PID
So, lange drüber nachgedacht.

Trisomie-Test

Die Diagnose "Dein Kind hat Trisomie" an sich ist ncht das Problem. Irgendwann muss es jemand sagen (allen schon um eventuelle damit einhergehende Krankheiten behandeln zu können) und ob in der Schwangerschaft oder danach ist eigentlich nur ein Unterschied von ein paar Wochen und ändert weder an der Diagnose noch an der Trisomie irgendwas.

Soweit die Logik.

Gesetzgebung ist nicht immer logisch. Denn plötzlich macht die Frage, wann jemand die Diagnose gestellt wird, einen Unterschied, der kaum grösser sein könnte.
90% der Kinder, bei denen die Diagnose Trisomie pränatal gestellt wird, sterben. Warum? Weil sie behindert sind, nicht der genetischen Norm entsprechen und ihr Leben weniger schützenswer ist, was sich zB in der verlängerten Abtreibungsfrist für behidnerte Kinder äussert.

Eigentlich gibt es kein Problem mit Bluttests, die Trisomie diagnostizieren. Uneigentlich gibt es eins solange die Abtreibungsfrist für diese Kinder verlängert ist.

Ich habe die Fruchtwasserpunktion für alle drei Kinder abgelehnt. Das Ergebnis war egal, warum also das Kind dem Risiko einer Punktion aussetzen?
Würde ich den Bluttest machen lassen? Wahrscheinlich, den das Risiko für das Kind ist nicht vorhanden und im Falle einer Behinderung möchte ich in einem Neonatal-Zentrum sein, wo auch ein Kind mit gesundheitlichen Problemen versorgt werden kann.

Das Problem ist die Gesetzeslage, nicht der Test an sich.




tama am 11.Jul 12  |  Permalink
Das Problem ist der Wahn des Perfektionismus' - mich schauen viele Leute komisch an und zeigen mir oft den Vogel, wenn ich Folgendes vom Stapel lasse: Nämlich, dass die Natur weiß, was sie tut. Ich behaupte nicht, dass auch alles fair ist, was sie macht. Das ganze Universum kennt die vom Menschen gemachte Fairness nicht. Die einzige Fairness, die die Natur umsetzt, ist die Aussiebung ihres Genpools. Rein im evolutionären Sinne.

Das heißt: Wenn irgendwo ein Embryo oder ein Fötus abgehen, dann ist das je nach Situation und Stadium sicher tragisch für die Eltern - aber dann kann man davon ausgehen, dass in diesem Fall bei nicht menschgemachten Komplikationen irgendwas mit dem Kind nicht in Ordnung war. "Das sollte so sein", aus gutem Grund.
Das heißt: Ich kann VOR einer Schwangerschaft testen lassen, wie denn eventuelle Krankheitsrisiken etc. ausschauen und mich dann entscheiden, ob ich überhaupt ein Kind zeugen will. - Ich persönlich würde in dem Fall, wenn ich einen wirklich starken Kinderwunsch habe, eben eines adoptieren. Ebenso, wenn sich aus welchen Gründen nichts einnisten würde.

Das hat in dem Sinne für mich persönlich auch nichts mit dem von mir oben angeführten Perfektionismus zu tun - das ist eine Verantwortung, die ich für mich trage. Klar kann ich sagen, das Risiko nehme ich in Kauf - grundsätzlich würde ich das aber nicht mutwillig provozieren. Ich sag mal so: Frau G hat sich einen tauben Mann ausgesucht, der in ein paar Jahren zusätzlich vollständig blind sein wird - ich hätte das nicht. Aber wenn ich mir einen Mann aussuche, der eine Krankheit bekommt, einen Unfall hat, irgendetwas, was auch meine eigene Lebensqualität beeinflusst, dann würde auch ich das in Kauf nehmen - der Mann war vor seiner Beeinträchtigung da. Ähnlich wäre es mit dem Kind in meinem Bauch, wenn es erstmal da ist und wächst, und ich mich dafür entschieden haben, es zu bekommen - damit meine ich innerhalb regulärer gesetzlicher Fristen (Denn ich verteufel Abtreibung nur, wenn diese regelmäßig ohne Bekümmernis als Verhütung eingesetzt wird.).

Deswegen halte ich generell von prädingens-Maßnahmen nichts: Das Baby ist da, und wenn die Natur nicht sagt, dass es nicht in diese Welt gehört - entweder geht es alleine ab oder stirbt nach der Geburt "natürlich" - dann wäre ich selbstverständlich auch für das Baby da.

Mir sind die Risiken vieler Untersuchungen, die im Vorwege angeboten werden, auch einfach zu groß. Es gibt viele hausgemachte Komplikationen, von denen ich denke, dass sie sich mit dem simpelsten Mitteln vermeiden lassen.

Aber heutzutage möchte man alles perfekt: Ein perfektes Heim, einen perfekten Partner, den perfekten Job und natürlich auch perfekte Kinder. Abgesehen davon ist das auch ein sehr lukrativer Markt. Zumindest mit dem Image eines lukrativen Marktes, weil viele Maßnahmen tatsächlich reine Geldmache sind - das wäre aber ein anderer Schnack.

Bei sehr vielen Dingen, die im Bereich von Früherkennung und Präventivmedizin unternommen werden, habe ich einfach das Empfinden, dass vielerorts Risiken und Nutzen nicht mehr im gesunden Verhältnis abgewogen werden. - Und wahrscheinlich wissen die Betroffenen auf allen Seiten es nicht einmal besser, weil es schon beigebracht und propagiert wird.

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
Es gibt kein Recht auf perfekte Menschen. Leben im allgemeinen hat Warzen und die liebe Mitmenschheit hat sie sogar auf der Nase.

Ich habe einen Cousin. Genetisch völlig innerhalb der Norm. Aber während der Geburt ging was schief.
Was dann? Vom Resultat her (Kind behindert und erfordert mehr Aufmerksamkeit als gesunde Kinder) ist das das gleiche als wenn er "Gene kaputt" hätte.

Was ist, wenn morgen eins meiner Kinder vom Klettergerüst fällt und wegen Hirnblutung danach ernsthafte probleme hat? Passiert auch. Und endet auch in "Kind behindert".

Rückgaberecht kriegst du auf deinen Toaster, nicht auf's Kind.

tama am 12.Jul 12  |  Permalink
Eben - das Umtauschrecht existiert nur für Zellhaufen. Zellhaufen haben sich aber sehr schnell erledigt. Und wenn man vorher schon weiß, dass man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Kandidat fürs Umtauschen wird, dann kauft man die Ware doch am besten gar nicht und bedient sich bei einem anderen Supermarkt - sprich, adoptiert stattdessen. Niemand sagt, dass die Natur fair ist.

Diese Herren hier sehen die Sache aber anders.
(Ich kann deren Argumentation nachvollziehen - der Schluss daraus ist für mich aber vollkommen indiskutabel.)

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
"Zellhaufen"
gibt es nur in einem sehr kurzen Zeitfenster wenn man von menschlichen Schwangerschaften spricht. Zellhaufen sind undifferenziert, und das ist nur ein paar Tage der Fall.
Wenn man nicht unternimmt um den angestossenen Vorgang abzubrechen (sprich abtreibt) und er in der Umgebung ist, in der er natürlicherweise vorkommt (also nicht in der Petrischale, sondern in der Gebärmutter), dann wächst eben dieser undifferenzierte Zellhaufen zum Kind heran. Man kann nur 2 Zeitpunkte definitiv festmachen:
befruchtung als Beginn des Menschen udn Einnistung als Beginn der Schwangerschaft.
Alle anderen Übergänge sind fliessend und Grenzen willkürlich gesetzt.
Das ist bereits ein Mensch- nur halt ein sehr, sehr junger. Die Sonnenblumen im Garten sind ja auch Sonnenblumen, auch wenn man sie nicht als solche erkennt.

Man schätzt, dass grob 1/3 aller Schwangerschaften enden noch bevor die Zellen sich differenzieren. Als Ursache wird angenommen,d ass genetische fehler vorliegen, die die Entwicklung stoppen- der Notaus-Schalter sozusagen.


Die Herren:
Nachvollziehen kann ich eine Menge. Aber Tötung von menschen ist nicht. Egal wann.

tama am 12.Jul 12  |  Permalink
Jeder muss für sich selbst entscheiden. Einmischung von außen wäre Anmaßung.

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
na ja, wenn ich jemandem kräftig vor's Schienbein trete, dann heisst es ja auch nicht "Ja, wenn du das so wolltest ist das schon ok, musst du selbst wissen, Einmischung wäre Anmassung"
Wenn das schon für einen blauen Fleck gilt, also etwas, was innerhalb von ein paar Tagen heilt, um wie viel mehr für die Frage nach leben oder Tod?
Ich hoffe, dass wenn mich jemand versucht umzubringen eventuelle Passanten nicht auf Selbstbestimmungsdiskurs sind und eingreifen.

Da ist ein Mensch betroffen. Niemand wird gezwungen, ein Kind großzuziehen der nicht will. Aber "wegmachen" geht nicht.

maracaya am 12.Jul 12  |  Permalink
Bei dem Thema drehen sich meine Gedanken bestaendig im Kreis. Auch, weil es so virtuell ist. Wuerde ich, wenn eine PID ergaebe, dass das Kind nicht lebensfaehig sein wuerde, diese Zellsammlung (Ich gehe jetzt von PID in einem Stadium von 8-10 Zellen aus) zugunsten einer anderen, gesunden, "verwerfen" (Es sind ja eigentlich immer mehrere und nicht nur diese eine) oder sich bewusst fuer den steinigen Weg entscheiden? Und wem waere damit geholfen?

Ich weiss es nicht, aber ich kann mich da auch extrem schlecht hineinversetzen, das Thema waere bei uns nicht infrage gekommen. Wir hatten uns nach einigen Jahren damit abgefunden, dass wir wohl einfach kein Kind haben koennen, und gut (oder schlecht). Ok, es kam doch noch anders, aber damit hatte nun auch kein Mensch mehr gerechnet.

Ich halte diesen ganzen Wirbel, der gemacht wird, um ums Verrecken doch irgendwie ein Kind zu bekommen, wenns denn offensichtlich ganz einfach nicht sein soll, fuer viel verfehlter, als die PID.

Ueber verlaengerte Abtreibungsfristen brauchen wir gar nicht weiter zu reden. 20. Woche - das ist die halbe Schwangerschaft. (den Rest, den ich schreiben wollte, habe ich jetzt ungefaehr 10x geschrieben und geloescht. Zu emotional, das Thema. 20. Woche. 20. Woche!!!! Boah. Mir ist schon wieder schlecht.)

Letztendlich ist es fuer das Kind sicherlich besser, erst gar nicht implantiert zu werden, als in SSW 20 abgetrieben zu werden.

Und dann kann ich nur zustimmen:
Das Problem ist die Gesetzeslage, nicht der Test an sich.

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
Wie man, wenn man weiss, dass man ein hohes genetisches Risiko hat und deswegen kein Kind auf natürlichem Weg bekommen kann und deswegen auf die in-vitro-Methode zurückgreift, sich überlegt "äh, wart' mal, da war ja was..." und dann mit dem Geteste anfängt... da hört bei mir das Begreifen auch auf.

Whiskey-Tango-Foxtrott.

Wenn man unbedingt ein Kind selbst zur Welt bringen will, dann möge man auf die bereits vorhandenen Embryonen zurückgreifen. Die, um die wir die "darf man die wegwerfen oder nicht"-Debatte führen.

mark793 am 12.Jul 12  |  Permalink
Ich halte diesen ganzen Wirbel, der gemacht wird, um ums Verrecken doch irgendwie ein Kind zu bekommen, wenns denn offensichtlich ganz einfach nicht sein soll, fuer viel verfehlter, als die PID.

Ich persönlich empfinde da ähnlich, stelle aber fest, dass dieser Standpunkt Betroffenen schwer zu vermitteln ist. Gab hier in der Nachbarschaft mal ein Blog dazu. Oje, sag ich nur. Anderseits: Kenne jemanden, dem (und dessen Frau) es 18 Jahre nicht vergönnt war und die es dann mit künstlicher Nachhilfe (also in vitro) probiert haben - und mit ihrer süßen Tochter total glücklich sind. Wer würde sich da hinstellen und sagen "völlig verfehlt"?

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
"Wer würde sich da hinstellen und sagen "völlig verfehlt"?"

das würde kaum einer bringen.

Die Frage ist: was hättet ihr getan wenn das nicht geklappt hätte bzw wenn es die Möglichkeit nicht gegeben hätte?

Tigergatte hat 2 Adoptivgeschwister.

mark793 am 12.Jul 12  |  Permalink
Schwer zu sagen.
Ich hätte ja nicht drauf gewettet, dass es gleich beim ersten möglichen Zeitpunkt einschlägt nach allem, was man las: ich um die 40, damals Raucher und die Keimdrüsen nicht zu knapp auf dem Rennradsattel malträtiert. Da hieß es, sich auf längere Probiererei einstellen. Aber meine Noch-Nicht-Frau war damals so was von sicher, dass hier und jetzt genau der Zeitpunkt wäre. Für längeres Rumgewürge und Sex nach Kalender und Fieberthermometer (von weiterem und Komplizierterem gar nicht zu reden) wäre ich wohl eher nicht zu haben gewesen.

cassandra_mmviii am 12.Jul 12  |  Permalink
Grosser Tiger ist auch ein "äh... wie jetzt" Kind.

Wegen eines ungefährlichen, aber extrem lästigen Frauenleidens (ein tolles Wort!) nahm ich die Pille. das löste das Problem zwar nicht, aber unterdrückte es soweit bis ich irgenwann mal Zeit für eine grundlegende Problemlösung haben würde (das empfohlene Mittel war eine Schwangerschaft).
Und Antiotika wegen Mandelentzündung.

Frauenleiden ist seitdem übrigens tatsächlich gelöst.


Den Vorlauf zu IVF stelle ich mir auch extrem anstrengend vor und für uns wäre das nicht in Frage gekommen. Dann eher die Adoption.

Und am Ende stellt sich die Frage, was man mit den Embryonen macht, die man nicht einpflanzt. Da scheinen ja mittlerweile ganze Kühltruhen voll einer Entscheidung entgegenzuharren.

maracaya am 13.Jul 12  |  Permalink
Wer würde sich da hinstellen und sagen "völlig verfehlt"?

Wenn man es nach 18 (!!) Jahren noch in vitro versucht. Dann war man vorher ja scheinbar nicht gluecklich. Und dieses nicht mit sich und seinem Leben gluecklich sein koennen, sondern das Glueck von dem Vorhandensein eines Kindes abhaengig zu machen, das halte ich fuer verfehlt. Ja.

cassandra_mmviii am 13.Jul 12  |  Permalink
Man muss aufpassen, dass das Kind nicht zum Glücksversprechen wird, das alle Probleme lösen soll. das ist nicht nur dem Kind gegenüber ein ziemlicher Startrucksack, es funktioniert auch meist nicht.

Älteren Verwandten fehlte auch das Kind, in diesem Fall auch der Hoferbe. Rein generationell war IVF nicht in Frage gekommen. Es traf sich aber gut, dass ihre Nichte grad ein Kind "überhatte" nach Scheidung&Neuheirat. Der Junge war zuerst ständig da, aber Mama (die ihr eigenes Leben auch nach der Heirat nicht geregelt kriegte) machte immer noch Chaos.
Irgendwann wurde es meiner Tante (stimmte rein verwandtschaftstechnisch nicht, war aber egal) zu viel und sie wollte Nägel mit Köpfen. Das Jugendamt war über die Option, den Jungen schnell aus der Familie holen zu können, begeistert.

Problem für alle gelöst (soweit wie man so was lösen kann).

mark793 am 13.Jul 12  |  Permalink
das Glueck von dem Vorhandensein eines Kindes abhaengig zu machen, das halte ich fuer verfehlt

Ich auch. Wobei ich das in dem genannten Fall nicht so ferndiagnostizieren würde. Hatte mich aber andernorts in längliche Blogdiskussionen verwickeln lassen, wo ich mir dann irgendwann tatsächlich an den Kopf griff und dachte, ok, wer nichts hat als einen Hammer, dem erscheint die ganze Welt als Nagel. Aber als jemand, der selbst ein Kind hat, ist man halt nicht so recht berufen, anderen zu sagen, sie sollen sich da mal lockerer machen, wenns nicht klappt.

Bei irgendwelchen Naturvölkern gibt es den Glauben, wenn ein Paar keine Kinder bekommen kann, dann hätten sich die Ahnen von ihr und ihm nicht darauf einigen können. Interessante Vorstellung, die durchaus etwas für sich hat.

cassandra_mmviii am 13.Jul 12  |  Permalink
Frau Maracaya war vom Halbgriechen anscheinend eher überrascht und wenn man in der Situation "klappt nicht" ist, ist man drinne. Das sie später endet weiss man ja nicht. Von daher hat sie da praktische Erfahrungen.

Ich übrigens auch- mir wurde mit 15 gesagt, dass ich keine Kinder bekommen kann. Ich wage von einer Fehldiagnose zu reden :-)

Aus der gegenwärtigen Situation wirkt das natürlich mega-berufen, aber die Erfahrung sitzt tief. Und es ist schmerzhaft zu sehen wie anderswo Bäuche dick werden und man selbst mit Waschbrettbauch herumläuft (ja, hatte ich mal... )