account von Nadeshda Tolnnikova gesucht und angeschaut?

Das sind Ihre ersten sieben Tweets vom 18. Februar 2014:

------------------------ schnipp -----------------------------------

Задержаны в районе Морпорта Сочи по подозрению в уголовном преступлении.

Стоим в окружении толпы полицейских и эшников в начале ул. Орджоникидзе, где пересечение с Москвина, Сочи.

Маша Алехина, я и еще одна участница Pussy Riot едем в отдел полиции Блиново за нахождение в Сочи.

16го мы были задержаны на 7 часов, 17го мы 10 часов провели в ФСБ, а сегодня в автозаке едем, обвиняемые в КРАЖЕ.

В Сочи мы находимся с целью проведения акций pussy riot. Песня называется "Путин научит тебя любить родину".

Такой олимпийский Сочи. Едем в АДЛЕРОВСКОЕ ОТДЕЛЕНИЕ.

В момент задержания мы не проводили акции, мы шли по Сочи. ШЛИ.

------------------------ schnapp -----------------------------------

Da steht nix von Kirche. Den Tweets zufolge hatten sie zum Zeitpunkt der Festnahme ihren Protestsong auch noch nicht gesungen.

cassandra_mmviii am 19.Feb 14  |  Permalink
@ Mark: die Kirche wird noch stehen, besorgt um sie bin ich eher nicht, eher um die Frage, was diesmal hinterherkommt.
Das geht eher in Richtung "das hatten wir doch schon mal".

@ arboretum: 3 Wochen Russischuntericht. ich habe gestern abend leichtsinnigerweise beim Ausschalten bemerkt, daß derf (leider alternativlose) Sopiegel was von PR und Kirche schrieb und Sie müssen zugeben: keine gute Kombination.

arboretum am 19.Feb 14  |  Permalink
Der Spiegel alternativlos? Sehe ich nicht so.

Bei fehlenden Russischkenntnissen kann man sich auch mit G**gle Translator oder B+blefish behelfen.