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Es sind nicht die dezenten weißen Fäden auf dem Kopf, aber wenn man Sätze wie "Die Jugend von heute..." denkt oder gar sagt und das mehrmals am Tag, dann merkt man, daß man definitiv kein Küken mehr ist.

Tigergatte fragte sich lautstark, ob er wirklich 200 Seiten Lektüre bis nächste Woche verlangen kann. Die Studis sind heute ja so überarbeitet... ich erinnere ihn, daß wir auch dauerüberarbeitet waren oder uns zumindest so vorkamen.
Seine Studis hätten sich beschwert, sie hätten nie Feierabend. Ich frag' ihn, ob er damals auf die Idee gekommen wäre, sich beim Dozenten über mangelnde Freizeit zu beschweren. Nein, wäre er nicht.
Ich bekam vom Dozenten mal einen Text auf Italienisch. Ich: "Ich spreche leider kein Italienisch". Dozent: "Dann lernen Sie es!". Ich: "Bis nächste Woche?" Dozent: "Das war ein Scherz, Sie sprechen doch Französisch und Latein, damit kommen Sie schon durch".
Der Mann ging auch davon aus, daß wir einsprachige Lateinwörterbücher benutzten, die sind nämlich besser als die zweisprachigen. Und keiner hätte es gewagt, ihm seine Illusion zu rauben.
Und wissen Sie was? Er hatte recht! Nach 2 Semetern Qual flutschte das auf einmal wie von alleine. Warum nur?

Tigergatte versuchte einem Studi zu erklären, daß man das biologische Geschlecht am Skelett erkennen könne.
Nö, kann man nicht, das ist doch alles Definitionsfrage. Irgendwann endete der Studi mit "Ich glaub' Ihnen das jetzt mal". Tigerdozent: "Das brauchen Sie mir nicht glauben, das ist einfach so".

Merkfähigkeit geht gegen Null, am Semesterende vergißt man den Stoff, ist ja vorbei. Mal was freiwillig lesen ist nicht.

"Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben,
sie ist böse, gottlos und faul,
sie wird niemals so sein, wie die Jugend vorher,
und es wird ihr niemals gelingen,
unsere Kultur zu erhalten."

beschwerte sich ein unbekannter Babylonier und wahrscheinlich hatte er recht.

Tigergatte hatte am Ende des Abends übrigens seine Skrupel überwunden. 200 Seiten Pflichtlektüre, Leseempfehlung noch mehr. Wir haben damals auch fix gelesen, Interesse am Thema kann man bei einem Studium wohl vorraussetzen und das Buch ist zwar ein Fachbuch, aber liest sich so runter, sogar für Fachfremde wie mich (ich habe es BEI der Geburt des letzten Tigers gelesen).
Wir mußten damals noch selbst in die Bibliothek gehen und das Buch suchen statt drauf zu warten, daß der Dozent alles online stellt und man nur noch am Streichelcomputer lesen muß. Manchmal mußten wir gar ein Buch kaufen, was heute anscheinend völlig undenkbar ist.
Überhaupt Streichelcomputer&Laptops: würden Sie als Dozent sich auch verarscht vorkommen, wenn ihre Studis während des Seminars die Antwort in der Wikipedia nachlesen? Ich käme mir schon extrem vergackeiert vor, wenn die Jungs&Mädels ihren Bildschirm statt mich oder einander angucken. Sie machen sich aber ihre Notizen gleich in den Computer. Und haben nebenbei Facebook laufen, das läuft ja eh immer (das war die begründung...)

Am Ende des Gejammers über die Jugend von heute stand, daß man es kaum besser macht, wenn man die Absprüche senkt und das man bei zu starken Schonkurs den Studis etwas wertvolleres als Freizeit stiehlt: das Gefühl, jung und bissig zu sein und was zu leisten, ihr Recht auf eine solide Ausbildung und Lernen und einen völlig übermüdeten Lebensabschnitt, der einer der schönsten, intensivsten und lebendigsten des Lebens sein wird. Ihr Recht drauf, mit 2 Stunden Schlaf und ungeklärten Mengen Rotwein im Blut zur Klausur aufzutauchen, zu bestehen und zu denken "Wow, ich kann ja was!". Das Recht später einmal, wenn man WIRKLICH was schaffen muß, zurückzudenken und zu wissen "ey, ich hab damals Latein gepackt, ich pack das auch".

Das ist Studium, Kinder. Gewöhnt euch dran. Wenn ihr das nicht wollt: macht eine Ausbildung bei der Sparkasse Kleintüpfeldingen mit garantiertem Feierabend und Wochenende, geht abends nach Hause, eßt euren Eintopf und seit grau und alt noch bevor ihr 25 seit. Noch schlimmer als "Die Jugend von heute..." zu denken ist es, niemals jung gewesen zui sein.




yeahyeah am 28.Okt 12  |  Permalink
Okay ich sage es so wie ich es denke: Diese Verallgemeinerungen regen mich auf. Ich meine, das ist ja wohl Klischee pur!
Alle Jugendlichen sind auf Facebook, sicher, und alle spielen sie Killerspiele. Von Arbeit haben sie nie was gehört und studieren gehen sie nur, ums nichts anderes machen zu müssen.
Veraltet ist diese Therorie nicht, oder?
Ich bin mir sicher, dass man früher ähnliches über sie gesagt hat, über ihre Eltern und vermutlich schon über ihre Großeltern.
Aber es ist doch klar, das man mit dem Fortschritt geht. Sich Notizen auf dem Computer macht. Das ist Heute, das ist Jetzt.
Nicht alle Jugendlichen sind lernfaul. Und glauben sie mir, wenn wir etwas tun müssen, dann tun wir es!
Auch vor tausend Jahren schon gab es Menschen, die nicht lernen wollten oder arbeiten.
Wir lernen anders, vielleicht lernen wir später, aber das ist längst nicht bei allen so und vorallen: Wir lernen ebenso. Und wenn wir Latein schaffen müssen, dann schaffen wir es ebenso wie es die Leute vor Jahren geschafft haben.
Und sie haben damals sicherlich auch nicht freudenstrahlend den Text entgegengenommen und gesagt, sie würden sich freuen ihn zu lesen!
Glauben sie, ich kenne genug Leute die mehr als genug für ein gutes Leben und gute Noten zu tun. Da kann ich mich im Freundeskreis meiner Brüder umgucken und in meiner Schule. Weil ich eben nicht nur diese Negativbeispiele auf RTL sehe.

Und das alles geht keineswegs gegen sie. Ich teile nur diese Meinung nicht.

tama am 28.Okt 12  |  Permalink
Zudem ist die heutige Jugend so leistungsorientiert und -bereit wie schon lange nicht mehr:
ShellJugendstudie2010
ARD - Interview mit dem Jugendforscher Hurrelmann

Auf der Realschule herrschte sogar die angeblich absolut untypische Grundstimmung "Egal was - Hauptsache Arbeit!" vor. Erst auf dem beruflichen Gymnasium besaßen manche dann das Selbstvertrauen, explizite Berufswünsche zu haben - da gab es oft aber auch verärgerte Gesichter, wenn es nur eine 3+ oder 2- war, ähnlich wie an der Uni. Dann fiel halt das vielgerühmte Studentenleben aus bzw. die Wochenendparty beim Schulfreund, und es wurde noch mehr rangeklotzt.
(Mit Ausnahme derer, die reiche Verwandtschaft aufwiesen - es war wirklich auffällig, um wie vieles weniger fleißig die waren und ritten durch ihr Verhalten andere gleich mal mit in die Scheisse...)

yeahyeah am 28.Okt 12  |  Permalink
Ich möchte nur noch mal kurz klarstellen, das ich mich, dadurch das ich mich ja selbst als "Jugend von Heute" bezeichnen kann, sensibel auf dieses Thema reagiere und es nicht gegen sie ging.
Allerdings frage ich mich, ob sie über ihre Kinder auch so urteilen werden? Kann ich mir nicht vorstellen.