Da weiß man ja mal wieder nicht, wo man anfangen soll...
Es fängt ja halbwegs harmlos an.
"Feministische Mob-Action gegen rechte Seilschaften!"
Ich weiß zwar nicht genau, was ich mir unter einer Mob-Aktion vorstellen soll, aber ich bin ja nicht allwissend und schon ziemlich alt, was soll's also.
"Dieses Wochenende findet das Stiftungsfest der Burschenschaft Hannovera in Göttingen statt. Dazu haben sie befreundete Burschenschafter aus anderen Städten eingeladen"
Ich dachte, es wäre Stiftungsfest des Grün-Weiß-Roten Kartells. Aber ich kann mich da auch irren.
"um sich und ihr reaktionäres Weltbild zu feiern."
das kann ich mir wie vorstellen?
Bei Hannovera kann ich mir viel vorstellen und das meiste gefällt mir nicht, aber was konkret soll denn Jubelszenen auslösen?
"Das wollen wir nicht hinnehmen!"
Jedermans und -fraus gutes Recht, gegen etwas zu sein. Bloß wenn ich das Haus der Hannovera richtig erinnere, ist das eine ziemliche Burg, da werden die drinnen beim reaktionäres-Weltbild-bejubeln wahrscheinlich nicht vor Schreck los
papsten wenn draußen jemand dagegen ist.
Bisher konnte ich ja noch folgen, aber ab hier wird es dann kopfwehauslösend.
"Denn das Weltbild von Verbindungen und Burschenschaften baut auf den folgenden Grundpfeilern auf:"
Die Selbstzerstörung der Deutschen Burschenschaft gefällt mir! Das ist mehr als alle Mob-Aktionen je geschafft haben, die Burschis erledigen sich selbst. Super-Sache!
Aber: eine Burschenschaft ist immer noch eine Verbindung, von daher doppelt gemoppelt. Ein Pleonasmus, wie meine Deutschlehrerin es nannte. Von der Dame habe ich übrigens meine Vorliebe für's Flugblatt-Zerpflücken, sie nahm mal ein Flugblatt, das sie vor der Schule in die Hand gedrückt bekommen hatte, grammatikalisch auseinander. Eine der Autorinnen wurde immer kleiner und das nächste Mal war die Kommasetzung korrekt, dadrauf hatte sie nämlich nicht noch mal Lust.
Dergleichen pädagogische Effekte verspreche ich mir übrigens nicht.
Jedenfalls kann man den Pleonasmus als Stilmittel der Verstärkung einsetzen, hier jedoch bewirkt er, daß Widerspruch zwischen Verbindung und Burschenschaft angenommen wird. Wer hofft, daß hier differenziertes Denken, wenn auch grammatikalisch leicht fehlgeleitet, am Werke sei, wird jedoch entäuscht.
"• Burschenschaften und Verbindungen zeichnet ein Elitedenken aus. Sie fühlen sich einem speziellen Kreis zugehörig, in dem sie sich gegenseitig z.B. Jobs vergeben, um Politik und Wirtschaft nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen. Daher nehmen sie auch nur angehende Akademiker auf."
- sich für Elite halten
- Vetternwirtschaft
- Weltverschwörung
- nehmen nur Akademiker auf
Für Elite kann sich erst mal jeder halten. Die Frage ist, ob der Rest der Welt diese Ansicht teilt und in welchem Ausmaß.
Seilschaften& die Weltverschwörung:
in Berlin räumt
Michael Büge seinen Posten also weil seine Bundesbrüder ihn loswerden wollen? A-ha.
Und das gleiche ist dann wohl auch dem passiert.
Wie groß der Einfluß der Studentenverbindungen tatsächlich ist... ich weiß es nicht. Es gibt Akademiker, die sind trotz Mitgliedschaft im Trachtenverein mit seltsamen Regeln für die Prunksitzung Hartz-er. So sicher scheint das alles nicht zu sein. Aber man hätte es gerne, weil dann das eigene leicht verschwörungstheoretische Weltbild wieder funzt.
Studentenverbindungen nehmen nur Akademiker auf? Echt ein Skandal. Warum nehmen die keine Nichtakademiker auf? Vielleicht weil diese Folklore-Vereine Folklore betreiben, und zwar studentische Folklore?
"• Verbinder leben nach dem Prinzip des Männerbundes auf Lebenszeit."
Man kann aus Studentenverbindungen austreten wie aus dem Fußballverein auch.
"In diesen sind Frauen nicht zugelassen,"
Wenn ich das dringende Bedürfnis hätte, unbedingt Pannesamt zu tragen, träte ich in eine Damenverbindung ein oder in eine gemischtgeschlechtliche Verbindung.
Hier hätte sich ein differenzierender Blick gelohnt: es gibt Verbindungen, die Frauen aufnehmen, wenn dies auch keine Burschenschaften sind.
Dieser Satz ist schlicht und einfach falsch.
"da sie diese für emotional und schwach halten. Sie werden nur als „schmückendes Beiwerk“ gesehen, die als Hausfrau und/oder Mutter dem Verbinder das Leben erleichtern."
Das mag sein oder auch nicht, ist aber auf jeden Fall nur das Präludium hierzu:
"Verbinder werten Frauen somit ab"
Geht doch spielen...
Die Wertung "Hausfrau&Mutter=minderwertig" macht nämlich hier ihr. Wieso ist Reproduktionsarbeit in eurem Weltbild eigentlich minderwertig?
"und verschärfen bereits bestehende Geschlechterungleichheiten in der Gesellschaft!"
wenn man davon ausgeht, daß Reproduktionsarbeit niedriger steht als Lohnarbeit- sicher. Die Frage ist- wer geht davon aus? Wer entscheidet eigentlich, das Reproduktionsarbeit unterdrückend ist?
"• Die Geschlechtervorstellungen von Verbindern beschränken sich auf Mann und Frau, die heterosexuell leben.
Somit schließen sie alle anderen (z.B. schwule, lesbische, queere*) Lebensrealitäten und Identitäten aus!"
Gut zu wissen. Ich werd das den schwulen Verbindern, die ich kenne, bei Gelegenheit stecken, damit sie endlich realisieren, daß sie ihren Partner nicht mehr mitbringen dürfen. Bedanken tun sie sich dann hoffentlich beim Feministischen Mob.
"• In Verbindungen zählt „deutsche Zugehörigkeit“ als identitätsstiftend. Der Verbinder muss männlich, deutsch und weiß sein."
Wenn ich damit fertig bin, die Schwulen rauszuwerfen oder mindestens deren Partner, werfe ich die nichtweißen Bundesbrüder raus.
Nochmal und ganz langsam, damit auch die, die ihr Fachwissen aus
solchen Qualitätspublikationen beziehen, mitkommen können:
nicht alle Verbindungen sind Burschenschaften und noch viel weniger fordern alle Verbindungen weiße Haut oder die deutsche Staatsangehörigkeit allr Vorfahren bis anno dunnemals. Vor ein paar Jahren war ein
Wahlplakat der Grünen angeblich der absolute Renner in Heidelberger Verbindungshäusern: da sah man nämlich wenn man genau hinsah, daß einer der lieben Farbenstudenten Nichteuropäer war.
Hier würde sich wieder ein differenzierender Blick lohnen: Burschenschaften wollen tatsächlich die deutsche Staatsangehörigkeit sehen, sind damit sie aber ziemlich alleine.
Und damit wäre auch dieser Satz falsch.
"Sogar über die Wiedereinführung eines „Ariernachweises“ wurde diskutiert"
über diese Frage zerlegt sich die Deutsche Burschenschaft, er ist also so weder für alle Burschenschaften noch für Studentenverbindungen im Allgemeinen richtig.
"und das Singen aller drei Strophen des „Deutschlandlieds“ gehört zum guten Ton."
Ich bin mir sicher, daß diese Aussagen auf ausführlichen Undercover-Ermittlungen beruht.
"• Verbindungen und Burschenschaften sind nationalistisch!
Verbindungen stabilisieren elitäre Zirkel, verbreiten sexistisches, rassistisches und nationalistisches Gedankengut und verhindern so eine emanzipatorische und befreite Gesellschaft, in der alle Menschen teilhaben können."
Kann mir bitte jemand erklären, wie das alles zusammenhängt? Das erscheint mir als Großellershäuser Kirmesrundschlag.
"Dem stellen wir uns entgegen :
Wir wollen eine Gesellschaft, in der es nicht darauf ankommt, in welche Familie du hineingeboren wirst!"
Das kann ich nur unterstützen! Endlich mal was, wo ich denke "yupp, alles klar, will ich auch!"
"Wir wollen eine Gesellschaft, in der es nicht darauf ankommt, welches Geschlecht dir bei der Geburt zugeordnet wurde!"
Das klingt so als würde die Hebamme bei der Geburt würfeln, was es denn sein soll oder das per Quote vergeben. Ich erinnere mich da was anderes, Stichwort: Anatomie. So völlig aus der Luft gegriffen ist der Eintrag "männlich" oder "weiblich" auf der Geburtsurkunde nun nicht.
"Wir wollen eine Gesellschaft, in der du nicht danach beurteilt wirst, wieviel Leistung du bringst!"
Dann lieber eine Gesellschaft, in der du danach beurteilt wirst, aus welcher Familie du kommst oder wie? Eine Gesellschaft, die dich danach beurteilt, was du tust und sagst, klingt mir da erstrebenswerter.
Gesamteindruck: naja, habe schon überzeugenderes über die Hannovera gelesen und gehört. An denen kann man nämlich viel kritisieren, da muß man gar nicht auf vorgebackene Allgemeinplätzchen von zweifelhafter Qualität zurückgreifen.