Neanderthaler-DNA
Einen Neanderthaler klonen, vielleicht sogar mehrere, und dann eine politisch relevante Neanderthaler-Kultur ... ja, was für ein Verb paßt?
Haben?
Erleben?
Im Zoo angucken?

Vergessen wir mal alle grundsätzlichen Erwägungen zur Thema "Biologen im Machbarkeitswahn", Gentechnik im allgemeinen und Klonen im besonderen.

Nehmen wir mal an, er findet eine Leihmutter und sie trägt ein Neanderthaler-Baby aus. Und dann?
Wo wird es leben? Bei seiner Mutter? Im Labor?

Hoffentlich bei seiner Mutter. Wird sie dann verpflichtet sein, ihr Kind der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen? Hoffentlich nicht. Denn am Ende geht es um einen Menschen, nicht um Projekt xy.

Was für eine Neanderthaler-Kultur erhofft sich der Mann? Wenn das Kind ganz stinknormal aufwächst, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit weder Neanderthaler-Sprache von sich aus entwickeln noch Faustkeile herstellen noch einen Einblick in die Vorstellungswelt von irgendwem Prähistorischem geben. Das sind keine Fragen der DNA, sondern der Kultur, in der das Kind aufwächst. Die moderne menschliche DNA sagt uns ja auch nicht, ob wir einen Msolem, Hindu, Atheisten oder Animisten vor uns haben. Oder was für eine Sprache gesprochen wird.

Nach allem, was man bisher annimmt aufgrund von Ergebnissen der Prähistorischer Anthropologie, war die Neanderthaler-Kultur weder einheitlich noch statisch. Bei ein paar hunderttausend Jahren hat man jede Menge Zeit für Entwicklung. Außerdem reden wir hier von großen Räumen- Afrika, Europa, Teile Asiens.


Nennen wir das Kind mal Tim. Nehmen wir an, Tim kommt zur Schule und kann toll Mathe, ist aber leider eine Niete im Sport. Und dann? Werfen wir unser Bild vom keulenschwingenden, pelztragenden Brutalo über Bord weil Tim, der genetisch ein Neanderthaler ist, lieber rechnet als turnt? Könte das vielleicht mit Tims Mama, einer promovierten Genetikerin, und Tims Ziehvater, einem Mathe-Dr., zusammenhängen? Oder stellen wir lieber sicher, daß Tim Eltern bekommt, die bitte eher unserem Bld vom Neanderthaler entsprechen?
Erkennen wir an, daß Tim vielleicht ein Individuum sein könnte? Genau wie wir?
Vielleicht ist Tim aber auch ein eher wildes Kind. Was sagt uns das über die Neanderthaler-Kultur? Wenig, es sagt ja auch wenig über unsere Kultur wenn ein Kind rumtobt.

Für die visionierte Neanderthaler-Kultur muß man dann natürlich sicherstellen, daß Tim nicht etwa beschließt, Anwalt zu werden und ein völlig langweiliges Leben zu führen, vielleicht sogar eine homo sapiens sapiens Frau zu ehelichen und viele, viele Kinder zu bekommen, sondern mit den anderen Neanderthalern zusammenzieht.

Was tun die Eltern, mit deren Kindern Tim zur Schule geht?
Was tun Sie, wenn Tim das Reihenhaus neben Ihnen kauft?

Wir haben schon genug Probleme, unterschiedliche Hautfarben als gleichwertig zu akzeptieren. Der Neanderthaler nebenan würde wahrscheinlich den Cro-Magnon-Rüpel in uns hervorbringen.

Sind wir bereit für eine andere Unterart Mensch? Eine eigene Art wäre Tim ganz sicher nicht, die Neanderthaler-DNA im modernen Menschen gilt als gesichert, eine Fortpflanzungsbarriere ist definitiv nicht da.




cut am 15.Jan 13  |  Permalink
Im Zoo?
Ich kenne Gegenden in Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, da ist der Neanderthaler ganz sicher nicht ausgestorben.

Ist aber kein Grund zur Sorge. Die sind ganz friedlich, freundlich und unauffällig.

cassandra_mmviii am 16.Jan 13  |  Permalink
Doktoranden-Kolloquium. Man is vom Thema abgekommen und bei der Nachbarsdiziplin Prähistorische Anthropologie gelandet. Jemand erwähnt das Aussterben der Neanderthaler.
Doktorandin: "Neanderthaler? Die haben doch im Harz gelebt, oder?". Ausgestorben sind sie, aber wann war sie sich nicht so sicher. Vielleicht im Frühmittelalter?

veilchenpastille am 16.Jan 13  |  Permalink
Dieser Mann sollte sich vielleicht selbst genetisch so verändern, dass er seinen Neandertaler selbst austragen kann. Dann braucht er kein abenteuerliches Weib, dass vielleicht irgendwann beseitigt werden muss, weil es sein Neandertalerbaby mit maternaler Aggression gegen jeden verteidigt, der sich an dessen Genom zu schaffen machen will.

cassandra_mmviii am 16.Jan 13  |  Permalink
Biologischer Machbarskeitswahn. Auf den Gedanken, daß da am Ende ein Individuum rauskommen könnte, daß keine Lust hat, im Labor oder Museum zu leben, kommen solche Leute nur schwer.

Tigergatte (Humanbiologe und Genetiker) bekam bei der Nummer Lachkrämpfe, erzählte was von fehlender Epigenetik und fragte, welches Gen denn für Kultur zuständig sei.