Freitag, den 17. November 1989
Die Ehe meiner Eltern ging den Bach runter. Vater wollte ausgehen, alleine, nach Göttingen. Also nahm er mich mit- Schachspielen in der Kreisstadt, was man als Nerd-Mädchen eben so tut an Freitagabenden.
Auf dem Hinweg noch das übliche Radiogedudel, NDR, die mit dem Kuckuck vor den Nachrichten.
Abgeholt dann von Mutter. Die hörte einen anderen Sender. Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Jugendgruppen in Göttingen, eine Tote.

Es hat geregnet den Abend.

Conny- niemals kennengelernt, aber trotzdem einer der Menschen, ohne die mein Leben anders verlaufen wäre,




ella am 18.Nov 14  |  Permalink
Stille Post?
Conny? Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Jugendgruppen?

Dann ist die Geschichte wohl im Laufe der Zeit verändert worden.
Zu meiner Studienzeit in Göttingen (ab Ende '92) gab es regelmäßig zu diesem Datum noch "Conny-Demos" und es wurde kolpotiert, dass das Mädchen im Zuge einer linken Demo von der Polizei in den fließenden Verkehr der Weender Landstraße getrieben wurde und dabei zu Tode kam ...

cassandra_mmviii am 19.Nov 14  |  Permalink
Dann haben wir ja zwischendrinne gleichzeitig in Göttingen studiert! Cool!

Nein, das war anders. Es kam zu einer der damals üblichen Straßenschlägereien. Die Polizei eskortierte die Dorfdeppen, die sich erfolgreich für Nazis ausgaben, zu Bushaltestelle-Platzverweis. Da liefen nun aber auch noch immer diverse Antifa-Grüppchen rum und zu einem von denen gehörte Conny.

In dem Durchgang zwischen Aldi (der ist da nicht mehr) und Iduna-Zentrum sollte dann der polizeiliche Zugriff erfolgen, evtl mit Hunden, aber da gegen die Berichte auseinander. Ich neige dazu, mit Hunden zu glauben, weil es mir Jahr später auf einer Juristen- und Medizinerparty (also nicht grad der Ort für linke Szenelegenden) jemand erzählt hat, der selber dabei war.
Conny (und nach besagtem Augenzeugen nicht sie alleine)lief los, auf die nicht abgesicherte, dunkle Weender Straße. Panik vor den Hunden? Fragen konnte sie keiner mehr.

Da hat im Lauf der Jahre viel Stille Post stattgefunden. Ob zB die Scharfschützen auf den Dächern am 25.11. wirklich da waren oder sind sie Ausdruck der Spannung, die auf der Stadt lag?
Ein sehr lieber Freund von mir bekam am 25.11 einen Polizeiknüppel über den Kopf. Er war zur Demo gegangen, weil es für ihn ein staatsbürgerliches Unding war, dass eine Polizeikontrolle nicht gesichert sein sollte- wo leben wir denn?
Als er sich das Blut aus dem Gesicht wischte, fragte er sich das nochmal. Ein paar Monate vorher hatte er noch Wehrdienst gemacht- Überzeugungstäter, der die Demokratie im Zweifelsfall schützen wollte. Das wollt er danach auch noch- notfalls vor den Hauptberufsdemokraten.

che2001 am 21.Nov 14  |  Permalink
Die Scharfschützen waren nicht auf Dächern, sondern standen auf dem Wall in der Nähe des JUZI, auf der Bürgerstraße 2 Räumpanzer.

cassandra_mmviii am 21.Nov 14  |  Permalink
Die Räumpanzer sind ja sicher, da sind sich auch alle inklusive der Staatsseite einig.
Über über die Scharfschützen gibt es arg viele Versionen. Manchmal lagen sie auch auf dem Dach der Physik.

che2001 am 17.Dez 14  |  Permalink
Also meine damalige Freundin ist im Abstand von 2m an denen vorbeigeradelt, und da standen sie auf dem Wall.

cassandra_mmviii am 17.Dez 14  |  Permalink
Ja, aber konnte sie ein Scharfschützengewehr erkennen bzw unterscheiden von den anderen diversen Gewehren?
Genosse H. versuchte immer zu erklären, dass die deutsche Polizei keine Maschinengewehre habe und das ein MG auch wirklich und echt ganz anders aussieht. Und der kannte sich aus.

che2001 am 17.Dez 14  |  Permalink
Streng genommen verwenden Präzisionsschützen der Polizei nur sehr selten Scharfschützengewehre, sondern eine längetre Ausführung der MP5-Maschinenpistole mit Zielfernrohr. Sie sagte nur, die hätten MPis mit Zielfernrohren gehabt, nicht im Anschlag, sondern umgehängt.

cassandra_mmviii am 17.Dez 14  |  Permalink
genau das meine ich:

aus "Schnellfeuerwaffe mit Zieldings" wird "Scharfschützengewehr". Das den Tag automatische Waffen da rumgetragen worden, ist auch unstrittig.
Wahrscheinlich eine Variante des G3, das verwendete die Polizei damals am häufigsten.

Und wenn man bei "Scharfschützengewehr" ist, ist man auch fix bei "wo waren die Scharfschützen" und weil wir jja alle schon mal im Kino waren, wissen wir: die liegen auf Dächern. Besonders gern&gut auf Flachdächern und da kommt die Physik ins Spiel.


Das Problem ist, dass kaum einer von denen beim Bund war und Waffenfan sein ja böse war (und ist)- woher sollte man es also kennen?
Genosse H. hatte da weniger Skrupel, aber der war ja auch noch FDP-Mitglied als er den Knüppel auf den Kopf bekam.