Sorgerecht
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/juristen-und-vaeter-halten-sorgerechtsreform-fuer-misslungen-a-846657.html

Als jemand, dessen Eltern auch nach grob 15 Jahren ihren Scheidungskrieg noch nicht beigelegt hatten, wage ich eine Meinung zu haben: geteiltes Sorgerecht ist ein andere Wort für Ärger.

Das mit der gemeinsamen Verantwortung klingt erst mal toll, aber in der Praxis stellen sich da ganz fix Probleme, selbst wenn keiner sich Machtkämpfe liefern will.

Was ist, wenn ein Elternteil umziehen muss weil es die Arbeitsstelle wechselt oder überhaupt Arbeit (und damit Einkommen) findet??
Darf das andere Elternteil das verbieten?
Und wenn ja, wie sieht es dann mit dem Unterhalt aus? Nach einer Trennung soll man möglichst schnell finanziell unabhängig werden und die Gesetze sind dementsprechend.
Wer zahlt die Reisekosten? Seine Kinder mit Bahn& Flugzeug an's andere Ende der Republik zu schaffen mag ja für Gutverdiener machbar sein, aber wie sieht es weiter unten aus?
Vor allen Dingen: wie sieht es mit den Interessen der Kinder aus? Vielleicht wollen die ja gar nicht jedes zweite Wochenende reisen, sondern auch mal ein Wochenende Zeit haben, am neuen Wohnort anzukommen.

Das Ganze verschärft sich noch wenn es vielleicht sogar in's Ausland geht.


Ich weiss nicht, wie oft Tigergatte und ich beide was unterschreiben müssen. Hier kein Problem, wir wohnen nämlich zusammen. Wenn er ihn München wohnen würde sähe das anders aus.


Ich sehe das Problem wenn man als Elternteil plötzlich "draussen" ist, aber ich sehe auch ein paar Praxisprobleme wenn man sich nicht nur geistig, sondern auch räumlich trennt.




maracaya am 09.Aug 12  |  Permalink
Genau aus diesen Gruenden habe ich das alleinige Sorgerecht (nicht verheiratet, aber zusammenlebend). Dafuer hat das Kind Papas Nachnamen.

cassandra_mmviii am 09.Aug 12  |  Permalink
ich bin für geklärte Verhältnisse. Man trennt sich ja meist nicht weil man sich so super versteht, da ist so viel Konfliktpotential drin.
Und ausserdem geht nach einer Trennung das Leben weiter was ggf auch Umzug heisst. Das betrifft ja nicht nur den, bei dem das Kidn lebt, sondern auch den anderen, der das Kind plötzlich nicht mehr freitags eher aus dem Hort abholen kann etc.

mark793 am 09.Aug 12  |  Permalink
Ist auch nicht so,
dass bei Sorgerecht, das nur von einem Ex-Partner ausgeübt wird, keinerlei Hassel droht. Wenn es da nicht einen gewissen Leidensdruck gegeben hätte, wäre das Fass mit dem gemeinsamen Sorgerecht wohl gar nicht erst aufgemacht worden.

cassandra_mmviii am 09.Aug 12  |  Permalink
Getrenntes Sorgerecht ist keine Garantie für Glückseligkeit. Aber im Zweifelsfall für jedes Schulformular, bei dem beide unterschreiben müssen, Grundsatzdiskussionen führen müssen, klingt auch nicht wie der Weg zum Erfolg. Oder im Nachhinein über "du hast WAS getan?!" zu reden.

Solange alles halbwegs klappt ist da wenig Handlungsbedarf, den gibt es immer erst wenn es Stress gibt.

Eltern, die sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen wollen, wird man eh nie aufhalten können.


Grobe 20 Jahre zurück:
Im Verlauf der Trennung ihrer Eltern zog eine hier nicht näher genannte junge Dame um und besuchte eine neuen Schule und wird zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Sie sagt zu und erst zu Hause wird ihr klar "das ist ja ein Papa-Wochenende". Sie bleibt entspannt, hatte der Herr Vater doch schon die letzten beiden Wochenenden überraschend abgesagt.
Der Herr Vater erfährt davon und verbietet ihr die Party. Warum? "Ich kenne die Leute nicht", was seiner Tochter als recht einleuchtend erschien. Das er sie nicht kannte, nicht das sie da nicht hindurfte. Sie hatte den Gastgeber in der Schule kennengelernt und nicht bei spätrömischen Orgien. Die Eltern hatten mittlerweile sogar die Mutter angerufen und sich vorgestellt und angeboten, sie am Ende heimzufahren, das Mädchen ist ja neu in der Stadt.

Vater wedelte den Trennungsvertrag mit dem vereinbarten gemeinsamen Sorgerecht und bestand auf seinem Wochenende. Den Samstagabend verbrachte die junge Dame alleine vor dem Fernseher ihres Vaters, der war nach dem Abendessen mit seiner Neuen losgezogen. War ja Samstag... damals gab es noch nicht fläschendeckend Kabelfernsehen und die junge Dame hatte 4 Programme zur Auswahl.
Am Sonntagmorgen frühstückte man, danach verschwand der Herr Vater auf dem Fussballplatz (wichtiges Spiel, musst du verstehen), die junge Dame entdeckte ihr Streikpotential und wusch weder ab noch kochte sie, was zu Verstimmungen führte und dazu, dass sie hungrig vom Papa-Wochenende zurückkehrte.

Am Montag rief sie bei ihrem Jugendamts-Muckel an und forderte die sofortige Klärung der Sorgerechtsfrage. Seine Versuche, familiäre Harmonie zu verbreiten, stiessen ab diesem Zeitpunkt auf Granit bei der jungen Dame. Der Verwaltungsaufwand, mit dem der Streitwert der Scheidung neu festgesetzt werden musste und die entsprechenden Verzögerungen, gingen ihr glatt am Po vorbei.


Auf der anderen Seite kenne ich auch Scheidungen, bei denen jahrelang um's Sorgerecht geklagt wird, mit allem Hin&Her und den Folgen für die Kinder. Auch ätzend.

mark793 am 09.Aug 12  |  Permalink
Anekdotische Beweise,
dass Sorgerechtsmodell A für den Allerwertesten ist, könnte ich aus meinem Bekanntenkreis genauso mühelos liefern wie Geschichten, welche die gegenteilige These untermauern, dass Modell B nicht funktioniert. Tja.

cassandra_mmviii am 09.Aug 12  |  Permalink
was ich damit sagen wollte ist: solange sich alle erwachsenen beteiligten auch erwachsen aufführen ist alles in Butter, egal was die Vertragslage sagt. Sobald das nicht mehr der Fall ist, ist eh kaum noch was zu retten.

Und vernünftiges verhalten können wir nicht gesetzlich festlegen. leider!

maracaya am 10.Aug 12  |  Permalink
Genau. Wenn alle sich erwachsen verhalten... dann.

Ich finde es immer wieder unglaublich, wie innerfamiliaere Konflikte entstehen und entgleiten koennen. Grad auch bei Leuten, wo man sich das NIE vorstellen konnte, was ja irgendwie impliziert, dass einem das selber auch passieren kann :/

cassandra_mmviii am 10.Aug 12  |  Permalink
solange man scih evrsteht holt keiner den Anwalt. das wird erst interessant wenn es kracht.

Im Vordergrund sollten die Interessen des Kindes stehen. Das klappt nicht immer (denn sonst hätte man sich schon die Trennung meist geschenkt...)