Die Grenzen des Strafrechtes
Man möge mich bitte nicht falsch verstehen: ich habe keine Sympathien für doe politischen Ambitionen von Salafisten ganz allgemein. Das möchte ich nur mal sicherheitshalber vorweg stellen.

Die Belastbarkeit einer Regel zeigt sich, wenn sie belastet wird. Solange alles schön und heiter ist, brauchen wir weder Gesetze noch das Durchsetzen derselben, womöglich gar mit Zwangsmitteln.

Aber was für ein justiziabler Tatbestand liegt hier vor?
Uniforminierung- naja, immer wenn Werder spielt, rennt die halbe Straßenbahn in einheitlichem Outfit rum. Strafbar?
Oder die diversen Junggesellen-Abschiede, die am Bahnhof ankommen, in der Großstadt Bremen nochmal echt die Sau rauslassen - einheitliche T-Shirts mit Aufdruck.
Sich eine Weste überziehen reicht schon für "Uniformierung"?
Müssen sich Junggesellenabschiede auch anmelden nach Versammlungsgesetz? Oder andere Party-Grüppchen, die zusammen rumziehen?

Sorry, aber wenn wir das so auslegen wollen, dann öffnen wir einem Staat Tür und Tor, den ich auch nicht will.


Mündliche Quellen aus dem Rheinland, wo jemand jemanden kennt usw, berichten, daß die selbsternannten Sittenwächter vor den Türen standen und Leute daran gehindert haben, in die Disko zu gehen. Das ist was anderes - wenn man jemanden wirklich abhält, also den Weg versperrt oder festhält, dann kann das Strafrecht greifen, aber nur für neben der Tür stehen und auf die sittliche Verwerflichkeit von derlei sündhaftem Tun hinzuweisen, ist komplett legal.

Kurz: das ist kein Fall für das Strafrecht.


Wir sind auf solche Aktionen nicht vorbereitet.




sid am 06.Sep 14  |  Permalink
Das fällt sicher unter "wehret den Anfängen" und nicht zu unrecht.
Rumrennen mit Westen und zu suggerieren, man wäre von der Polizei ist auch nicht ganz so ohne... Karnelval ist auch vorbei.

cassandra_mmviii am 06.Sep 14  |  Permalink
Ich sah letzten "Party-Patrouille" in der Stadt als schwarzes T-Shirt. Ein Rudel halbwegs trainierter Kerle lief so rum. (ein halbwegs erfreulicher Anblick übrigens). Wenn man nach der Logik geht, läßt sich da auch was konstruieren.

In Deutschland heißt nix offizielles "Police" und die dreiviertellangen Sackhosen wird auch keiner mit einer Polizeiuniform verwechseln.


Es ist anscheinend unendlich kompliziert, jemanden amtlich dazu zu bringen, die ISIS-Fahne vom Balkon zu nehmen weil ISIS in der BRD nicht verboten ist, sondern nur der deutsche Ableger- aber dessen Fahne wird nicht gezeigt. In Großbritannien hat eine 70-jährige Dame das Problem selbst angegangen und so ein Ding einkassiert. Das ist in der BRD justiziabel (in GB auch, aber keiner wollte das verfolgen).

Ich bin absolut für "Wehret den Anfängen" und Zausel, die mir erklären, was ich tun soll, brauche ich auch nicht. Nur gibt das das Versammlungsrecht nicht her. Das ist wie damals, Anfang der 1980, als die Hamburger Behörden etwas namens "der schwarze Block" verbieten wollten per Vereinsrecht. Hat auch nicht geklappt.

Nur hätte ich gerne etwas, was nicht entweder bürgerliche Rechte einschränkt und außerdem greift, und da werden wir an einer inhaltlichen Auseinandersetzunmg jenseits von Bürgertelefon nicht vorbeikommen.

Passanten, die den selbsterklärten Sittenwächtern erklären, daß sie gerne sich fernhalten können von allem, was sie für unk´moralisch halten (steht ihnen frei) und dann weitermachen wären eine Lösung.
Manic street preacher ist legal- aber man darf ihm auch sagen, daß er spinnt, ihm ein Bier anbieten -dann beruhigt er sich vielleicht :-)- oder was auch immer. Auslachen.

Werden die dann aggressiv? Mit Sicherheit. Das ist der Punkt, wo Polizeipräsenz Sinn macht. Und dagegen haben wir auch gesetzliche Möglichkeiten- und die könnte man durchaus ausschöpfen statt dauernd die bösen Umstände (arbeitslos, keine Freundin abgekriegt, prekarisiert und abgehängt, was auch immer) verantwortlich zu machen.

Wehret den Anfängen- ja! Aber so, daß auch gewehrt wird!


EDIT:

Das ist am Ende wie der an sich lobenswerte Versuch, Verbrechen, die aus Hass begangen werden, stärker zu bestrafen (hatte ich hier schon mal).
Gesetze müssen für alle zählen, ansonsten geht ein Stück Rechtssicherheit flöten. Wir haben dem "Krieg gegen den Terror" schon ziemlich viel geopfert: das Briefgeheimnis zB (hallo NSA!), der Duiskurs um Sicherheit und Überwachung ist deutlich schärfer geworden seit 2001. Um es mit Benjamin Franklin zu sagen:
"They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety."

Was muß man am Gesetzesgefüge ändern, um Auftritte wie die in Wuppertal zu sanktionieren? Und was ist dann bürgerrechtlicher Kollateralschaden? Gibt es Alternativen?

Am Ende führt das ganze in die gefürchtete Leitkulturdiskussion- was sind die vielzitierten "westlichen Werte", die man verteidigen will?

das mariechen am 07.Sep 14  |  Permalink
Es bleibt ja nicht beim "verkleidet-herumlaufen"; siehe hier:

Einige besonders überzeugte Islamisten versuchten dann im vergangenen Sommer als "Religionspolizei" im Bonner Problemstadtteil Tannenbusch ihre Regeln durchzusetzen, durchaus mit Gewalt. Wie aus einem Papier der Polizei hervorgeht, wollte die Horde unter anderem junge Mädchen zum Tragen eines Schleiers zwingen. Auch schlugen die vermeintlich Rechtgläubigen einen Teenager zusammen, weil er auf einer Party Alkohol getrunken hatte. Quelle:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/scharia-polizei-in-wuppertal-salafist-sven-lau-und-seine-neue-taktik-a-990191.html

Und da bietet das Strafrecht einiges, nicht nur Nötigung und Körperverletzung, sondern auch "kriminelle Vereinigung" und "Volksverhetzung".

cassandra_mmviii am 07.Sep 14  |  Permalink
Die haben den Boden des Legalen verlassen- da greifen Nötigung, (schwere) Körperverletzung und unter Umständen sogar 129(a)- Bildung einer kriminellen (bzw. terroristischen) Vereinigung. Völlig richtig.

Da sehe ich Raum für mehr als Symbolpolitik und Volksberuhigung; und danach klingt "wir bemühen der Versammlungsrecht" erst einmal. Zumindest für mich.

Ansonsten würde ich mir eherlich gesagt wünschen, der Zentralrat der Muslime würde ihnen deutlichst erklären, daß sie spinnen. Religionspädagogische Gespräche, um diese Verwirrten wieder zu einer tragbaren Interpretation des Islam zu bringen, sind nicht Aufgabe der Polizei oder Staatsanwaltschaft, sondern des Imans von nebenan.

cassandra_mmviii am 07.Sep 14  |  Permalink
" Allerdings stellen sie bislang nicht fest, dass sich neben Lau andere Szenegrößen der Bewegung angeschlossen hätten. Regionale Syrien-Rückkehrer, die als Dschihadisten im Bürgerkrieg gekämpft haben, wahren jedenfalls bislang gebührende Distanz."

Das ist die wesentlich interessantere Information:
da laufen also Leute rum, die man strafrechtlich belangen kann- tut man das auch?
Normalerweise zählen nur Staftaten, die man auf dem Boden des Hoheitsgebietes begangen hat, aber bei bestimmten Straftaten (und Massenmord und Sklavenhandel dürften drunterfallen) ist völlig egal, wo man sie begangen hat.

Auch interessant:
"Inzwischen hat "Die Rechte" den "Stadtschutz Wuppertal" gegründet. Diese Feierabendmiliz solle nun, ausgerüstet mit roten Hemden und Funkgeräten, "für mehr Sicherheit, Recht und Ordnung sorgen", heißt es im Internet."
Da gründet man also etwas mit der extrem sensiblen Bezeichnung "Stadtschutz". Wunderbare Abkürzung, Glückwunsch zum wahrscheinlich beabsichtigten Griff ins Klo. Was soll dieser "Stadtschutz"? Hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Noch dazu in einheitlicher Kleidung. Das dürfte strafrechtlich interessanter sein als die Ausgängswarnwesten.

Und bei denen weiß ich nicht, wer mir unsympathischer ist...

pathologe am 07.Sep 14  |  Permalink
Ich frage mich eigentlich nur: wovon sollen uns diese Berichte und Artikel ablenken? Was geschieht im Schatten dieser künstlich erzeugten Aufregung, das wir nicht mitbekommen sollen?

cassandra_mmviii am 07.Sep 14  |  Permalink
TTIP?
Irgendwer hört uns ab? Wir hören irgendwen ab?
Wir sind pleite?
Keiner mag Politiker, also Zeit, ein bißchen öffentlichkeitswirksamen Aktionismus an den Tag zu legen? Innerstaatliche Feinderklärung?


20 Zausel in orangen Westen sollten echt keine Demokratie gefährden, die auf soliden Füßen steht.
Nur- das tun wir nicht. Also mal probieren, ob man sich da nicht einigen kann?

Sollten sie mehr tun als rumlaufen und nerven (also jemanden zusammenschlagen zB) greift der Staatsanwalt ein.

zwetschgenkrampus am 07.Sep 14  |  Permalink
Bei solchen Narren kann man sich einigermaßen darauf verlassen, dass sie die gesetzlichen Grenzen schnell sprengen, z.B. durch Hinhauen - und dann darf der demograadschläggitimierde Rächtsschdaad nach seinen eigenen Regeln ja eingreifen ... der Tatbestände gibt es ja genug.

Nebenbei: Auch wenn die selbsternannten Rächer des Islams in einer Kostümierung auftreten, die keinesfalls dem staatlichen "Zauber der Montur" ähnelt, und keine wie immer gearteten Befugnisse haben - kann man sich darauf verlassen, dass die Zeitgenossen mit dem berühmten Migrationshintergrund das auch wissen?

Dazu eine - leider wahre - Anekdote aus dem Wiener Landesgericht für Strafsachen, umgangssprachlich als das "Graue Haus" bekannt, vorweg aber der Hintergrund: Hier wurden bis zur Abschaffung der Todesstrafe auch Todesurteile vollstreckt. Die Todesstrafe ist in Ö seit langem Rechtsgeschichte - für das ordentliche Strafverfahren wurde sie schon 1950 abgeschafft, im sogen. "standrechtlichen Verfahren" blieb sie noch bestehen, bis diese Verfahrensart selbst 1968 abgeschafft wurde.

In den Jahren 1938-1945 (von mir als "die sieben-tausend Jahre" bezeichnet - o Gnade der späten Geburt) stand hier das Fallbeil und arbeitete, je länger der Krieg dauerte, desto schneller. Später wurde im Gebäude eine Gedenkstätte eingerichtet, mit der Aufschrift "Richtstätte". Ein früherer Kollege von mir verbrachte einige Zeit im "Grauen Haus" als sogen. "Rechtspraktikant" (in D am ehesten: Referendar). Zu jener Zeit hatte die Mehrzahl der Untersuchungshäftlinge im "Grauen Haus" Migrationshintergrund: Rumänen, Kaukasus-Nationen, Ukrainer, Serben - you name it, they got it. Ende des Hintergrundes:

Wenn nun die Justizwache einen solchen U-Häftling von seiner Zelle zur Hauptverhandlung in den Gerichtssaal brachte, mussten die Gruppe bei der Gedenkstätte vorbei. Die Häftlinge - "Richtstätte" lesen und "auszucken" (körperlich auf die Beamten losgehen) war eins. Die glaubten tatsächlich, der österreichische Staat würde sie justifizieren. Schließlich wurde die Aufschrift auf "Gedenkstätte" od. dergl. geändert.

Dieses Beispiel zeigt aber, dass die Leute ihren Kenntnisstand oft aus ihrem Herkunftsland mitbringen und nicht unbedingt an ihre neue Heimat anpassen. Daher muss der deutsche Staat oder die dt. Gesellschaft diesen Kasperln in Uniform sehr genau auf die Finger sehen, damit nicht irgend jemand glauben möge, die "Sharia Police" hätte auch nur irgend einen Anschein von gesetzlichen Befugnissen.

cassandra_mmviii am 08.Sep 14  |  Permalink
Das Outfit erinenrt definitiv nicht an eine türkische (zB) Polizei-Uniform. Die sehen immer recht korrekt aus, Schlabberlook haben die nicht, sonst kommt Atatürk und schickt sie zum Fiseur (oder so was..)

Vielleicht hilft es der angenommenen Verwechslungsgefahr, wenn man öfter mal einen echten Polizisten aus der Nähe sehen würde.

Die Zausel kann man nicht verwechseln! Nicht mal mit Migrationshintergrund! Abgesehen davon ist ja nicht jeder Migrationshintergründler frisch hier angekommen, sondern statistisch gesehen hier zur Schule gegangen und oft sogar deutscher Staatsbürger.

Aber gut: Menschen sind halt manchmal verpeilt. Vielleicht. Dann sollte man möglichst fix was dagegen unternehmen, wie staatsbürgerlich mies informiert manche Leute sind- zB was die Polizei dir sagen darf und was nicht - Bürgerrechte. Oder wie die Polizei aussieht.
Nachher glaubt noch jemand, die "Party-Patrouillie" dürfe irgendwas...

cassandra_mmviii am 08.Sep 14  |  Permalink
Erst einmal schön, daß jjetzt zumindest ein Erlass (oder so was) vorliegt- ohne Grundlage keine Verfolgung, keine rückwärtswirkenden Gesetze.

Ist es nun untersagt, eine Weste mit der Aufschrift "Scharia-Polizei" zu tragen? Fällt dann die "Sharia Police" auch drunter? Solange man die Flagge der ISIS zeigen darf, aber die des deutschen Ablegers nicht, fürchte ich, wohlmeinende Schnellschüsse tragen eher zur langsamen ERmüdung aller bei dem Thema bei.

Ich finde das alles auch nicht toll... aber wenn wir unsere Grundsätze verteidigen wollen, dann sollten wir damit bei uns anfangen. Wer schützt die Verfassung vor den Verfassungsschützern?
Frau Motschmann, die ich persönlich nicht kenne und von der ich aus der Presse eher wenig überzeugt bin, hat meiner Ansicht nach die einzig vernünftige Antwort auf die Ankündigung von Salafisten, in Bremen den Koran verteilen zu wollen, reagiert. Statt sich in den "das muß man verbieten"-Chor einzureihen, sagte sie, sie stellt sich daneben und verteilt das Neue Testament.
Manchmal lösen Verbote Probleme, manchmal nicht. Und diesen Möchtegernsittenwächtern werden wir mehr entgegen setzen müssen als polizeiliche Verordnungen oder Bürgertelefone.

cassandra_mmviii am 08.Sep 14  |  Permalink
Pathologe:

Von was soll uns das ablenken?

Eine Bekannte kam aus dem Osterweiterungsgebiet der EU wieder und dort herscht striktes Rauchverbot. Sie war entzückt (Nichtraucherin mit Asthma) und verwundert, dfaß man das sdurchsetzen kann. Das verwunderte die Balten- Deutsche tun doch alles wenn es nur Gesetz ist...
.. sie versuchte zu erklären, daß es zwei Dinge gibt, die man dem Deutschen nicht nehmen darf, sonst kocht der Volkszorn: seine Zigarette und sein Bier.

Und bei dieser ganzen "predige auf der Partymeile"-Nummer ging es das Opium für's Volk, die konsumorientierte Feierei mit saufen, rauchen und nackter Haut. Das läßt sich der Deutsche nicht verbieten.

Es kocht die Angst, man könnte das verlieren, was das Leben schön oder auch nur erträglich macht. Und das nimmt die Politik gerne an, denn wer sich zudröhnt und malocht (die Deutschen schieben die meisten Überstunden in der EU...), damit der auf der Piste so richtig einen drauf machen kann, der hält still.

Oder so was.