Mittwoch, 13. Juni 2012
Ökologisch? Ökonomisch?
Viel zu lange haben wir versucht, den Weg zu Wohlstand durch gesteigerten Konsum zu sichern. Dieses Modell ist tot. In Rio müssen wir ein neues Modell für ein Wirtschaftssystem des 21. Jahrhunderts entwickeln, das den Mythos widerlegt, dass es zwischen Wachstum und Umwelt einen Nullsummen-Ausgleich geben muss. Mit intelligenten Maßnahmen können Regierungen Wachstum schaffen, Armut bekämpfen, Arbeit schaffen und sozialen Fortschritt beschleunigen und gleichzeitig die natürlichen und endlichen Ressourcen der Erde schonen.

Ban_Kim-Moon


Ökologien und Ökonomie widersprechen einander nicht. Seit ich über das Prinzip Planned_Obsolescence gestolpert bin habe ich auch endlich einen Ausdruck dafür statt nur allgemein "oh tempora, oh mores" zu seufzen.
Das Schuhe nicht mehr so lange halten wie sie es mal taten wusste ich schon vorher; ich habe ein Paar Wanderschuhe, die ich seit über 20 Jahren trage, kein neueres Paar hält da auch nur ansatzweise mit.

Die kapitalistische Wirtschaftssicht geht davon aus, dass ein unendliches Wachstum möglich ist. Was auf einem Planeten mit endlichen Vorräten fern ab jeder Gegebenheit ist. Irgendwann ist alles alle- selbst der Sand am Strand, man muss nur genug davon wegbaggern. Das Sand -im Gegensatz zu anderen Ressourcen- in wahrscheinlich ausreichender Menge für alle Buddelkisten dieser Welt zur Verfügung steht ist eine andere Frage.
Öl&Co... man debattiert ja nur, wann der Vorrat zu Ende ist, nicht ob er für immer reichen wird.

Eine stärker auf Subsistenz basierende Wirtschaft wäre nicht nur dezentral und damit weniger krisenanfällig (alle kriegen Panik wenn in New York ein Investmentbanker hustet), sie würde wahrscheinlich auch deutlich mehr Menschen deutlich besser versirgen- viel schlechter als sie es heute tut geht ja auch ehrlich gesagt nicht wirklich wenn man sich vor Augen führt, wie viele Kinder in den Armutsgebieten dieser Welt jeden Tag sterben weil sie kein saubere Wasser oder ein Moskitonetz haben.
Das ist kein Pladoyer für die pseudo-kommunistischen/sozialistischen Planwirtschaften, die haben es in der Vergangenheit auch nicht gebracht, sondern für etwas neues: den Distributionismus. Langes, komplexes Thema, deswegen hier nur was für Einsteiger, bei dem wahrscheinlich fast jeder ein Bild vor Augen hat.

Der Vorteil: man kann damit heute anfangen, bei sich und muss nicht auf die Grosse Weltrevolution warten. Wie?
Omas Einkaufbeutel in der Jackentasche statt Plastiktragetasche schont den eigenen Geldbeutel und die Umwelt gleich doppelt bei der Herstellung und bei der Entsorgung.
Bewusst kaufen- einkaufen macht nicht glücklich. Das gesparte Geld dann lieber in etwas stecken, was nicht beim nächster Gelegenheit auf die Müllhalde muss oder gekauft wird weil eingekauft werdne musste?
Handelsketten entmachten, beim Bauern einkaufen oder beim "Gemüsetürken" (sorry, aber wie schon die FAZ schrieb- Onkel Mehmet hat Tante Emma ersetzt.
Einfach mal laufen oder das Rad nehmen statt Auto fahren.
Den Fernseher auslassen, mal ein Buch lesen und sich die Gehirnwäsche ersparen.
Selber kochen- Fertiggerichte sind um 1/3 teurer als selber kochen und es ist Widerstand gegen das Vereinheitlichen auf dem Teller.
Nähen lernen- flicken statt wegwerfen. Auch so ein Hausfrauenrevoluzzerding.

Das erfordert Zeit, also die Entschleunigung des eigenen Lebens. Aber mal ehrlich: was machen wir eigentlich mit all der Zeit, die wir sparen weil wir nicht mehr Holzhacken, Wasser schleppen und 10 Stunden auf dem Feld oder in der Fabrik stehen?



Leseliste
Heinz-Jürgen Voß: Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechtes aus biologisch-medizinischer Perspektive.

Das Buch ist deutlich trockener als ein Titel wie "Making Sex" suggeriert :-)

Update: aaaalso...
einer dieser Autoren, die man am liebsten auf einen Tee einladen will, um mal drüber zu reden.... drüber zu reden, ob er das echt ernst meint.

Die Augenfarbe hielt ich immer für vererbt. Bei Fruchtfliegen sei das so einfach (behauptete der Bio-LK) dass man sich das sogar im Schullabor ansehen könne.

Davon auszugehen, dass ein Embryo bis zur Ausbildung der sichtbaren Geschlechtsmerkmale geschlechtlich undiffereniert ist.... auch gewagt, besonders angesichts der Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik dieser Tage.
Aber da x- und y-Chromosomen ja anscheinend gar nix mit dem Geschlecht zu tun haben muss ich wohl weiterlesen.



Das Wort zum Mittwoch
"Die Abscheu gegen Gewalt ist verständlich. Gewalt, auch militärische Gewalt, wird immer auch ein Übel bleiben. Aber sie kann - solange wir in der Welt leben, in der wir leben - notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden. Allerdings müssen wir militärische Einsätze begründen. Wir müssen diskutieren: darüber, ob sie die gewünschten Ziele erreichen oder schlimmstenfalls neue Gewalt erschaffen, und auch darüber, ob wir im Einzelfall die Mittel haben, die für ein sinnvolles Eingreifen nötig sind. All diese Fragen gehören - mit den handelnden Personen - in die Mitte unserer Gesellschaft.

[...]

Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben. Für Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, ist diese Haltung selbstverständlich. Ist sie es auch in unserer Gesellschaft? Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld von Staat und Demokratie. Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus. Andere sind sehr gut darin, ihre Rechte wahrzunehmen oder gegebenenfalls auch vehement einzufordern. Und vergessen dabei allzu gern, dass eine funktionierende Demokratie auch Einsatz erfordert, Aufmerksamkeit, Mut, und manchmal auch das Äußerste, was ein Mensch geben kann: das Leben, das eigene Leben."


Bundespräsident_Gauck


Gewalt ist nie schön, aber manchmal nötig. Zum Schutz des eigenen Lebens, der eigenen Person, von anderen.
Wer übt mehr Gewalt aus? Der, der (notfalls eben mit Gewalt) einen Aggressor stoppt oder der, der sagt "Gewalt ist nie eine Lösung" und wegsieht?

Verantwortung... Freiheit ohne Verantwortung ist die Raubtiergesellschaft.
Verantwortung übernehmen, auch wenn es unbequem wird oder gar mit persönlichen Nachteilen verbunden...

Vor Ewigkeiten löste ich einen Shitstorm aus mit der (eigentlich völlig banalen Feststellung), dass auch der HartzIV-Empfänger in Deutschland immer noch auf der globalen Sonnenseite steht. Das es nicht drum gehen kann, niemals Kaffee zu trinken, aber das es angesichts der Arbeitsbedingungen auf Kaffee-Plantagen auch für den deutschen HartzIV-ler zumutbar ist, die 2 Euro mehr für das Päckchen Fair-Trade-Kaffee auszugeben und dafür eventuell etwas weniger Kaffee zu trinken.
Wie konnte ich nur? Ich mit meiner Mittelstandshausfrauenmoral... keine Ahnung von Armut... und als nächstes will ich gaaanz bestimmt den HartzIV-Satz auf 130 Euro kürzen weil man ja mehr zum Leben nicht braucht.

Faszinierend was man aus dem einfachen Satz "Deutsche Sozialhilfeempfänger sind nicht das global ärmste, was ich mir vorstellen kann" ableiten kann. Aber egal.

Handlungen haben Kosequenzen. Während ich mir nicht einbilde, die Lösung aller Probleme liegt im Öko&Fair-Trade-Kaffee... niemand wird via Kaffeekauf die globale Armut in den Griff bekommen. Aber vielleicht können wir die Welt ja ein bisschen menschlicher, brüderlicher, solidarischer oder auch nur erträglicher machen für die, die echt verloren haben im "wo werde ich geboren"-Lotto.