Später mal...
Wenn die Bundeswehr das noch in 13 Jahren anbietet, habe ich da einen Kandidaten! Mindestens einen!

Kleiner Tigers Berufswunsch ist zur Zeit Soldat- Panzerfahren! Oder Spezialsoldat!
Beim Kinderturnen schockierten wir Mädchenmamas. Er springt vom Stufenbarren "Mama, guck mal was ich kann!", landet, lacht und geht wieder drauf. Ob ich das nicht gefährlich finde? Ich: "ist 'ne gute Vorbereitung für's Fallschirmspringen". Was soll ich sagen? Natürlich ist das gefährlich, zumindest moderat gefährlich. Aber was kommuniziere ich wenn ich sage "laß das, das ist zu gefährlich"?
Ich sage, daß ich ihm das nicht zutraue. Auf die Dauer macht das ängstlich und das ist schlimmer als ein verstauchter Knöchel.
Meine Tante bekam auf dem Spielplatz eine Krise nach der anderen. "Willst du ihn da nicht runterholen?" als der die Schaukel erkletterte. Nein, will ich nicht, ihn aus dem Tritt zu bringen wäre nämlich noch gefährlicher. Und am Bein zerren bis er runterkommt, klingt nach einer Garantie für Beinbrüche.
Abgesehen davon hatte ich jetzt grob 7 Jahre Zeit, mich dran zu gewöhnen, das nicht alles, was gefährlich aussieht, auch gefährlich ist. Außerdem sind wir früher auch auf alles mögliche geklettert und haben es überstanden. Manchmal sind wir runtergefallen, aber das hinterließ auch keine bleibenden Schäden.

Wie ich reagiere wenn er tatsächlich Panzerfahrer oder Fallschirmspringer wird? Weiß noch nicht... wahrscheinlich weniger cool als jetzt, aber hoffentlich auch nicht grenzhysterisch.

Beim Spiegel-Artikel stört mich der superbetroffene Ton, es klingt "Wie kann man nur?" mit.
Hubschrauber fliegen, Verletzte retten und/oder gar schießen... welcher knapp 20jährige kann da schon nein sagen?

Und mal ganz nebenbei: was passiert, wenn sich die westlichen Truppen aus Afghanistan zurückziehen? Da jagt ein Horror-Szenario das andere. Man sollte neben der Betroffenheit über all' das Schlimme, was bei einem Bundeswehreinsatz passieren kann, nicht vergessen, daß es im Vergleich zu einer Rückkehr der Taliban wohl das kleinere Übel ist. Damit will ich nicht das Leid der Traumatisierten kleinreden oder die Gefahr, dabei zu sterben, sondern eher sagen: Danke, das ihr es probiert habt. Danke, daß ihr den Kopf hingehalten habt. Danke, daß ihr den Mut hattet, dafür zu sorgen, daß auch Mädchen zur Schule gehen können, daß Frauen wieder medizinisch versorgt werden können.
Wenn man aufhören könnte, in der öffentlichen Diskussion immer so zu tun, als sei ein Bundeswehreinsatz das allerschlimmste, was passieren kann, dann ginge es den Traumatisierten vielleicht besser.

Ich lese jeden Tag von Massensterben und allem Grauen, was damit einhergeht in zu vielen Teilen der Welt. Das wird aber nicht aufhören weil ich superbetroffen bin. Das wird erst aufhören wenn die Welt (so im ganz allgemeinen) den Mut hat zu sagen "Stop, keinen Schritt weiter oder wir werden dich aufhalten, notfalls mit Gewalt wenn das mit der Lichterkette nicht funzt". Nicht als ersten Schritt, aber als letztes Mittel.
Betroffenheit ist ja schön und gut, aber mit der Betroffenheitskerze in der Hand wird man nichts verändern.

Betroffen ist wohl jeder wenn in Jugoslawien wieder identifizierte Skelette oder auch nur Teile davon beigesetzt werden.
Damals sah die "zivilisierte Welt" zu und redete ein bißchen nett auf die Beteiligten ein. Die Betroffenheit reichte ja nicht mal dazu, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, die "viel zu vielen" "Asylanten" (Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge haben nach Genfer Konvention Bleiberecht und die aufnehmenden Staaten sind verpflichtet, sie zu versorgen, mit politischem Asyl hat das aber wenig bis nichts zu tun) wurden benutzt, um das Asylrecht weitgehend einzuschränken.
Etwa zeitgleich verhungerten noch mal wie viele hunderttausend Menschen in Somalia oder was davon übrig war und ist?
Und da war noch Ruanda, auch grob zeitgleich.

Ich guck' mir heute abend "Black Hawk Down" an.




mark793 am 27.Okt 12  |  Permalink
Nein, will ich nicht, ihn aus dem Tritt zu bringen wäre nämlich noch gefährlicher. Und am Bein zerren bis er runterkommt, klingt nach einer Garantie für Beinbrüche.

Klassiker-Thema, hatten wir ja schon öfters hier. Ich denke mal, dass das Befremden noch größer ist, wenn man sein Töchterlein nicht in Watte packt, sondern kraxeln und rumturnen lässt. Bin froh, dass man das im Kindergarten relativ entspannt gesehen hat und auch erkannte, dass die Kinder sich was zutrauen sollen, gebremst werden sie auch sonst noch genug im Leben.

Und was den Rest angeht: Auch wenn ich den Afghanistan-Einsatz für völlig verfehlt halte, stimme ich in der Tendenz dennoch zu. Lichterketten und Betroffenheit allein machen die Welt nicht zu einem besseren und sicheren Ort.

cassandra_mmviii am 27.Okt 12  |  Permalink
Zum Ewigen Thema:
zwischendrin meinte meinte Tante "Du bist überhaupt keine ängstliche Mutter" und das überraschte sie. Sie wäre da immer anders gewesen. Ich saß ruhig auf der bank und war vor allem damit beschäftigt, die Ausgänge im Auge zu behalten. Auf die Straße rennen halte ich für gefährlicher als einen Vorstadtspielplatz.


Frieden schaffen, notfalls mit Waffen:
Am Einsatz selber ist definitiv einiges zu verbessern. Tanklaster zu bombardieren ist nicht zielführend denke ich. Aber das passiert ja auch nicht täglich.

Aber auch bei allem, was man anmerken kann zum Thema "so nicht", ist die Alternative auf keinen Fall gar nichts tun und/oder auf CNN zuschauen wie die Kacke wieder/weiter den Deckenventilator trifft.

Mich wundert, daß die Rufe nach Abzug immer dann laut werden wenn mal wieder ein Feuergefecht in den Nachrichten auftaucht. Es wird anscheinend mittlerweile fast täglich geschossen, da wundert mich, warum das manchmal eine Nachricht wert ist und dann wieder nicht.
Das zweite ist... ja, die Bundeswehrsodaten werden beschossen, was ohne Frage belastend für die Überlebenden sein kann und für die Verletzten schmerzhaft und mit dem Risiko dauernder Schädigung und für die Toten war es tödlich (das klingt zynisch, aber ich wollte die Option, daß man dabei sterben kann, nicht auslassen). Das ist alles äußerst schlimm, auch für die Familien. Aber insgesamt sollte keiner überrascht sein, wenn Soldaten im Einsatz schießen oder beschossen werden. Wenn alles friedlich wäre, müßten da wohl keine Waffenträger sein.
Die Gegner in diesen Feuergefechten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit genau die Leute, wegen denen man da ist.

mark793 am 28.Okt 12  |  Permalink
Mich wundert, daß die Rufe nach Abzug immer dann laut werden wenn mal wieder ein Feuergefecht in den Nachrichten auftaucht.

Was ist daran verwunderlich, wenn den Leuten doch jahrelang suggeriert wurde, unsere Jungs wären da mehr so als bewaffnetes THW zugange? Unsere Demokratie wird am Hindukusch jedenfalls nicht verteidigt, und meiner Auffassung nach haben wir da unten auch nichts verloren. Nicht mal die DDR war so blöd, mit den Sowjets da unten rumzuballern, aber irgendwer war wohl der Meinung, die Amis häten noch einen gut, weil wir nicht im Irak dabeiwaren. Pffft...

cassandra_mmviii am 28.Okt 12  |  Permalink
In den Irak zogen die Amis aber erst nach Afghanistan. Das war zwar bush'scher 9/11-Aktionismus, aber trotzdem nötig und eher überfällig.


Das ist kein bewaffnetes THW, den Unterschied erkennt man recht fix, und wenn es nur an der Farbe der Autos ist.

Das hat wenig mit Demokratie verteidigen zu tun, die Bundesrepublik wird in der Tat nicht am Hindukusch verteidigt, wenn sich nicht, seit ich das letzte Mal eine Weltkarte gesehen habe, einige Grenzen etwas verschoben haben.

Der Einsatz dient zur Wahrung elementarster Menschenrechte und ein nicht allzu kleiner Teil der afghanischen Bevölkerung hat keinen Bock auf "Tallie-Boys".
Da braucht es ohne Frage mehr als ein paar Panzer, [Macro error in nation: Macro nation not allowed in sandbox] läßt sich nicht in einer Legislaturperiode bewerkstelligen.

Was genau die UdSSR da wollte habe ich nicht auf dem Schirm, aber seitdem zerlegt sich Afghanistan, und das mit tätiger Hilfe des Westens. Erst die Muhdjaheddin (keine Garantie für die Orthographie) unterstützen weil sie ja gegen die Russen sind und deswegen wohl pro-westlich, dann die Taliban als stabilisierenden Machtfaktor begrüßen, dann die Rice'schen traditional leaders als Problemlösung hochjubeln... daß das Land kaputt ist, wundert mich nicht. Und das man da mit westlichen Standards eher untergeht als irgendwas erreicht ist auch klar.

Aber ein sich zerlegender Staat hat Auswirkungen, die man nicht ignorieren darf. Und ob man die Taliban als eines Tages als legitime afghanische Regierung anerkennen mag bezweifle ich auch.

Es gibt also nicht wirklich eine Alternative.

mark793 am 28.Okt 12  |  Permalink
Der Einsatz dient zur Wahrung elementarster Menschenrechte

Ja, genau. Und die Geschenke zu Weihnachten bringt das Christkind.

cassandra_mmviii am 28.Okt 12  |  Permalink
Wie gesagt, wir können zugucken und supermegabetroffen sein wenn uns Meldungen über Steinigung erreichen (was ich sehr gut nachvollziehen kann, aber leider nichts ändert) oder was tun.

Erdöl gibt es nicht in Afghanistan, der Drogenmarkt als möglicher Wirtschaftsfaktor ist in festen Händen, das ganze ist ein Faß ohne Boden. Vernünftig ist es kaum. Aber kaum anders zu machen wenn wir auf Krokodilstränen bei den Abendnachrichten verzichten wollen.

arboretum am 28.Okt 12  |  Permalink
In Afghanistan gibt es massig Bodenschätze, einschließlich seltener Erden.