"Das Volk hatdasVertrauen der Partei verloren und muß hart arbeiten, um es zurückzugewinnen"
Vorweg: ich sehe weder Dresden von Islamisierung bedroht noch den Rest der Republik. Und das "Ausfusseln" nach rechts ist etwas, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Dämonisieren hilft nur ganz selten.

Ich halte bei "Weihnachtsmarkt umbenennen weil böse ausschließend" Moslems für eine Form von menschlich-moralischemSchutzschild, hinter dem sich eine Agenda versteckt, mit der das Christentum schon länger ringt: Kampfsäkularisten, die jede Äußerung von Religion nicht ertragen.


Und nun kommt das ABER:
Der Rat für Migration, vertreten durch Werner Schiffauer, Andreas Zick und Naika Foroutan, forderte am 5. Januar 2015 ein neues gesellschaftliches Leitbild für alle Menschen in Deutschland.

Da hakt es schon: ein Leitbild für alle. Nun gut, ohne einen gewissen Konsens geht es nicht. Weiterlesen

Migration lasse sich nur begrenzt steuern.

Stimmt.

Eine Leitbildkommission von Politikern und Vertretern von Einwanderern und Minderheiten solle den Begriff 'Wir Deutsche' neu definieren

Halt! Das kann keine Kommission tun, das MUSS gesamtgesellschaftliche Debatte sein. Von allen, auch von denen, die man nur mit Geduld erträgt. Also in diesem fall mit denen, die grad konträr gehen mit "der Politik" und die nicht durch Vertreter (wie legitimieren die sich eigentlich?) repräsentiert sind.

und erarbeiten, „wie der Zusammenhalt in einer pluralistischen republikanischen Gesellschaft gelingen könne“.

Politikern gelingt es doch nicht mal, die Wahlbeteiligung zu steigern. Wie wollen die ihr schickes Endpapier an Kalle Müller bringen?

Das Ergebnis solle in Lehrpläne von Schulen aufgenommen werden.

Ah, über Kalle Müllers Nachwuchs!
Zur Funktion vom Schule als Herrschaftsinstrument verweise ich auf Herrn Foucault, der sie im Kontext von Militär und Knast verortet.

Dort müsse die historische Bedeutung der Migration für Deutschland stärker vermittelt werden.

Lesen, Schreiben, Rechnen- unwichtig wenn es um Indoktrination geht. Ich sehe Bremen mit wehenden Fahnen vorstürmen.

Ich brüllte mich letztes Jahr gepflegt mit dem Elternbeirat an als ich Protest (noch war ich höflich) einlegte gegen die Teilnahme von Schülern an moslemischen Feiern in der Schule im Rahmen des Faches "Biblische Geschichte".
Da müse ich tolerant sein, die Kinder tun ja nichts schlimmes, die feiern doch nur das Fastenbrechen.
Ich: kein Problem wenn sie lernen, was das ist, aber nicht teilnehmen, der Junge ist Katholik, nicht Moslem.
Antwort: na, um so wichtiger, dass er das, was wir ihm kaum zeigen werden, in der Schule lernt.
Geduldsfaden reißt. Cassie: Wann kann ich denn die evangelischen und moslemischen Schüler zur Fronleichmansprozession erwarten? Ab hier eskalierte das Gespräch ein wenig...

Das von der CDU ausgegebene Leitbild "Deutschland ist kein Einwanderungsland" habe die Politik zu lange bestimmt. Ein Integrationskonzept müsse auch Fremde und zeitweise Flüchtlinge als zur Gesellschaft gehörig vermitteln.
Ja, und Gaststudenten und Touristen... das meine ich ernst- die sind auch da.

Deutsche Integrationspolitik dürfe sich nicht nur auf Migranten fokussieren. Auch Gruppen wie die Anhänger PEGIDAs bräuchten eigentlich Integrationskurse.
WTF- meinen die das ernst? Und wenn die das ernst meinen... müßten dann nicht (siehe weiter oben) auch PEGIDAS, Pro-Irgendwas und die NPD mit ein Konzept erarbeiten?!
Und was passiert, wenn ich den Kurs schwänze?

Die Einwanderungsgesellschaft sei nicht selbsterklärend, sondern sehr kompliziert. Angela Merkels deutliche Abgrenzung zu PEGIDA wurde gelobt

Leben generell ist kompliziert. Ich verzweifle ja auch immer wenn Leute "Flüchtling", "Einwanderer", "Asylbewerber", "Asylant" verwechseln, den schwarzen Vater im Kindergarten fragen, warum er denn "seine Heimat" verlassen hat (der ist aus Hamburg. Warum verläßt jemand Hamburg, um in Bremen zu leben?) oder meine Schwägerin komisch angucken wenn sie mit den Tigern unterwegs ist-bestimmt das schwarz arbeitenden Kindermädchen...
Aber dagegen wird keine Kommission was tun.



"Das Volk hatdasVertrauen der Partei verloren und muß hart arbeiten, um es zurückzugewinnen" soll nach dem 17. Juni 1953 ein SEDler gesagt haben.
Schon damals spöttelte man, es wäre einfacher, wenn die partei sich ein neues Volk wählte. Sind wir jetzt soweit?




pathologe am 06.Jan 15  |  Permalink
Nun,
einerseits bezieht man sich auf die Religionsfreiheit, die wir ja haben, andererseits versucht man allerdings, diese "Freiheiten" den Andersdenkenden aufzuzwingen. Womit der Freiheitsbegriff per se schon ad absurdum geführt wird, denn wirklich frei zu entscheiden kann nicht, auch nicht durch ein "Leitbild", aufgezwungen werden.

Sie, beispielsweise, sind sehr der katholischen Kirche verbunden, ich hingegen halte Religionen (und damit schließe ich alle Religionen ein, egal, welcher Couleur) für Humbug, für eine überkommene Möglichkeit aus vergangenen Zeiten, Menschen unterschiedlichster Völker unter eine gemeinsame Führung, eine gemeinsame Idee zu bekommen. Wenngleich auch viele Aspekte positiv zu bewerten sind (Tötungsverbot, Hilfe für die Armen), dienten meines Erachtens die Religionen doch hauptsächlich dazu, die Macht einiger weniger zu stärken und deren Bedürfnisse durchzusetzen. Trotzdem versuche ich nicht, Sie zu bekehren oder umzustimmen. Vielmehr nutze ich die unterschiedlichen Auffassungen Ihrer- und meinerseits dazu, um zu diskutieren.

Hier in Saudi-Arabien kann ich das gut beobachten, wie so etwas läuft. Die Religion ist dermaßen vorherrschend, dass sich das Leben danach richtet. Wenn Gebetszeit ist, schließen alle Geschäfte und Restaurants. Das wirtschaftliche Leben stockt für eine halbe Stunde, und dies vier mal am Tag (das erste Gebet erfolgt vor Sonnenaufgang, dann gibt es aktuell [das heißt am heutigen 6.1.15] Gebete um 11:48h, 14:44h, 17:03h und 18:33h). Kunden werden inzwischen nicht mehr aus den Restaurants oder Geschäften geworfen, sondern darin eingeschlossen, bis die Gebetszeit vorüber ist. Man stelle sich das mal in christlichen Ländern vor.
Religionsfreiheit? Gibt es auch hier. Lediglich eine Interpretationssache, denn Religionsfreiheit bedeutet, dass ich als (vermeintlicher) Christ nicht einfach umgebracht werde. Ist doch schon mal ein Erfolg, oder?

Pegida und ihre Auswüchse sind einfach Bestrebungen, die "Schuld" an Unzufriedenheit bei anderen zu suchen, so wie es dereinst mit den Juden geschah. Ein weit verbreitetes Phänomen, das zeigt, dass man nicht genug sich selbst reflektieren kann. Kommt bei mir auch vor, weil es so schön einfach ist, ein Feindbild zu erzeugen. Man möchte eben nicht (wie speziell bei Asiaten aus Fernost zu betrachten ist) sein "Gesicht verlieren". Außerdem ist es eine gelungene Ablenkung (denken Sie einfach an "Brot und Spiele") für die Politik, die derweil im Nebel andere Aktionen ankurbelt, die so niemand beachtet und die dann in ein paar Monaten einfach "Fakt" und "alternativlos" sind. TTIP beispielsweise, das Thema ist noch nicht durch, bin ich mir sicher. Die paar rechtsgerückten Nebelkerzen in Dresden werden dabei dankbar von der Regierungsmeute in Berlin angenommen.

"Religion ist das Opium des Volkes" schrieb Karl Marx und hatte damit wohl Recht. Momentan äußern sich nämlich die halluzinogenen Nebenwirkungen.

cassandra_mmviii am 06.Jan 15  |  Permalink
"Vielmehr nutze ich die unterschiedlichen Auffassungen Ihrer- und meinerseits dazu, um zu diskutieren."

Das können wir weil wir bereit, fähig und willens sind, den anderen einfach mal so stehen zu lassen. Grundvorraussetzung für Dialog. Ich steck Sie nicht ins Umerziehungslager, Sie mich nicht. Alles gut :-)


EDIT:
Ich frage mich zu allererst, was es über den öffentlichen Diskurs und die Belastbarkeit der deutschen Auseinandersetzungskultur aussagt.
Die Umfragen ergeben ein hohes Maß an "irgendwie verstehe ich, was die wollen" in der Bevölkerung, parteiübergreifend. Das zeigt Distanz zum "Distanzierungschor".
Die niedrige Wahlbeteiligung zeugt auch nicht grad von Unterstützung für die etablierten Parteien.


Da gibt es wahrscheinlich so viele Motivationen wie PEGIDAS. Ich halte die Angst, dass nächste Woche das Grillen von Schweinesteaks verboten wird, auch für Humbug.
Andererseits hatten wir "an der Front" oder "der Basis" bereits Diskussionen, ob man kein generelles Schweinefleischverbot für Kindergartenbrotdosen verhängen sollte- wegen der Toleranz, denn die Kinder könnten Brote tauschen und wenn dann ein moslemisches Kind usw...
das geht dann zu weit. Dieser Blödsinnsvorschlag stammte NICHT von den Eltern der entsprechenden Kinder, sondern von Korrektheitsfundis im Beirat.

Wenn man sich solchen Unsinn ein paar Mal gegeben hat, dann fragt man sich schon, was denn hier los ist.


Ich las gerade ein äußerst interessantes Buch: "Iron Kingdom" von Christopher Clarke.
Kapitel Napoleonische Kriege: die Kluft, die zwischen Regierndem (aka preußischer König) und "der Straße" klaffte, war immens. Der König mißtraute dem, was sich zusammenbraute als Anzeichen einer Revolution (mit "ca ira"-Gefahr). Also ignorierte er während die ersten Corps schon mal rüsteten.

Nun will ich PEGIDA nicht mit dem Lützow'schen Jägern vergleichen- echt. Aber das Mißtrauen gegenüber etwas, was nicht befohlen war, hat die "Obrigkeit" immer noch.

zwetschgenkrampus am 06.Jan 15  |  Permalink
Obrigkeit und Änderungen
Es ist eine Binsenweisheit, dass wir in Österreich keine Französische Revolution hatten, weil Kaiser Joseph II. die entsprechenden Maßnahmen in den 1780ern zum Wohle der Staatskasse selbst durchführte.

1848 gab es dann eine Revolution in echt - als man Kaiser Ferdinand I. "dem Gütigen" (er war ein bissl bedient, daher der noble Beiname) meldete, die Wiener machten Revolution, fragte er nach der Überlieferung: "Revolution? Ja, dürfen's denn das?"

Wie von der Hausherrin schon festgehalten, stellen Obrigkeiten diese Frage immer noch, wenn das Volk etwas tut, wozu es nicht kommandiert oder gezwungen wurde.

Ein alter Juristenkalauer über die österr. Bundesverfassung geht so: Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volke aus. Es läuft eine Vermißtenanzeige.

cassandra_mmviii am 07.Jan 15  |  Permalink
ich möcjhte nochmals (Distanzieren ist grad schwer in Mode und welches Mädchen könnte einer Mode widerstehen?!) festhalten: Blödfug- weder Dresden noch der Rest der Republik wird morgen die Burkhapflicht einführen.

Da scheint mir viel unausgegorenes dabei, aber: unausgegorenes gärt weiter.

Gegen Meinung helfen keine Argumente. Das stelle ich jedesmal fest wenn es um die geplante Flüchtlingsunterkunft hier geht.
Flexible Ängste:
- die tragen uns den Bürgerkrieg in Syrien hierher
- nehmen uns die Schulplätze weg
- Drogenhandel
- Einbrüche und Wertverfall des Eigenheims
- werden Frauen belästigen und Kinder vergewaltigen, besonders blonde Mädchen
- passen nicht in die Sozialstruktur vor Ort
- Armutsflüchtlinge aus Marokko und Algerien, die Sozialleistungen abgreifen wollen

Ich fände es ja erfreulichst, wenn man sich entscheidnen könnte, ob die nun aus Marokko oder Syrien kommen und ob sie nun Bremen in ein Bürgerkriegsgebiet verwandeln oder Drogen verticken wollen.


Und so werden sich PEGIDA-Demonstranten kaum von Experten und deren Statistiken, wie viel Gewinn die Volkswirtschaft durch Zuwanderung hat, beeindrucken lassen, weil das Bauchgefühl "hier stimmt was nicht" davon nicht weggehen wird.




"Ja, dürfen's denn das?"
fragte laut Überlöieferung Katharina II von Rußland als man ihr meldete, der französische König sei geköpft worden.
Grundsätzlich: gute Frage.