Sozialtraining
Die kleine Hexe ward vom Großen Tiger im Wald stehengelassen. Er wußte nämlich, was Hexen so alles anstellen (Kinder in Backöfen stecken zum Beispiel) und je tiefer sie im Wald verschwunden ist, desto besser.
Ich fand das hochgradig einleuchtend. Würde ich jemandem helfen, der mich als nächstes braten will? Ich glaub', es piept.

Das war das erste dieser Trainings, durchgeführt unmittelbar nach der Einschulung, da ging es wohl um Gruppenzusammenhalt, Empathie und so weiter. Wie sollen denn Kinder, die erst mal den Namen des anderen kennenlernen müssen, Gruppenzusammenhalt haben? Und ist es wirklich ein Zeichen mangelnder Empathie, nicht wie Hänsel enden zu wollen?

Nu' schlagen wir uns mit Faustlos im Kindergarten rum.
Mein Eindruck von der ganzen Sache: Kinder sollen vor allem Aggressionen auf keinen Fall zeigen. Klar wäre es schöner wenn Lasse-Ole statt Moritz-Amadeus die Schaufel wegzunehmen sagen würde "Moritz-Amadeus, wollen wir die Schaufel nicht teilen? Wir können zusammen damit spielen!" und Moritz-Amadeus daraufhin zustimmen und beide in einen kommunikativen Prozeß eintreten würden, in dessen Verlauf man sich einigt, was man denn spielen will. Aber erwarten wir das wirklich von Kindergartenkindern?

Ich frage mich, warum man Kindern, die ein altersangemessenes Sozialverhalten zeigen, unbedingt auf Breitenbasis durch diese Programme jagen muß.
Seit sie diesem Faustlos-Kappes im Kindergarten machen, reagiert Kleiner Tiger wenn es zu Streit kommt nicht mehr so, wie es ihm in den Sinn kommt, sondern frißt es in sich hinein, um dann später zu explodieren. Auf die Dauer läßt sich der Frust über den Verlust des Autos, der Schaufel etc nämlich nicht ignorieren. Ich kann das verstehen, wenn mir jemand was wegnimmt, reagiere ich auch nicht grad mit Fröhlichkeit.

Ein gewisses Maß an Aggression gehört zum Menschen wahrscheinlich dazu. Nun muß man mit der Begründung nicht gleich seinem Nachbarn mit dem Klappspaten an die Kehle gehen, aber in meinen Augen ist es schon ok wenn man sich wehrt. Wenn das mit dem Reden ("Du-hu, Neonazi, ich weiß, daß du ein völlig mißverstandener Junge bist, der total gefrustet ist und deswegen nicht weiß was er tun soll und vor lauter Hilflosigkeit ein Asylbewerberheim anzünden muß. Willst du das nicht lieber lassen?") nicht klappt, dann irgendwann auch mit mehr als nur Worten.
Im Idealfall kommen die Profis von Team Grün-Weiß und nehmen den Übeltäter mit. Hoffentlich endet das vor Gericht und dann im Knast und nicht bei einer Tasse Schnittlauchtee und problemorientierter Gesprächskerze. Im nicht ganz so idealen Fall steht man aber allein da und als ich das letzte Mal was davon gehört habe, war man in Deutschland noch zur Nothilfe verpflichtet.

Mini-Tiger rüpelt immer noch rum. Aber irgendwie vertraue ich drauf, daß sich das ganze auch ohne größere therapeutische Maßnahmen gibt. Spätestens wenn mal einer zurückrüpelt. Aber das tut ja keiner mehr...

Ich hatte nie eins dieser Programme in Kindergarten oder Schule. Gab es deswegen mehr Prügeleien? Vielleicht, aber sie endeten meist, wenn der andere am Boden lag, aufgab oder wegrannte. Mit anderen Worten: alles im Grünen Bereich.

Kleiner Tiger war (vor diesem Faustlos-Mumpitz) jederzeit bereit, seinen kleinen Bruder, das Nachbarmädchen, notfalls sogar seinen großen Bruder und auch sich gegen alles was da kam zu verteidigen. Er hat fast nie angefangen, aber wer Ärger wollte, konnte ihn haben. Selbstbewußtsein, Konfliktbereitschaft, Mut, Bereitschaft, für seine Freunde einzustehen- wir hatten einen Ritter oder Indianer, der Stoff, aus dem Helden sind.
Dummerweise kollidierte das schon letztes Jahr mit den Erziehungszielen des Kindergartens, die man wohl am besten als "absolut friedfertig" bezeichnen muß. Nicht zurückschubsen, auch wenn man geschubst wird.
Haben sie deswegen weniger körperliche Streitigkeiten? Vielleicht, aber die Frage ist, ob Kinder im Kindergartenalter nicht ein Recht dadrauf haben, auch körperlich zu sein statt nur noch mit Worten zu reagieren.

Die Kinder bewegen sich weniger als vor 30 Jahren heißt es. Naja, Playstation hatten wir im Garten, hieß Schaukel :-) wir mußten noch Radfahren wenn wir zu unseren Freunden wollten und sind nachmittagelang rumgetobt. Wir waren körperlicher. Das ist vielleicht der Schlüssel: erlaubt den Kindern, ihren Körper zu spüren, ihn auzuprobieren und zu entdecken, wie weh es eigentlich tut, wenn man eins auf die Nase bekommt. Das fördert die Empathie wahrscheinlich mehr als Schaubilder.
Vielleicht gibt das die eine oder andere Schramme, aber die meisten von uns 30plus-Leuten scheinen nicht dauerhaft verkrüppelt zu sein.

Das beste Sozialtraining findet nicht im Stuhlkreis statt, angeleitet von einer Fachkraft, die erzählt, was man tun darf und was nicht, sondern im Umgang mit anderen Kindern.




stimmviech am 19.Jan 13  |  Permalink
So erzieht sich eine untergehende Kultur zur Wehrlosigkeit, die zur Machtübernahme bereitstehenden Religiösen werden es leicht haben mit der jetzt aufwachsenden " Schwuchtelgeneration".

cassandra_mmviii am 19.Jan 13  |  Permalink
"die zur Machtübernahme bereitstehenden Religiösen werden es leicht haben mit der jetzt aufwachsenden " Schwuchtelgeneration"."

Grundsätzlich bin ich selbstverständlich IMMER zur Übernahme der Weltherrschaft bereit. Ich schwanke noch, was meine erste Maßnahme als Weltdiktatorin sein wird.

Spaß beiseite: das ist nicht der Untergang des Abendlandes, sondern einfach nur nerviges pseudo-pädagogisches Wunschdenken im Wiewunderland. Es geht davon aus, daß man Menschen unbegrenzt formen kann, und das funzt nicht.

tama am 19.Jan 13  |  Permalink
Es geht vor allem davon aus, dass Kinder die Welt genauso erfahren und lernen wie Erwachsene. Und das funzt erst recht nicht.

cassandra_mmviii am 20.Jan 13  |  Permalink
Groß werden ist ein Prozess, der ein paar Jahre dauert. Emotionale Reife kommt auch nicht über Nacht.

Die allerwenigsten Menschen meines Alters (unbefleckt von Faustlos&Co) verprügeln an der Supermarktkasse jemanden weil er vor ihnen steht. Wir scheinen das begriffen zu haben. Kinder heute sind nicht dööfer als vor 30 Jahren, die werden das auch schon begreifen, auch ohne dafür im Stuhlkreis zu sitzen und es mit Schaubildern erklärt zu kriegen.

Das es im Einzelfall hochgradig sinnvoll ist, an der Impulskontrolle zu arbeiten, ist unbestritten. Das war auch schon vor 30 Jahren sinnvoll. Aber deswegen muß ich doch nicht alle durch so ein Programm jagen.

loco-just-loco am 20.Jan 13  |  Permalink
Ich weiß nicht, wen Stimmviech mit "die Religiösen" meint, aber ich fühl mich unangenehm berührt. Ich hau ihm aber nicht auf die Nase.

Sind es nicht grad die Leute mit den unausgelebten Aggressionen, die irgendwann explodieren (und dann möglichst ein paar Dutzend Leute in den Tod reißen)?
Als die Ideologie der Kollektivverwahrung noch nicht mit der Ideologie des "politisch korrekten" (hüstel) und des "du darfst nicht angepißt reagieren" zusammenliefen, waren zwar all diese Ideologien schon schädlich, aber wenigstens haben sie noch nicht columbeinisiert...

cassandra_mmviii am 20.Jan 13  |  Permalink
I am the "Fun" in "Fundamentalism" :-)
Ich weiß grad nicht, wann ich das letzte Mal jemanden auf die Nase gehauen habe. Es war beim Karate-Training.

Ich bin ja auch Mitglied der Katholikalen Weltverschwörung.


Spaß beiseite: ich mache mir keine akuten Sorgen, daß der Kleine Tiger seine Mitschüler erschießen könnte. Ich halte das bisher nur vor nervige Zeitverschwendung- Zeit, die man auch mit was sinnvollem wie Malen, ein Haus bauen, in der Puppenküche Nudeln kochen etc verbringen könnte. Da wird was problematisiert, was sich in in den allermeisten Fällen von selbst erledigt. Und die Fälle, die sich nicht von alleine erledigen, brauchen wahrscheinlich mehr Hilfe.
Wut, Sauer-sein und auch Aggression gehören dazu. Das darf man fühlen und auch zeigen. Gerade als Kind. Man muß ja nicht gleich Nasenbluten auslösen. Bisher ist das aber zumindest hier sehr selten passiert. Und das kann aucb so bleiben.

stimmviech am 20.Jan 13  |  Permalink
Ich meine eine aktive Religion mit rasch wachsender Anhängerschaft gerade unter jungen Leuten mit Migrationshintergrund. Bekannte Vertreter dieser Religion haben schon Flugzeuge in Häuser gesteuert, unbekannte junge Vertreter, wohnhaft oft in Neukölln, wissen " wo dein Haus wohnt". Auf jeden Fall haben die " Faustlos" nicht im Erziehungsprogramm.

cassandra_mmviii am 20.Jan 13  |  Permalink
Auf jeden Fall haben die " Faustlos" nicht im Erziehungsprogramm.

Wenn sie bei uns in den Kindergarten gehen schon...


Wir haben hier in der BRD Religionsfreiheit und das ist auch gut so. Das gilt sogar für Leute, die meinen Glauben nicht teilen.

Respekt vor dem Glauben anderer- immer. Selbst wenn er seltsam ist (und damit meine ich jetzt nicht mal den Islam).
Mord&Totschlag- nein. Auf keinen Fall.


Nur mal so als Grundsatzstatement.