irgendwo zwischen Rassimus und Erfahrungswert
bewegte sich (ist schon 'ne Weile her, Lebensmittelmärkte versuche ich noch zu meiden) eine Penny-Verkäuferin.

In der Dunkelkammer ist man beim Rassismus und ich stehe mal wieder vor Anspruch und Realität und fühle mich, als würde ich versuchen, einen Pudding an die Wand zu nageln.

Es war Samstag abend, wegen der obligatorischen Tüte Chips habe ich mich noch mal auf's Rad geschwungen. Da Tigergatte in solchen Fällen allein die "Abendshow" übernimmt, war ich echt nicht böse drüber, nochmal rauszukommen :-)

Im Laden war die übliche crowd aus Späteinkäufern, Partyvolk und Leuten wie mir, die irgendeinen Döddel vergessen hatten beim morgendlichen Großeinkauf. Also ein eher unzielstrebiges Publikum. Was sich kurz drauf ändern sollte, auf einmal schien es, als wollten alle nur eins: bezahlen.

Ich war grad dabei, mit Umwegen zur Kasse kommen, also der Lärmpegel deutlich stieg. Was war los?
Familie X. hatte den Laden betreten. Ich weiß ziemlich genau, daß es Familie X. war, denn J. hat den Haken im Kindergarten neben Kleinem Tiger und J. war dabei. Wie üblich im rosa Jogginganzug.
Konkret Frauen und Kinder aus Familie X, hatten den Laden betreten und unterhielten sich weiter, quer durch die Gänge. Wenn die Distanz zu groß wird, wird man halt lauter... dazu rennende Kinder, es herrschte auf einmal eine sehr unruhie Athmosphäre und war irgendwie extrem klische.
Ich stand dann an der Kasse an, was einige der Frauen aber nicht störte als sie an mir vorbeigingen und ihren Kram auf's Band legten, der Rest zog nach. Ich machte den Mund auf, um was zu sagen (und tut bloß nicht wieder so, als würdet ihr mich nicht verstehen... ) als die Verkäuferin dazuschoß, mich zur anderen Kasse zog und flüsterte: "Das ist mit denen immer so, da kann man nichts machen".

Erfahrungswert? Rassismus? Irgendein Mix?

Mit J. gibt es dauernd irgendeine Ausnahme- alle Kinder sollen um 9 dasein weil dann das Waffelfrühstück anfängt, J. kommt um 11 wenn ich samt Waffeleisen wieder einpacke, Oma trägt noch den Schlafanzug unter'm Mantel. J. hat immer noch nicht gelernt, sich in einer Schlange anzustellen, was öfter zu Ärger führt, da die anderen Kinder drauf bestehen, zuerst dagewesen zu sein (woher J. das hat, erklärte sich mir an diesem Samstagabend sehr schlüssig). J. wird mal um 12, mal um 2 und mal um 4 abgeholt, mittlerweile hat J. einen Ganztagsplatz damit es einigermaßen planbar ist (Fehlkinder sind im Betreuungsschlüssel nicht so dramatisch wie Extrakinder). Kleiner Tiger ist ein paar mal in Ärger mit J. geraten- er ist da so herrlich unbeschwert von erwachsenen Überlegungen zu Antirassismus und korrektem Verhalten. J. versuchte ihm zu drohen, prallte aber an der tigerlichen Unkenntnis der Erwachsenenwelt und solidem Vertrauen in die eigene Stärke ab.

Die Kindergartenleitung hat kapituliert- bloß keine aggressiven Auftritte der Familie mehr, da gab es ein paar, bei zweien war ich dabei.
Die Elternschaft sah auch zu, daß man einfach nur heile und ohne größere Szenen durchkam.

Ist im "echten Leben" manchmal komplizierter als in der politischen oder pädagogischen Theorie.

Man könnte jetzt über europäische Sozialdisziplinierungstraditionen, mittelständisches Konfliktverhalten, akademischen Anspruchsdenken und deutsche Normgesellschaft reflektieren, aber hilft das konkret?
Was tut die Kindergartenleitung, wenn bei ihr drohende Väter auftauchen? Die Polizei rufen? Drüber reden bei 'nen Schnittlauchtee? Sich selbst hinterfragen? Karate lernen?
Soll sie mit allen Eltern einzeln über J. und ihren anderen kulturellen Hintergrund solange reden, bis alle erstarrt sind?
Wie arbeitet man mit einem Kind pädagogisch, daß durch seine Familie den üblichen pädagogischen Maßnahmen entzogen ist?
Wieviel Rassimus in Form von Verachtung von allen, die nicht in ihre in-group gehören, ist auf seiten der Familie X. im Spiel?


Äks. Alles etwas komplizierter als einfache Antworten es fassen können.


Tigergatte sprach mich als wie die Tüte Chips plünderten auf das Thema Rassismus übrigens an als ich ankam und erst mal ein wenig vor mich hin schäumte.




loco just loco am 12.Okt 12  |  Permalink
Und wo ist jetzt der Rassismus?
Ach, die Familie X, das sind (korrekter sauerländischer Plural) Türskes? In dem Fall ist das Problem m.E. von ganz besonderer Art, hat aber nix mit Rassismus zu tun, sondern mit dem eigenartigen Verhalten der auffallenden Mehrheit der Türskes dritter Generation in Deutschland.

cassandra_mmviii am 12.Okt 12  |  Permalink
Nein, nicht türkisch. Türken sind meist relativ pflegeleicht.

Meist. Die ehemalige Nachbarin, die mich zwischendrin als "Ausländerfeindin" bezeichnete, sah die Ursache für meine Aufforderung, doch bitte die Überreste ihrer nächtlichen Grillparty wegzuräumen, in ihrer Nationalität. Und erzählte das auch überall rum.

Das ich mitten in der Nacht durch die Grillparty geweckt wurde, schien sie nicht so recht zu begreifen.

Aber in diesem besonderen Fall waren es keine Türken, sondern Roma. Ob von hier wech oder von woanders wech... weiß ich nicht.

ich sehe schon einen gewissen Rassismus darin, ihr Verhalten als in ihrer Herkunft begründet zu sehen und dann hinzunehmen statt einfach zu sagen "Stop, hier stehe ich, stellen Sie sich doch wie alle anderen auch am Ende an".

sid am 13.Okt 12  |  Permalink
Für manche Menschen scheint es auch sehr viel einfacher zu sein, alles auf ihre Nationalität zu schieben (wir sind halt so, das haben wir in den Genen blabla), als einfach mal zu sagen: wir leben in einer Gemeinschaft, in der es Regeln gibt und an die man sich weitgehend halten soll.

Und wenn nicht, akzeptiert man das und entschuldigt sich - Punkt. Mit Rassismus hat diese Dummheit selten was zu tun. Nur mit Ignoranz. Und die kommt bei allen Nationalitäten vor (da braucht man nur mal auf Urlaub fahren, um sich dann gerne vom eigenen Volk zu distanzieren ; ) ).

Wer sich nicht an Regeln halten mag, soll bitte nicht in einem Wohngebiet leben, sondern irgendwo weit draußen am Feld, wo der Krach/Gestank/Müll ect niemanden stört und sich am besten selbstversorgen.

loco just loco am 15.Okt 12  |  Permalink
Hmmm. Hier ist es ungefähr so, daß vermehrt islamische Familien durch seltsame Familiendynamik auffallen (Jungs, die überhaupt nicht gehorchen, wenn Frauen ihnen was sagen, und wäre es ihre Mutter, beispielsweise), und in der Folge auch durch Vordrängeln an der Kasse (sind ja nur Frauen, die warten). Roma gibts in zwei Ausführungen, die einen sind dreist und auch sonst vollkommen außerhalb der Gesellschaft, und die anderen machen sich ganz klein, um nur ja nicht als Roma aufzufallen. Die ersten grenzen sich selbst aus, die zweiten wollen sich eigentlich integrieren und werden von den "ehrbaren Bürgern" ausgegrenzt. Beispielsweise in Royan mit dem Argument "die wollen wir hier nicht haben, unser Viertel soll sauber (!) bleiben!"