"Hauptsache gesund!"?
"Hauptsache gesund" sagt eine bestimmte Generation Mitmenschen gern angesichts meines Bauches, oft gefolgt davon, daß Gesundheit überhaupt das wichtigste sei.
Nun will ich, geplagt durch allerlei Wehwehchen, überhaupt nicht bestreiten, daß Gesundheit definitiv etwas sehr wünschenswertes ist. Wer einmal längerfristig ernsthaft krank war, wird das kaum bezweifeln.
Und wer ein dauerhaft krankes Kind hat, leistet oft unglaubliches und verdient dafür Anerkennung, Hilfe und moralische Unterstützung.
Aber was wenn...?
Was wenn das Baby in meinem Bauch nicht gesund wäre, sondern behindert? Was wir bereits jetzt wüßten, daß es Trisomie 21 oder einen Herzfehler hat?
Für uns steht fest: wir kriegen das Kind trotzdem. Diesen ganzen Pränataldiagnostik-Kram, den wir in den 3 Schwangerschaften vorher nicht gemacht haben, nahmen wir relativ locker. Wann geht man schon mal zum Spezialarzt und das Ergebnis hat erst mal keine Auswirkungen?
Wie fühlt sich eine Mutter, in deren Bauch ein nicht-gesundes Kind wächst, wenn sie hört "Hauptsache gesund"?
Und mein Kind ist dann nicht Hauptsache?
Ich habe relativ viel Unverständnis aus der Verwandtschaft bekommen als wir nicht die komplette testreihe durchziehen wollten.
"Du bist doch schon über 35"
"Ihr habt doch schon drei"
"Das Risiko geht doch kein vernünftiger Mensch ein, wenn man da was ändern kann, tut man es, man will doch, daß es dem Kind gut geht"
So ein Test ändert nichts. Er stellt nur fest. Klar will man, daß es dem Kind gut geht, aber dafür gibt eine Grundvorraussetzung: es ist am Leben. Und das sind zu viele Kinder, bei denen "Hauptsache gesund" nicht zutraf, nicht.
Eltern, deren Kind nicht "Hauptsache gesund" ist, werden schnell in die "selber schuld"-Ecke gestellt. Sie hätten es ja auch anders, leichter haben können. Sie sind nicht Teil der pseudohedonistischen Wohlwohlkultur von "Hauptsache ich", sondern sie tun etwas, was man ungern hört: sie stehen zurück.
hinterher kommt ein zitterwolf raus und was dann?
da hat sich die begeisterung verdammt in grenzen gehalten
sowas könn wa cassandra nich zumuten
dann kann se auch nich mehr bloggen sondern is imma beschäfticht mit untaten
Immer noch kein Grund, jemanden umzubringen.
Außerdem bezweifle ich, daß man via pränatalem Test feststellen kann, ob ein Kind sich zum Schrecken der Nachbarschaft/Schule/Stadt entwickelt oder nicht.
Und bei den allermeisten "Untaten", die so angestellt werden, sollte man sich überlegen, ob es wirklich ganz schlimme Untaten sind oder einfach nur Energie, die man kanalisieren sollte.
Ich würde mich bei entsprechender Veranlagung gleich freiwillig aus dem Genpool ziehen.
Sie würden Suizid begehen? Das halte ich ehrlich gesagt für eine Überreaktion.
Ich gebe es zu: Dieser Gedankensprung hat mich gerade sprachlos gemacht! .__.
Mich hat der Gedanke, daß jemand sich deswegen das Leben nehmen könnte, auch ziemlich sprachlos gemacht.
was bitte meinen Sie mit "mich bei entsprechender Veranlagung gleich freiwillig aus dem Genpool ziehen"?
In meinem ganz konkreten Fall:
Wenn Gene Mutter + Gene Vater = ca. 15% (eher nach unten zu korrigieren, nähere Informationen einzuholen ist für den Ernstfall geplant) und höhere Wahrscheinlichkeit auf familiär bedingte Krankheit oder vergleichbar beim potentiellen Nachwuchs,
dann:
- Sterilisation (unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit folgender Alternative) oder
- einfaches Weiterverhüten (falls Beziehungsbruch und neuer potentieller Kindsvater um die Ecke kommt; dann wiederholt sich Schritt 1)
und / oder
- Kind(er) "nur" zur Pflege nehmen oder
- Kind(er) adoptieren.
Wenn Gene Mutter + Gene Vater = ca. 85% (eher nach oben zu korrigieren, siehe oben) und höhere Wahrscheinlichkeit auf Ausschluss familiär bedingte Krankheit oder vergleichbar beim potentiellen Nachwuchs,
dann:
steht dem ja nichts im Wege.
Na, dann mal viel Spaß dabei.
Ich hoffe, bis dahin hat man Gene für alle Krankheiten entdeckt (Kurzsichtigkeit zB ist auch eine Krankheit)und fürchte, so einfach wie Sie sich das vorstellen, ist das nicht.
Gibt es auch einen Plan für den Fall, daß Ihr Nachwuchs mit 15 vom Rad fällt und danach krank ist?
Ich wünsche Ihrer Familie den Erhalt der Gesundheit und alles Gute.
mein Cousin hatte mit 12 einen Radunfall, Gehirnblutung mit folgender geistiger Behinderung. In was unterscheidet sich seine Einschränkung von der eines Menschen, der bereits so geboren wurde? Durch ein paar Worte in einer Krankenakte. Das macht weder für ihn noch für seine Familie einen Unterschied.
Das ist schlimm, aber kein Grund, nicht mehr zu leben oder etwa einem anderen das am-Leben-sein abzusprechen.
Menschen versprechen sich immer alles mögliche von der Genetik. Da aber kaum abzusehen ist, welcher Satz Gene überhaupt aktiviert wird (das nennt sich "Epigenetik"), kann man vorher kaum sagen, was wie aussieht, das ist eine Frage des Individuums.
Es gibt Kinder von 2 Kurzsichtigen, deren 4 Großeltern ebenfalls kurzssichtig sind, die trotzdem nicht kurzsichtig sind.
Es gibt genetisch völlig gesunde Menschen, die trotzdem nicht gesund sind (Gaumen-Rachen-Spalte ist nicht genetisch bedingt). Sei es durch Unfallfolge, aber manchmal weiß man es schlicht nicht. Der J. ist genetisch dermaßen gut durchgecheckt, das glaubt man kaum. Er hat einen schweren Herzfehler. Zuerst gaben ihm die Ärzte nicht mal bis zur Geburt, dann nur ein paar Tage, dann höchstens ein paar Monate... und nun ist er im Kindergarten, und zwar nicht als Förderkind.