von woanders wech
Wenn man umzieht, und sei es auch nur innerhalb der Republik, wird man Unterschiede antreffen.
Ich stand die erste Zeit beim Einkaufen vor den Regalen und dachte "WTF" beim Anblick von etwas, was Klipp heißt und ich bis heute nicht probiert habe.
Den Großketten sei Dank, zumindest die Grundnahrungsmittel sind wiedererkennbar gewesen.

Auf der Suche nach einem Kindergarten wurde ich an einen KiGa mit etwas im Namen verwiesen, daß so ähnlich wie "butcha" klang.
Der Butja ist bei uns das, was woanders der Metzger, Schlachter oder Fleischer ist.
Ich schloß diese Bedeutung aus und bat die Dame am Telefon, mit das doch bitte zu buchstabieren, was sie tat, ganz langsam. Den ersten Teil des Namens zumindest "und dann butcha" sagte sie fröhlich... super... "butcha wie rumbutchan eben!" war die Antwort auf die Nachfrage.
Sie begriff nicht, wie man nicht wissen kann, was "butchan" sei. Sieht altsächsisch aus, wenn man mich fragt... dabei waren wir doch nur innerhalb Norddeutschlands umgezogen...

In Ostpreussen sagte man zu Zucker Farine, zu Quark Glumse und bis heute gibt es sogar Flüchtlinge der dritten Generation, die das so sagen. Und wissen Sie was? Das ist auch nicht schlimm. Wer im Laden steht und Glumse verlangt und dann an die Zoohandlung oder eine Logopädin verwiesen wird, hat halt ein Problem, aber das ist kein Problem anderer Leute, sondern seins.

Was ist also Herrn Thierses Problem, wenn er beim Brötchenholen jemanden hört, der nach Wecken verlangt? Wenn die 400-Tacken-Aushilfe keine Ahnung hat, was das ist, und statt dessen die Nummer des Weckdienstes raussucht, ist das eigentlich nicht Herrn Thierses Problem. Wenn Pflaumenkuchen zu was schwäbischem mutiert, sollte einen das eigentlich auch kalt lassen, er wird ja weiterhin verstanden, wenn er Schrippen oder Pflaumenkuchen verlangt.

"Mir könne alles, nur kei Hochdeitsch" sage die Schwaben. "Schrippe" ist beim besten Willen auch kein Hochdeutsch.

An Vielfalt muß man sich gewöhnen. Daß sich der Prenzlauer Berg in Stuttgart verwandeln könnte, ist ja nicht zu befürchten.
Das Leute ihre Gewohnheiten mitnehmen, wenn sie umziehen, ist eigentlich klar.

Also: nicht über die Kehrwoche aufregen, sondern sich über das saubere Treppenhaus freuen.

Sollten wir ins Rheinland ziehen, hoffe ich auf tolerante Mitmenschen, die es uns nicht verübeln, wenn wir nicht klingen wie Rheinländer.




arboretum am 03.Jan 13  |  Permalink
Schrippen*, Brötchen** und Weck*** sind hier in der Gegend unterschiedliche Sorten jener Backwaren, die viele Leute gern zum Frühstück essen. Darf man hier also alles beim Bäcker sagen und bekommt es dann auch.

* länglich, ** rund, *** Wasserweck = anderer Teig und sehr braun

cassandra_mmviii am 03.Jan 13  |  Permalink
solange man sich beim Bäcker verständigt bekommt und nicht rummault, weil die Kaisersemmel hier aber Goldstücke heißen ist doch alles palletti.
Ganz konkret heißen die "Standard-Brötchen" hier von Bäckerei zu Bäckerei unterschiedlich.

Im Zweifelsfall sagt man "ich meinte die daneben" und dann klappt das auch. Bei Selbstbedienung im Supermarkt stellt sich das Problem noch weniger.

Bißchen Toleranz kann man von Berlinern, Schwaben und notfalls auch von Bremern erwarten.

Meine Tante wohnt seit etwa 35 Jahren in Schwaben und "Grüß Gott" ruft bei ihr immer noch "eigentlich hatte ich nicht vor, in absehbarer Zeit zu sterben" hervor. Aber sie weiß, was gemeint ist, alle anderen wissen auch, was "Guten Morgen" sein soll, also bleiben alle entspannt.

sid am 03.Jan 13  |  Permalink
Versteh ich sowieso nie - da steht doch in 90% der Fälle sowieso ein Namensschild darüber/darunter/ sonst wie oder wo. Oder man sagt: "Das da bitte" und fragt ggf. nach dem ortsüblichen Namen.

Hier nervt es zum Teil schon sehr, wenn dt. Touristen (wir hoffen doch, daß sie nicht gekommen sind, um zu bleiben) UNS versuchen zu belehren, wie was zu heißen hat.

mark793 am 03.Jan 13  |  Permalink
@sid: Um in solche Fettnäpfchen zu treten, braucht man nicht mal nach Österreich zu fahren, oft heißen Sachen bei einem anderen Bäcker schon wieder anders. Selbst bei meinem Stammbäcker hier ums Eck muss ich manchmal entweder fragen oder sagen "und noch zwei von denen hier".

Meine Ex hat ein österreichisches Kochbuch, ich habe da immer gern drin geblättert und mich über die exotischen Begrifflichkeiten gefreut. Wäre doch schade um so schöne Wörter wie Paradeiser oder Palatschinken.

kelef am 03.Jan 13  |  Permalink
zu paradeisern und palatschinken kann man auch anders sagen? sie sehen mich erstaunt.

und sowieso: was heisst exotisch. hören sie doch einmal hin: "paradeiser" klingt doch wesentlich geschmackvoller und nach paradeisern als "tomaten". und palatschinken sind eine eigene sorte, und keine pfannkuchen, crepes oder was auch immer.

so wie schrippen und semmeln nicht das gleiche sind.

erstaunlich finde ich ja nur, dass sich niemand darüber zu alterieren scheint dass es auch im englischen für das vermeintlich ein-und-dasselbe verschiedene ausdrücke gibt, je nach land und leuten. aber deutsch-deutsch geht das einfach nicht. dabei haben wir alleine schon in österreich eine unzahl an verschiedenen ausdrücken für die im deutschen nachbarland so schmählich/einheitlich als kartoffeln (wie das schon klingt!) bezeichnete erdäpfeln/bramsti/bramburi/grundbirn/...

und weil wir gerade dabei sind: paprika, pfefferoni, pepperoni, pepperoncini, chili, piri-piri: lauter verschiedene dinge.

mark793 am 03.Jan 13  |  Permalink
Also Frau Kelef, ich bin da ganz bei Ihnen, aber eins bekäme ich in Ihrem Land womöglich nicht (oder erst nach jahrelanger Übung) über mich: an der Kassa im Supermarkt zu sagen "a Sackerl, bittschön". Eher würde ich vermutlich versuchen, all meine Einkäufe lose auf den Unterarmen balancierend nach Hause zu tragen. ;-)

Ihr Landsmann Peter Glaser, der seit Jahren in .de-Land lebt, bekannte neulich, er habe jahrelang gebraucht, bis ihm das Wort "Tüte" über die Lippen kam, und ich verstehe das vollkommen, denn was dem einen sein Tütenproblem, ist dem anderen seine Sackerlhemmung.

sid am 04.Jan 13  |  Permalink
Liegt auch daran, daß "Tüte" bei uns was ganz was andres ist, als das, was Sie als "Sackerl" grad meinen.
Wenn Sie ganz hilflos schauen, wird man Ihnen meist von selbst ein Sackerl anbieten, dann brauchen Sie nur nicken oder "(Ja) bitte/danke" sagen und gut ists ; ) Übrigens: "Einkaufstasche" wird auch toleriert, wir sind ja keine Unmenschen. Den Blick müssen Sie dann halt nur noch aushalten können oder vorsorglich genug Trageutensilien bei sich führen.)

Riechen Sie einmal an (an der Sonne) wohlgereiften Früchten, beissen Sie hinein und lassen Sie sich dabei noch einmal Paradeiser auf der Zunge zergehen. Vllt verstehen Sie dann, warum wir gern diese Bezeichnung wählen : )

cassandra_mmviii am 04.Jan 13  |  Permalink
Ich bin auf gar keine Fall gegen unterschiedliche Bezeichnungen, das macht das Leben bunt. Man sollte nur keine Grundsatzfrage draus machen.

Wenn man woanders hingeht (warum und wie lange auch immer), dann muß man damit rechnen, daß Dinge anders sind. Warum sonst wegfahren??

Aufregen könnte ich mich über Leute, die im Tunesienschüleraustausch rummaulen, daß sie in der Gastfamilie am Wochenende keinen Schweinebraten bekommen haben, die auch in Spanien nach Frühstücksbrötchen und weichgekochtem Ei verlangen, bei denen der Commonwealth auf der falschen Seite Auto fährt usw.

Aber aus Gewohnheit in Sindelfingen "Guten Tag" zu sagen oder in Trutzingen nach Brötchen zu verlangen, ruft bei mir eher Schulterzucken hervor, wenn überhaupt irgendwas. Wenn das gewünschte wirklich was anderes ist, ist das learning by doing. Nach dem xten Mal mit süßen Campingwecken (Fachausdruch aus der hiesigen Bäckerei) statt Laugenbrötchen dazustehen sollte eine Aussage sein.

sid am 04.Jan 13  |  Permalink
Warum sonst wegfahren??

DAS frage ich mich jedes Mal im Urlaub (weitweitweg), wenn die dt. Gäste SO lange maulen, bis wirklich Sauerkraut und sonst was serviert wird (oder sie sich darüber unterhalten in welchem Supermarkt man dt. Produkte kaufen kann, weil alles anders... hach, jetzt reg ich mich gleich zu sehr auf... na Sie können sich das eh ausmalen..).

cassandra_mmviii am 04.Jan 13  |  Permalink
Ich bin, auch wenn ich mich nicht für's Zwangsessengehen als Studienvorraussetzung erwärmen kann, ziemlich neugierig, was andere Leute in fremden Kulturen so treiben.
Ich muß nicht mal ins Ausland fahren, der letzte Schwabenurlaub ist dem Tigergatten voller Graus im Gedächtnis weil ich nach 2 Tagen schwäbelte und ständig Maultaschen essen wollte.

Leute, die im Urlaub nach Spanien fliegen und sich dann über die Spanier und ihre seltsamen Gewohnheiten beschweren, verstehe ich nicht.

In Italien gehe ich zum Glück wenn ich leise spreche und mich kurz fasse, als Italienierin durch beim Erstkontakt. Das erleichtert vieles. "Qua re?" fragen wenn man bezahlen will, führt zum Abzug der Touri-Pauschale in Rom. Wer auf deutsch "Kellner" oder "Zahlen" grölt, zahlt die doppelt.

mark793 am 04.Jan 13  |  Permalink
Das Beschweren darüber, dass es nicht so ist wie zuhause ist aber keine exklusiv deutsche Spezialität.

cassandra_mmviii am 04.Jan 13  |  Permalink
Briten können das auch super, führen bei mir aber nicht zum Fremdschämen wenn ich nicht grad für eine Britin gehalten werden.
Briten laufe ich im Ausland irgendwie seltener über den Weg.

mark793 am 04.Jan 13  |  Permalink
Briten laufe ich im Ausland irgendwie seltener über den Weg.

Ja, wobei wir auf Korfu mal in einem Hotel waren, das ziemlich fest in britischer Hand gewesen ist. Sorgte doch auch für den einen oder anderen "Oh no"-Moment, aber im Großen und Ganzen war es nett mit denen - oder eben indifferent. Vorigen Sommer waren wir u.a. auf einer kleinen Kykladen-Insel, wo gut 90 Prozent der Urlauber aus Italien stammten. Das war auch mal eine interessante Erfahrung. Danach wäre man reif gewesen für eine Woche bei den Trappistenmönchen (oder einer anderen Gruppierung mit Schweigegelübde). ;-)

mark793 am 03.Jan 13  |  Permalink
Sollten wir ins Rheinland ziehen, hoffe ich auf tolerante Mitmenschen, die es uns nicht verübeln, wenn wir nicht klingen wie Rheinländer.

Das ist wahrscheinlich kein Problem, schlimmer wäre es wohl, als Rheinländer aus der falschen Stadt zuzuziehen. Mein Nachbar beispielsweise ist Westfale und auch super integriert in der hiesigen Altbiertrinkerszene.

Hier war schließlich schon immer mehr gesamteuropäischer Durchgangsverkehr als in der westkasachischen Steppe namens brandenburg, und von der hier gelebten Toleranz und Weltoffenheit kann sich der ostgotische Zonen-Zottel mit den Essensresten im Bart gerne ein paar Scheiben abschneiden.

sabrina1506 am 03.Jan 13  |  Permalink
Gut das ich aus´n Ruhrpott komm - hier gibett keine Verniedlichungen, Brötchen heißen Brötchen, Kartoffeln - Kartoffeln etc. wir lassen beim reden lediglich n paar Buchstabn wech, aber die kann man sich ja dazureimen, das is ja nich so schwer :-)

sid am 03.Jan 13  |  Permalink
hier gibett keine Verniedlichungen, Brötchen heißen Brötchen

Dazu sollte man wissen, daß die Verkleinerungsform auch oft zur Verniedlichung verwendet wird. Mal so nebenher erwähnt.

loco-just-loco am 05.Jan 13  |  Permalink
Watt, Sabrina, wechlassen? Nääää, dat sin doch Brötskes, da issen s meea drin!
(Habbich bei Frau Dokta Cervinski-Querenburch gelernt)