Ferndiagnosen
"Es gibt Menschen, die haben eine Schlangenphobie, andere haben eine Flugphobie. Beides ist heilbar. Ob Homophobie heilbar ist, weiß ich nicht.
(...)
Aber Angst, gar krankhafte Angst, vor nicht heterosexuellen Menschen habe ich deswegen nicht."


Eine Phobie ist eine psychische Erkrankung. Sie kann, wie jede andere Erkrankung, dem, der unte rihr leidet, das Leben verflixt schwer machen.

Ferndiagnosen sind schon bei medizinisch gesehen simplen Beinbrüchen schwierig, bei psychischen Erkrankungen unmöglich.

Die Pathologisierung des Anderen ist eine Art des othering , das Selbst definiert sich in Abgrenzung zum als krank wahrgenommenen, Anderen. Selbstredend ist es selten nett gemeint, jemandem eine psychische Krankheit anzuinterpretieren. Dahinter steckt "nur wer nicht ganz dicht in der Birne ist, kommt auf so eine Idee wie du".
Der Gegner wird als krank dargestellt, als armer Irrer, dem eigentlich dringend geholfen werden müßte.
Aus der gleichen Schublade kommen Sätze wie "du bist zu doof das zu begreifen" oder "dir fehlt die Lebenserfahrung" oder "reflektier noch mal 'ne Runde, dann siehst du das so wie ich" in diversen Gewandungen.

Ich fände es schön, wenn wir einander ernst nehmen könnten und nicht den ICD bemühten.

Toleranz ist übrigens das notfalls auch schmerzerfüllte Erdulden des Anderen. Zählt für beide Seiten.




loco-just-loco am 15.Feb 14  |  Permalink
Völlig richtig: der treffende Begriff wäre nicht phobos, sondern misos. Wie in misanthrop, misogyn, misanér (ungebräuchlich, trifft aber u.a. auf A. Schwartzer zu).
Das nämlich beschreibt eine Einstellung.

Aber Humanismus ist ja out...

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Matthias Mattusek - und der ist in dieser Glosse gemeint -, noch ernst zu nehmen, fällt allerdings sehr schwer. Nicht nur wegen seines Artikels in der Welt. Dessen Argumentation andere Journalisten übrigens auch fragwürdig finden:

"Wahrscheinlich bin ich homophob", so schreibt der Autor Matussek am Ende seines Textes, "und das ist auch gut so". Auf welcher Basis er diese positive Selbstbewertung vornimmt, ist unklar. Auf christliche Überzeugungen kann sich so ein triumphales Bekenntnis zur Ausgrenzung und Abqualifizierung Homosexueller jedenfalls nicht berufen.

Lucas Wiegelmann: Warum Homophobie unchristlich ist

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
P.S. Gibt es eigentlich einen Grund, warum Sie die beiden vorigen Sätze von Helmut Schürmann wegließen, als Sie das Zitat auswählten? Komplett lautet es nämlich:

Konvertiten sind in der Regel nach ihrem Übertritt wüste Eiferer. Dieser Mensch, Matthias M., wird natürlich wissen, dass er Wowereit zitiert. Und eigentlich muss er auch wissen, was eine Phobie ist. Die Psychologie spricht von einer Phobie, wenn es sich um eine krankhafte Angst handelt. Es gibt Menschen, die haben eine Schlangenphobie, andere haben eine Flugphobie. Beides ist heilbar. Ob Homophobie heilbar ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich muss man dazu von Grund auf ansetzen, also beim Menschenbild.

So wie Sie ihn zitieren, passt es natürlich besser in Ihre Argumentation. Aber das macht die noch lange nicht sauber.

cassandra_mmviii am 15.Feb 14  |  Permalink
Das waren die beiden Sätze, über die ich gedanklich gestolpert bin.

Phobien sind Krankheiten, den anderen als behandelbar krank und kranheitsuneinsichtig-starrköpfig in seinem Elend verharrend darzustellen dient nicht der sachlichen Argumentation. Nur weil Hr Matussek nicht der brillianteste Argumentator ist, muß man sich ja nicht anpassen.

Hängengeblieben bin ich über noch einen Satz, nämlich: "Es gibt auch keinerlei Anzeichen, dass das Kulturministerium von Baden-Württemberg mit seinem Vorstoß, homosexuelle Lebensformen in den Schulunterricht einzubinden, zur Homosexualität erziehen wolle." gestolpert. In BaWü wird, soweit ich weiß, Sexualität im Rahmen des Bio-Unterrichtes behandelt. Da wird auch über Homosexualität gesprochen, so wie in anderen Bundesländern auch. Von "ausklammern" zu sprechen, ist nicht korrekt und trägt nicnt zu einem sachlichen Diskussionsklima bei und um das geht es ja, oder?


In Ablehnung gegen einen Menschen zu leben, ist generell nicht christlich und auch nicht katholisch, der Katechismus stellt ziemlich deutlich klar, dasß Diskrimonierung nicht ist:
In der Gesellschaft ist es allen Menschen aufgegeben, "homosexuell veranlagten Menschen Verständnis entgegenzubringen. Diffamierung und Herabsetzung treibt sie in eine unerträgliche Situation und erschwert ihnen die Kommunikation."

Das heißt jedoch nicht, daß eine sakramentale Ehe möglich ist, die geht, aufgrund der Geschaffenheit des Menschen als Mann und Frau aus katholischer Sicht nur zwischen Mann und Frau. Nun muß der Staats, der ja nicht katholisch ist, sich daran nicht halten, eine Zivilehe ist etwas anderes (der Staat verheiratet ja auch Geschiedene wieder, ohne sich dabei von katholischen Bedenken stören zu lassen).

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Haben Sie eigentlich auch einmal auf die Links geklickt, die Schürmann in seinem Artikel setzte?

Gegen dieses Vorhaben des baden-württembergischen Kultusministeriums, künftig im Unterricht über sexuelle Vielfalt zu sprechen - und zwar nicht nur im Biologieunterricht -, richten sich wütende Proteste, die genau dieses Vorhaben verhindern sollen.

Ob es ausreicht, allein im Biologieunterricht darüber zu sprechen, sei im Übrigen mal dahingestellt. Ich denke, es reicht nicht. Sexualität ist nicht nur eine biologische Frage. Vielleicht lesen Sie einmal Caroline Emcke Wie wir begehren, ein sehr kluges Buch.

Matthias Mattusek ist jedenfalls nicht die arme, verfolgte katholische Unschuld, wie es in Ihrem Posting anklingt.

cassandra_mmviii am 15.Feb 14  |  Permalink
"Gegen dieses Vorhaben des baden-württembergischen Kultusministeriums im Unterricht über sexuelle Vielfalt zu sprechen, richten sich wütende Proteste"

in BaWü wird, genau wie im Rest der Republik, in Bio-Unterricht über Sexualität gesprochen. Wie ausführlich Trans- oder Intersexualität behandelt werden muß... in Einzelfall gibt es dann auch noch die schulischen Vertrauenslehrer, die vielleicht die geeignetere Adresse sind für vertrauliche Gespräche.

Ich versuche immer mal wieder, Hrn Vossens "Making Sex Revisited" zu lesen, angeblich soll das ganz toll erklären, wie das mit der gender-Theorie und der Intersexualität sei, aber mir erschließt sich das noch immer nicht und dementsprechend denke ich immer noch, daß man im Bio-Unterricht unter der Überschrift "Genetik" auch über Klinefelder- und Turner-Syndrom sprechen soltle, aber als Beweis der Konstruiertheit von Biologie taugt das nicht.


Hier guckt sich die Pläne jemand an, der wie ich finde solide Argumente hat.

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Das heißt jedoch nicht, daß eine sakramentale Ehe möglich ist, die geht, aufgrund der Geschaffenheit des Menschen als Mann und Frau aus katholischer Sicht nur zwischen Mann und Frau.

Weder das baden-württembergische Kultusministerium noch der Welt-Redakteur fordern eine katholische Trauung für Homosexuelle. Falls sich also gerade an der Bildauswahl zu der Online-Version des Artikels von Lucas Wiegelmann abarbeiten, so lassen Sie sich gesagt sein, dass der zuständige Online-Redakteur der Welt Mühe gehabt haben dürfte, das Thema Katholizismus und Homosexualität zu bebildern und sich deshalb für ein Agenturfoto aus Frankreich entschied.

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Ulrich Fuchs ist ein erklärter Gegner der - wie er es nennt - "Gendertrötenmafia", hat also ganz klar eine eigene Agenda.

Das Argument "Die reden in der Schule ja auch nicht über arbeitslose Väter - weshalb sollte man also über Homo- und Bisexuelle oder gar Transsexuelle reden, die stellen anteilsmäßig die viel kleinere Bevölkerungsgruppe dar" - ist reichlich platt und zieht nicht.

cassandra_mmviii am 15.Feb 14  |  Permalink
Matussek stellte, so versuchte ich klarzumachen, eine nur bedingt katholische Position dar. Er sagte seine Meinung.

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Sie aber haben Schürmann so zitiert, dass es klang, als grenze er Mattusek als krankhaft aus.

cassandra_mmviii am 15.Feb 14  |  Permalink
Den Ausdruck "Gendertröte" habe ich beim Hrn Mark das erste Mal gelesen.
Und die Frage, wieso man in fächer- und jahrgangsübergreifend Intersexualität thematisieren sollte, stellt sich mir schon. Und wie man das tun möchte auch.
Genauso wie dioe Frage, ob der Staat wenn er Akzeptanz auf den Lehrplan setzt, nicht einen Schritt zu weit geht- Toleranz muß reichen.
Und am Ende steltl sich mir die Frage, was Schulen in der Provinz tun, wo es nur wenige Orte schwul-lesbischer Kultur positiv zu erleben gibt.

ich denke, wenn man Schülern vermittelt, daß Anders-sein hinzunehmen ist, egal ob es nun um Hautfarbe, Fußballverein oder eben um Sexualität geht, dann ist man weiter als wenn man Einzelfälle heraushebt.

cassandra_mmviii am 15.Feb 14  |  Permalink
Ja, er bezeichnet Mattussek als krankhaft und das ist weder guter Stil noch fair. Es pathologisiert das Andere und damit kommt es aus der gleichen Kiste wie "Schwulsein ist krank und muß behandelt werden".

arboretum am 15.Feb 14  |  Permalink
Nein, das tut Schürmann nicht. Er argumentiert, dass Mattusek besser wissen müsste, was die Bezeichnung "Phobie" psychologisch bedeutet, wenn Mattusek sich selbst als homophob bezeichnet.

Matthias M., wird natürlich wissen, dass er Wowereit zitiert. Und eigentlich muss er auch wissen, was eine Phobie ist. Die Psychologie spricht von einer Phobie, wenn es sich um eine krankhafte Angst handelt.

Ich bleibe dabei: Sie haben versucht, Mattusek als arme, verfolgte katholische Unschuld zu stilisieren - genau wie er das selbst auch gern tut. Denn warum sonst arbeiten Sie sich an Schürmanns Artikel in dieser Weise ab (inklusive Verweis auf den ICD), anstatt sich direkt auf Mattuseks Artikel zu beziehen und den 'mal aus Ihrer katholischen Sicht zu kommentieren?