Grosser Tiger und der Zweite Weltkrieg
Grosser Tiger liest Narnia. Und weil er durch band 2 fast durch ist durfte er (gerade keien Schule) auch den Film ansehen.

Grosse Sache: Popcorn, Apfelsaftschorle, Kräutertee, mit Mama&Papa auf dem Sofa während die rattigen kleinen Brüder schon im Bett sind.

Der Film beginnt mit einem Luftangriff auf London.

Wir bemühen uns, unsere Arbeit vor den Kindern wegzuhalten. Ganz ehrlich: Historikereltern mit Fachgebiet 2. Weltkrieg und SS-Ideologie- das muss nicht sein.
Wenn in der Schule die Frage aufkommt "was machen deine Eltern denn? Mein Papa ist Elektriker" wünscht man sich, Papa wäre bei der Biologie geblieben... jedenfalls weiss er, dass Papa Bücher über die Leute schreibt, die die Synagoge angezündet haben.

Nun haben diese bösen Leute anscheinend also nicht nur die Synagoge angezündet und dafür gesorgt, dass alle Polizisten auch böse waren,. sondern auch noch einen Weltkrieg gemacht und England angegriffen.

Ich fürchte, wier haben jetzt den einzigen Zweitklässler, der weiss, wer die Alliierten waren.

Mir graut vor dem Tag, an dem er nochmal nach der Synagoge fragt. Irgendwann müssen wir ihm das Grauen erklären. Und davor graut mir. Wie erklärt man das einem Kind? Ohne ein Trauma für's Leben zu hinterlassen?

Wir sind schon bei dem Punkt, dass ganz viele Menschen in Gefängnisse gesperrt worden sind, ohne dass sie was Schlimmes gemacht hatten. Dass die "Bösen" (seine Wortwahl) alle Polizisten, feuerwehrleute und Richter kontrolliert hätten und das nur ganz wenige geholfen haben. Und wenn die Bösen sie erwischt haben beim Helfen, sie auch ins Gefängnis gekommen sind.

Grosser Tiger, deine Mama kann ziemlich viel über den Nationalsozialismus erklären und dein Papa noch mehr, aber du stellst Fragen, auf die niemand eine Antwort kennt.




unicornis am 31.Jan 12  |  Permalink
Ein Muss
Ja, das ist so eine Sache mit der juengeren Vergangenheit. Allerdings ist es nicht nur ein Anliegen, sondern ein Muss, die Kids aufzuklaeren. Je mehr sie darueber wissen, was passiert ist, umso weniger gehen sie Leuten auf den Leim, die alles leugnen, oder die Geschichte verdreht erzaehlen.
Gut, wenn man Grosseltern hat, so sagt auch meine Tochter (8Jahre) und ist nicht nur interessiert und bestuerzt, ueber die Dinge, die der Opa erzaehlt, sondern auch viel kritischer bei Aeusserungen in ihrem Umfeld (Schule) geworden, die rassistisch sind.

cassandra_mmviii am 31.Jan 12  |  Permalink
Bei mir war das einfach: ich war sehr viel bei meiner Oma und meinem Opa, die wohnten nur ein paar Häuser weg.

Das muss keine Garantie sein- so mancher Opa war ja mit Begesiterung dabei und das weiterzugeben könnte auch ihm ein Anliegen sein. Ein paar alte Damen schauten gestern in der Strassenbahn auch recht pikiert als ich sagte, die Deutschen hätten Polen angegriffen und das sei falsch.

Vor der Shoa drücken wir uns gerade. das ist "Feigheit vor dem Feind", ich weiss, aber ich ahbe keine Ahnung, wie man das anpacken soll.

Das ist nötig, aber manchmal weiss man einfach nicht wie.

"Gibt es solche Leute heute noch?" fragte er. Ja, die gibt es heute noch. Und da bekam er Angst.

carodame am 31.Jan 12  |  Permalink
Grauen
"Mir graut vor dem Tag..."

das Grauen , welches sie haben mündet in der Angst des Sohnes. Erzählen Sie ihm selbstbewusst über die Dinge, die er wissen möchte/sollte. Aus dem Bauch heraus. Finden Sie eine angemessene Sprache, die der Wahrheit entspricht, ohne sich in Details zu verlieren.
Ihre eigene Sicherheit wird den Jungen vor der Angst bewahren. Das gilt für alle Situationen. Wenn er Angst hat, begleiten sie ihn da raus, ohne dabei trösten zu wollen. Es liegt an Ihrem Mut.

cassandra_mmviii am 31.Jan 12  |  Permalink
Wir waren heute auf dem Kindergeburtstag. Eine Mutter ist Kinderärztin. Sie sagte, dass es schercklich sei- immer wenn ihre Kids krank werden kann sie nicht "einfach" mal mama sein, sondern sie ist dann immer automatisch die Ärztin. Dass was sie Eltern imemr rät, bei Bauchweh ohne Fieber das Kind einfach mit Wärmflasche ins Bett zu packen und ruhig zu bleiben ist ihr nicht gegeben.

Das geht mir ähnlich. Auf dem Schreibtisch die Waffen-SS, man will es einfach und dennoch korrekt beantworten, nichts verharmlosen und weiss triotzdem, dass vorletzte Woche eine Studentin beim Tigergatten-Seminar den Raum verlassen hat als es um Menschenversuche ging weil sie einfach nicht mehr konnte.

Zur Zeit beantworten wir Fragen zu Panzern, Flugzeugen und U-Booten. Das geht alles, dass kan man technisch erklären.

carodame am 01.Feb 12  |  Permalink
Ich weiß wie das ist, wenn der eigene Beruf ins Kinderzimmer weht.
Jene Studentin hatte vielleicht weniger mutige Eltern.
Was Kinder später im Erwachsenenalter aushalten, welchen Situationen sie standhalten, hängt von der Unerschrockenheit der Eltern oder Großeltern ab. Ich hatte eine sehr standhafte und kluge Großmutter...
Was die Kinderärztin bei fremden Kindern anders macht als bei den eigenen oder umgekehrt erschließt sich nicht logisch. Vieles lernt man aber mit der Dauer der Elternschaft. Möglicherweise geht es bei den kleinen Krümelbrüdern wieder leichter...
Hier kneift der Winterwind auch ordentlich. 4cm Weiß. Immerhin.

cassandra_mmviii am 01.Feb 12  |  Permalink
Ich halte mich eigentlich für relativ unerschrocken und gelassen.
Die Angst, mein Kind könnte im Sandhügel verschüttet werden und dann ersticken zum Beispiel wäre mir nicht in den Sinn gekommen und auch nachdem ich auf diese Gefahr mehrfach hingewiesen worden bin halte ich das Risiko, sie in einem der gefühlt 2 Millionen Baustellensandhaufen rumtoben zu lassen, immer noch für tragbar.
Auch über zerschmetterte Schädel durch Absperrunggitter, das Risiko von umfallenden Schildern für das Augenlicht und die grosse Gefahr durch Löchern in der Strasse etc bin ich aufgeklärt worden.

Man lernt im Verlauf der Elternschaft wirklich einiges an Gelassenheit.


Erst mal würde ich mich nicht für die Sorte ängstliche Mutter halten, die ihr Kind aus allen raushalten will. Kinder gehören nicht unter Käseglocken.

Aber da gerade der Grosse Tiger alles ziemlich wörtlich nimmt überlegt man sich 2 Mal, was man sagt. Und er hat Angst vor den "bösen Leuten"- so viel, dass er letztens im Tigerpapabüro nicht mal ans Regal mit den Büchern gehen sollte. Obwohl da der Kuchen stand :-)

Papas Arbeit ist ihm unheimlich.

Und da Grosser Tiger Frauenberufstätigkeit in der Tiefe seiner erzkonservativen siebenjährigen Seele ablehnt ist es ihm sowieso suspekt wenn ich sage, dass ich wieder arbeiten werde.

arboretum am 01.Feb 12  |  Permalink
In einem Urlaub, den meine Eltern nur mit meiner jüngeren Schwester und mir machten, unsere ältere war mit einem Onkel nach Spanien gereist, da besuchte mein Vater mit uns die Gedenkstätte in Dachau. Den Film, den sie dort zeigten, durfte meine kleine Schwester noch nicht sehen, sie war erst acht, darum wartete meine Mutter so lange mit ihr draußen. Die Ausstellung dort hat sie aber auch gesehen. Ich hatte das Mindestalter von zwölf ein paar Wochen zuvor erreicht, darum durfte ich mir den Film mit meinem Vater anschauen. Ja, meine Eltern mussten dabei viel erklären, vor allem meiner kleinen Schwester. Es gibt Bilder, die mir bis heute in Erinnerung geblieben sind. Aber ein Trauma fürs Leben trugen wir nicht davon.

cassandra_mmviii am 01.Feb 12  |  Permalink
Er ist halt erst 7, mit 12 würde ich mich da auch wesentlich leichter tun.
Und vorgestern war ihm schon "Heidi" zu gruselig.


Ausstellung angucken bietet sich an, wenn man etwas in der Nähe hat. Aber da Bremen in der eigenen Wahrnehmung der Hort des Arbeiter-Widerstandes, die letzte Bastion, etc war bietet sich hier wenig an.
Übrigbleibsel aus dem NS haben wir genug vor Ort- Böttcherstrasse zB fiele mir da ein. Das Ding steckt dermassen voll mit völkischer Ideologie, dass ich mich imemr frage, wann es da raustropft

mark793 am 01.Feb 12  |  Permalink
"wann es da raustropft"
- das habe ich mich während meiner eigenen Schulzeit (Abi 83) auch gefragt, und zwar im Hinblick auf meine Ohren und die totale Bessenenheit der Lehrer und Lehrplanverantwortlichen mit der NS-Thematik. Dass man nicht noch in Chemie die Strukturformel von Zyklon B pauken musste war grad alles.

Mir hats im Grunde nicht geschadet, aber in der Mittel- und Oberstufe haben sich irgendwann einige Mitschüler nicht zuletzt aus Trotz, Abgrenzungsbedürfnis und Provokation heraus mit rechten Sprüchen profiliert, und als das ruchbar wurde, zogen Direx und Lehrerkollegium den (wie ich finde: völlig falschen) Schluss, dass man ja wohl offensichtlich noch nicht genug informiert und gemahnt habe. Woraufhin das Overkill-Level mit wohlmeinenden Projekttagen und dergleichen nochmal erhöht wurde, was die Abtrünnigen natürlich noch weiter radikalisiert hat. Mit der weiteren Folge, dass es auch die engagierteren und sensibilisierten Kreise irgendwann nicht mehr hören konnten.

Aber trotzdem führt an der Thematik kein Weg dran vorbei, die Kleine stellt Fragen, und wir bemühen uns, ihr Antworten zu geben, die sie mit ihren 7 Jahren auch einigermaßen verdauen kann. Und sonderlich hart im Nehmen ist sie nicht, Fräulein Rottenmeier in der Heidi-Zeichentricksereie hat sie schon ziemlich gestresst. Da haben wir bis zu KZ-Gedenkstätten oder dergleichen noch einen weiten Weg zu gehen mit ihr.

arboretum am 01.Feb 12  |  Permalink
Ich bezog das eigentlich mehr auf meine kleine Schwester - mir fällt gerade ein, dass das noch vor ihrem achten Geburtstag war. In der Ausstellung gab es schon auch entsprechende Bilder und diese Berge von ...

Und wir gehörten durchaus zu den Kindern, die bei Kater Mikesch heulten, als der am Ende einer Folge in den Sack gesteckt und entführt wurde.

cassandra_mmviii am 01.Feb 12  |  Permalink
Die "Frl Rottemeier sperrt Heidi in den Keller"-Nummer hat den Grossen Tier mitgenommen, der Kleine Tiger steckte das weg.

Ich war auf einer politisch sehr korrekten Schule (Kuba-Sammelbüchse im Lehrerzimmer etc), ein Bio-Lehrer lehnte in Evolutionstheorie den Begriff "Selektion" wg Auschwitz.
Meine Mitschüler weigerten sich, nochmal NS zu behandeln und da die Schule auch immer die Schule der Demokratie sein sollte (expliziter Unterrichtsanspruch) wurde natürlich ein hagebuttenteeunterstütztes Gespräch draus, bei dem jeder seine Meinung ganz unrepressiv sagen konnte. Du.
Die hatten jedes Jahr eine Projektwoche dazu gemacht, es war im Unterricht immer präsent... sie wollten nicht mehr.

maracaya am 01.Feb 12  |  Permalink
Ui. Ja, es kommen wohl noch viele schwer erklaerbare Dinge auf einen zu... und dann ist es ja auch noch eine Typfrage. Was das eine Kind einfach mal so hinnimmt, ohne es zu dicht an sich ranzulassen, kann das andere schon ziemlich aus der Bahn werfen. Grosser Tiger scheint eher erster Typ zu sein.

Ich erinnere mich noch an den Geschichtsunterricht frueher (im Osten hatte man in Geschichte gefuehlt ja nie was anderes als die Oktoberrevolution und den 2. WK behandelt): Einige waren fassungslos, anderen war das komplett wurscht.

cassandra_mmviii am 01.Feb 12  |  Permalink
Ein Mitschüler antwortete beim Abiball auf die Frage, welche historische Persönlichkeit er am meisten bewundere mit "Adolf Hitler".
Eine Stille, die man greifen konnte.
Und "eine andere habe ich leider nie kennengelernt".

ich habe Verfolgung durch den NS in der Schule nur immer am Rand gestreift- bedingrt durch reklativ viele Schulwechsel kam bei mir nach der Französischen Revolution sofort die Restauration (die Napoleonischen Kriege waren hinten runtergefallen weil das Schuljahr zu Ende ging), dann der "Grosse Sprung nach vorn": 1. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise, dann konnte unsere Geschichtslehrerin nach der Geschwister-Scholl-Projektwoche das Thema nicht mehr hören und wir haben WKII gemacht, und zwar Ostfeldzug.
Nächster Schulwechsel: Industrielle Revolution, Mittelalter (na ja, sollte Mittelalter sein, war aber eher Frühe Neuzeit mit Vorlauf Kreuzzüge), dann WEimar und dann... dann sollten wir eigentlich Drittes Reich machen. Aber keiner wollte mehr, da meine Mittschüler die gesamte 10. Klasse über nichts anderes gemacht hatten. Ich nicht. Einer von ihnen erhob sich und proklamierte melodramtatisch "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!" Damit war das gegessen und wir behandelten die frühen Jahre der BRD.

Aber sollten Sie in der DDR nicht auch ganz viel Bauernkriege behandelt haben? Thomas Müntzer, Schlacht bei Frankenhausen und so. ZUuindest mein Kunstkurs war da, Bild angucken.

cassandra_mmviii am 01.Feb 12  |  Permalink
Grosser Tiger ist der Typ Kind, der sehr lange nachdenkt und sich sehr lange zurückhält bis er eine Antwort gefunden hat oder auch die Frage, die ihm ihm Kopf rumgeht, lange genug bedacht hat.

maracaya am 02.Feb 12  |  Permalink
Wir sollten da bestimmt ganz viel behandelt haben. Haben wir moeglicherweise auch. Haengengeblieben ist allerdings nur, dass wir immer und immer wieder NS/WKII durchgenommen haben. Erst aus Ostsicht, dann aus Wendesicht, dann aus Westsicht. Und immer aufs Uninteressanteste praesentiert.

Ich fand es damals nur oede - heutzutage durchaus interessant. Schade.


Und der halbe Grieche ... nun, man kann es vielleicht noch nicht endgueltig sagen, aber ich denke mal, er wird nie einer werden, der irgendetwas lange bedenkt :)

cassandra_mmviii am 02.Feb 12  |  Permalink
Während Grosser Tiger noch plant und denkt, handelt Kleiner Tiger. Eher der Mann der Tat :-)
Mini-Tiger verspricht nach seinem mittleren Bruder zu kommen. Die beiden zusammen sind eine ziemlich aktive Kombi. Eigentlich sollte Mini-Tiger im nächsten Frühjahr das Laufrad vom Dachboden bekommen... mal sehen ob das wirklich eine soooo weise Idee ist!