Kompetenzgedöns
Eigentlich bin ich ja der Ansicht, dass Schuledurchaus ein paar Neuerungen gebrauchen kann. Aber dieses Kompetenzgewackele beginnt, mir gehörig auf den Sender zu gehen.
Vokabeln lernen war früher einfach: man lernte sie. Diskussion oder begreifen warum irrelevant. Die sprachhistorische Herleitung von "beam" aus dem Indoeuropäischen und die Verwandtschaft zu "Baum" dürfte die meisten Schüler mangels Indogermanischkenntnissen eher überfordern. Nun sollen sie verstehen und selber erschließen. Das führte dazu, dass ich heute nachmittag Notfall-Nachhilfe Französisch erteilte. Unsere eigentlich ganz helle Nachbarstochter "begriff" nicht, wie man Verben beugt. Als ich mit der bitteren Wahrheit rausrückte, dass es an "je suis" nicht viel zu verstehen gibt, das müsse man einfach lernen, gab es große Augen. Wie, einfach lernen? Da muß es doch ein System geben, welches die Lernarbeit erleichtere. Also ratterten wir das Verb rauf und runter.
Nö, machen sie nicht in der Schule. Mutter (selber Lehrerin) da ginge es eher ums Verstehen und Entwickeln.
Das war vielleicht völlig lernkompetenzunfördernd, aber sie kann nun Verben. Hurra!
Vokabeln lernen die auch nicht mehr "klassisch", sondern sie sollen das Wort aus dem Kontext "entwickeln". Das Prioblem: Mädel sitzt vor dem Satz und erkennt kein einziges Wort weil das Fundament fehlt.
Vokabeltests? Gibt es nicht mehr.
Ich finde das gesteigert unfair. Man drückt Kindern eine Verantwortung auf, für die sie noch nicht reif sind: alleine lernen.
Sprache
Sprache ist eine Vereinbarung. Wir haben und drauf geeinigt, was was bedeutet. Bei "Tisch" kann man sich relativ sicher sein, dass alle das gleiche Bild im Kopf haben.
Komplizierter wird es, wenn es um Menschen geht:
"Flüchtling" hat sich als Überbegriff für die Menschen, die über das Mittelmeer versuchen, in den EU-Raum zu kommen, etabliert.
Korrekterweise müßte man aber differenzieren zwischen Flüchtling und Einwanderer.
Das mag nach beamtenhuberischer Korinthenkackerei klingen, hat aber auf die Möglichkeit, einen legalen Aufenthaltstitel zu bekommen, gravierende Auswirkungen. Wer nicht registriert ist, wird kein Bleiberecht bekommen. Wie auch, die Behörden wissen ja nicht mal, dass er da ist. Um Asyl zu bekommen, muß er in Kontakt mit den Behörden treten. Die werden fragen, wie und vor allem warum er gekommen ist.
Um es noch komlizierter zu machen: Krieg und Bürgerkrieg sind kein Asylgrund, sondern begründen Bleiberecht nach Genfer Konvention. Im Asylverfahren haben diese Menschen strikt gesehen nichts zu suchen. Trotzdem werden sie erst mal in der Verfahren gepackt. Einerseits weil es das Aufnahmeverfahren ist, nach dem die BRD arbeitet, andererseits weil es ein politisches Interesse gibt, die Asylbewerberzahlen so zu halten, dfass man jederzeit sagen kann "überwiegende Mehrheit wird abgelehnt" und das Geschrei "aber nicht abgeschoben" ist einkalkuliert. So wurde die Änderung des Asylrechts in den 1990ern vorbereitet.
Es simmte: die Zahl der Asylsuchenden war explosionsartig gestiegen. Grund: Yugoslavischer Bürgerkrieg.
Viele der Anträge wurden nicht genehmigt: eben weil Bürgerkrieg kein Asylgrund ist.
Und fertig war die Mißbrauchs-Statistik.
Die Aussischten auf ein erfolgreiches Asylverfahren sind kaum existent für Menschen, die aus Armut die Überquerung des Mittelmeers auf den "Fluchtrouten" wagen.
Ich will die Ursachen, die Menschen bewegen, sich unter Lebensgefahr in Boote zu setzen und über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, nicht verharmlosen. Aber wir müssen erst einmal zugeben, dass das deutsche Asylverfahren sie nicht aufnehmen wird. Von daher halte ich es für irreführend, von "Flüchtlingen" zu reden. "Einwanderer" wäre deutlicher.
cassandra_mmviii am 04. Januar 15
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