Anführungsstriche
"Er dankt den 36 noch lebenden Veteranen der Befreiungsaktion dafür, dass sie ihr Leben riskierten, um ihre Heimat von der "faschistischen Besatzung" zu befreien."

Endlich mal jemand, der den Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Faschismus kennt!

Oder warum die Anführungszeichen? Weil "Besatzung" nicht der korrekte Ausdruck ist, wenn das mit der Eroberung nicht so klappt wie geplant?

Das Internat ist definitiv nicht meine allererste Wahl für die Beschulung der Tiger (und das liegt nicht nur an der Entfernung!), aber Fakt bleibt: die dort unter Wolldecken sitzenden Veteranen sind damals ins Eiswasser gesprungen, um die Wehrmacht aufzuhalten. Und das war, um es mal kurz zu fassen, nötig. Dafür kann man ihnen dankbar sein, denn ohne würden wir mit ein wenig Pech vor jedem Briefkasten mit Hoheitssymbol salutieren.
Also kein Grund für Anführungsstriche.




mark793 am 06.Feb 14  |  Permalink
Ich denke mal, das wird ein Zitat gewesen sein. Immerhin wird da die Rede eines Schülers wiedergegeben. Im sowjetischen Sprachgebrauch hat man es m.W. oft nicht so genau genommen, was Faschismus und Nationalsozialismus angeht.

Also kein Grund, Oberlehrer zu spielen. ;-)

cassandra_mmviii am 06.Feb 14  |  Permalink
Das ist der zeitgenössische sowjetische Sprachgebrauch. Nur warum man beim Spiegel so ironisiert... mut nich'.

PS: und wenn ich nicht regelmäßig oberlehrere, explodiere ich. Und dann ist keiner mehr da, der die Sauerei wegwischt.

mark793 am 06.Feb 14  |  Permalink
zeitgenössisch sowjetisch? ;-)

Ich kann in der Kenntlichmachung als Zitat keine nennenswerte Ironisierung erkennen und würde auch nicht darauf wetten wollen, dass eine solche intendiert war. Aber vielleicht stehe ich da ja auf dem Schlauch.

sari am 06.Feb 14  |  Permalink
Ich würde dem Herrn Mark da zustimmen wollen...

cassandra_mmviii am 06.Feb 14  |  Permalink
Mein Russisch ist ja äußerst rudimentär- der Fluch der späten Geburt. es war einfach das falsche Jahr, um Russisch zu lernen. Aber es reicht, um notfalls was mit dem Wörterbuch nachgucken zu können und rein zufällig habe ich mal im Studium was zur Komintern und ihrem Verhältnis zum Faschismus machen müssen. Die russischen Quellen, die ich in den Fingern hatte, sprachen immer nur vom faschistischen Deutschland.
Die Papierberge, die deutschsprachig auf Kommi-Seite während der 1930er beschrieben worden, benutzten das auch weitgehend, "Nazis", "Nationalsozialisten", "Hitleristen" findet man zwar, aber seltener. da drängte es wohl auch den Hotel-Lux-Bewohner mal zum Zweitwort.

Und dabei ist Mütterchen Russland anscheinend geblieben. Ist ja auch schön, wenn mal was so bleibt.

Gänsefüßlein werden doch immer noch benutzt, um etwas zu ironisieren, oder? Und indirektes Zitat dürfte länger sein und Heimat noch mit drinne haben, oder?

Ich gebe ja zu, russischer Vaterländischer-Krieg-Totenkult kann seltsam aussehen, aber memoria &Pathos sind kaum trennbar.

mark793 am 08.Feb 14  |  Permalink
Gänsefüßlein werden doch immer noch benutzt, um etwas zu ironisieren, oder?

Von Amateuren schon. In der halbwegs ernstzunehmenden Presse ist so Tüddelchen-Sprech ziemlicher no-go. Da stehen Anführungszeichen für Zitat und für sonst gar nichts. Wobei ein Zitat von Fall zu Fall schon eine distanzierende Nebenbedeutung haben kann, nach dem Motto, das hat der gesagt, aber nicht ich. Aber eine Ironisierung qua Tüddelchen können wir in dem Fall wohl ziemlich ausschließen.

cassandra_mmviii am 08.Feb 14  |  Permalink
seit wann ist SPON (wieder) professionell???

mark793 am 08.Feb 14  |  Permalink
Das derailt jetzt aber führt uns hier wirklich auf Nebengleise (ich lese auch zu selten bei bild.de, um wirklich sicher sagen zu können, dass dort nicht mit Tüddelchen ironisiert wird). Aber was auch immer man von Spon halten mag, der ganze Kontext dieses Berichtes gibt m.E. es nicht her, da eine Ironisierung rauszulesen. Wenn sie das ums Verrecken weiterhin anders sehen wollen, Ihr Bier, ich bin raus.

cassandra_mmviii am 08.Feb 14  |  Permalink
Mich irritiert an der ganze Serie, als wie befremdlich das andere wahrgenommen wird. Vielleicht meine Interpretation, aber das ist bei jedem Text die Frage.

Und dann derailt das ganze auch nicht, sondern geht auf die Frage zu, was Journalismus ist. Wundern kann sich auch Klein-Fritzchen.

mark793 am 08.Feb 14  |  Permalink
Von dieser Gesamtwahrnehmung (die ich nicht vollumfänglich teile) ausgehend sind Sie also auf den Trichter gekommen, dass sich der Verfasser qua Tüddelchen über die vepeilten Bolschos lustig mache, die Faschismus und NS nicht auseinanderhalten können? Puh. Und was ist Journalismus in diesem Zusammenhang, das ist auch so eine 1000-Dollar-Frage. Als jemand, der damit sein Geld verdient und auch im Meta-Diskurs einigermaßen sattelfest ist, würde ich sagen, dass diese Reisetagebuchform schon eine eigene Gattung ist, in der Subjektivität etwas mehr Raum hat als in einer klassischen Reisereportage. Von daher kann ich mich nicht übermäßig darüber verwundern, wenn das Fremde ein Stück weit als befremdlich wahrgenommen wird.

loco-just-loco am 06.Feb 14  |  Permalink
*ächz* Nationalsozialismus und Stalinismus, SS und Rote Armee, KGB und Gestapo - Pest und Cholera. Und halb Europa, das durch eben diese Rote Armee ein halbes Jahrhundert lang "befreit" gehalten wurde, hätte sicherlich auf diese Befreiung und das Salutieren vor jedem Gimpel mit rotem Stern auf der Jacke bestens verzichten können.