Religion und/oder Wissenschaft
Ich habe mal wieder nachgedacht. Das ist zwar, wenn man einigen Leuten glauben will, ein sicheres Rezept für's Debakel weil ich dann immer erzkonservativ und reaktionär werde, aber die Alternative zum Selberdenken, nämlich das Nachdenken den Nachdenkprofis zu überlassen, ist auch keine Garantie gegen das Schiefgehen. Also was soll's.

Vor langer, langer Zeit hatte ich im Blogland eine Diskussion über Evolution. Es ging im Ausgang dadraum, dass ein Bio-Lehrer seinen Schülern gesagt hatte, dass man die Jesus-Brille vergessen solle, sonst würde man Wissenschaft nämlich nie verstehen. Das an sich ist schon ein ziemlich starkes Stück, für den Bio-Unterricht dürfte es irrelevant sein ob jem,and Jude, Christ oder Moslem ist. Ebenso meinte er, an Gott zu glauben sei etwa so sinnvoll wie an ein Spaghetti-Monster vom Mond zu glauben. das entzieht sich meiner Ansicht nach dem, was der Bio-Unterricht abdeckt. Der Mann soll Biologie unterrichten und nicht seine persönliche Weltsicht.

Jedenfalls schrieb ich damals, dass es sich bei der Evolutionshrthorie um eine Theorie handele. Holla die Waldfee.. das war zu viel. Die Diskutanten hatten nämlich (so im nachhinein betrachtet) leider nur eine sehr oberflächliche Vorstellung davon, was eine Theorie in der wissenschaftstheoretischen Terminologie ist. Umgangssprachlich wird Theorie für "ich hatte da so eine Idee unter der Dusche" benutzt, alles, was über den Gedankenblitz hinausgeht und etwas ausgefeilter ist.

Im wissenschaftsthereotischen Gebrauch ist eine Theorie jedoch eine nicht bewiesene Annahme. Was ist ein Beweis in diesem Sinne? Wenn unter den gleichen Umständen das gleiche Ergebnis immer wieder erzielt werden kann. Zufälle werden durch Wiederholung ausgeschlossen bzw ihre Wahrscheinlichkeit minimiert.

Und genau das fehlt beim theoretischen Gebäude Evolution. Mikroevolution (Weiterentwicklung von Arten bzw. Abspaltung von Unterarten) lässt sich nachweisen. Dies jedoch auf die Makroevulotion zu übertragen ist ein naturalistischer Trugschluss.

Makroevolution wird sich auch nie nachweisen lassen. Das ist erstens eine Zeitfrage (wer wird ein Projekt finanzieren, das auf mehrere Millionen Jahre angelegt ist und Dinos beeinhaltet?) und zweitens eine methodologische. Darwin geht von zufälligen, ungerichteten Mutationen aus. Wie will man denn beweisen, dass eine Mutation zufällig ist?
Ausserdem soll ja unter den gleichen Bedingungen wieder das geliche rauskommen- also auch so absurde Viecher wie Stegosauria (ein "Zweithirn") und am Ende bitte Primaten, die das Internet erfinden.
Sollte einem das gelingen, wären da so viele Zufälle ein zweites Mal verkettet gewesen, dass zumindest ich arge Zweifel an der Zufälligkeit hegen würde, Ockhams Rasiermesser ist (immer noch) ein akzeptiertes Prüfinstrument.

Jedenfalls könnte man einem Schüler, der mit dem Buch Genesis ankommt im Bio-Unterricht freundlich lächelnd sagen "das ist gar kein Problem. Die Bibel ist sehr still was das "Wie" angeht. Wir beschäftigen uns gerade mit der Theorie des Herrn Darwin dazu. Es ist nicht Unterrichtsziel, dass du morgen Atheist wirst. Du sollst einfach nur die Theorie des Herrn Darwin kennen". Und wenn der SChüler dann schreibt Die Evolutionstheorie, die auf Charles darwin zurückgeht, besagt, dass Veränderungen von Arten durch zufällige Muitationen entstehen und diejenigen, die an ihre Umgebung durch diese Mutationen am besten angepasst sind, Vorteile haben etc", dann ist das korrwekt. Genau das besagt sie.
Gar kein Problem.

Doch Problem. Multo Problemo sogar. Denn statt das jeder bei seinen Leisten bleibt und das macht, was er kann, sind die Biowissenschaften zum paradigmasetzenden System geworden. Und das führt zu Fanatikern, die nicht sehen, wo die Grenzen ihrer Wissenschaft liegen, sondern den Rest der Welt gleich mit erklären wollen und dabei ihr eigenes methodologisches Instrumentarium fröhlich vernachlässigen. Jede Aussage muss bewiesen werden- die Aussage, es gäbe keinen Gott genauso wie alle anderen. Und da das noch niemandem gelungen ist macht man den "Gegner" halt lächerlich. Das ist wesentlich einfacher als ihn zu widerlegen.




kreuzbube am 25.Jan 12  |  Permalink
Nichts muss bewiesen werden, indem es verifiziert wird. Falsifizierung ist das Mittel der Wahl, (zumindest wenn man Karl Popper folgt). Man nähert sich durch Abhaken von Ausschlusskriterien einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit an, dass etwas "bewiesen" ist. Es wird der Nachweis der Ungültigkeit einer Aussage, einer Theorie oder eines Experiments geführt. Wenn das nicht gelingt, geht man davon aus, dass die Aussage zutrifft.

Bis irgendwann irgendwer...

Das macht Wissenschaft als solche aber nicht wertlos, man muss sie eben als einen fortschreitenden Prozess betrachten. In ein paar hundert Jahren wird man vieles verworfen haben von dem, was heute als gesicherte Erkenntnis gilt. Die Grenzen der Wissenschaft liegen darin, dass sie nicht "fertig" ist, dass Erkenntnisgewinn nie aufhört.

cassandra_mmviii am 25.Jan 12  |  Permalink
Die Nichtexistenz Gottes zu beweisen ist bisher meines Wissens ebenso gescheitert wie die Existenz. Mit anderen Worten: beides wissenschaftlich gesehen möglich, aber auch beruflich gesehen relativ uninteressant wenn man zB Physiker im Fallturm ist.

Die Grenzen der menschlichen Erkenntnis und die Möglichkeit, dass das, was heute als gesicherte Erkenntnis gilt in 200, oder auch 200 Jahren als "achduSchreck..." gesehen wird... schon da gewesen. Miasmen, Fluide und Säfte sind ja auch nicht mehr so ganz Sand der Erkenntnis. Waren es aber mal.
Von daher: vorsichtig sein, über was man sich lustig macht. Nicht nur weil es netter zum Mitmenschen ist, sondern auch weil man sich schlicht und einfach irren könnte.

Wissenschaft, das Streben nach ERkenntnis im weitesten Sinne, kann manmeiner Ansicht nach nicht im luftleeren Raum betreiben, man ist immer beeinflusst von den Gedanken seiner Zeit. Als Darwin das Evolutionskonzept mit dem Angepasstenste, der sich durchsetzt im freien Spiel der Kräfte, in Umlauf brachte war die Idee, das sich auf dem freien Markt auch der beste Anbieter durchsetzen wollte, das neue, moderne Prinzip, was die Lösung zu sein versprach.
In anderem ideologischen Kontext, wurde an Darwin dann rumgebogen, so dass der Stärkste überlebte.

kreuzbube am 25.Jan 12  |  Permalink
"Die Nichtexistenz Gottes zu beweisen ist bisher meines Wissens ebenso gescheitert wie die Existenz. "

Das ist der agnostische Ansatz. Weder Theismus noch Atheismus sind beweisbar.

cassandra_mmviii am 25.Jan 12  |  Permalink
In Bezug auf die Naturwissenschaften betrachtet heisst das, das man nichts Objektives dazu sagen kann.

Agnostiker machen zu der Frage eine "weiss ich nicht"-Aussage. Das unterscheidet sie von Gläubigen (egal welcher Farbe), die sich sicher sind aufgrund zB persönlicher Erfahrungen, dass es Gott gibt. Die Gläubigen haben auch keinen Beweis.

Es heisst Glaubensbekenntnis und nicht "wissenschaftlicher Nachweis der Existenz Gottes".
Über die Phase mit den Gottesbeweisen sind wir zum Glück hinaus- ich hätte ein ganz übles gefühl dabei, Gott ins Reagenzglas zu zwingen und dann mit Hilfe eines Pulvers blau einzufärben :-)

bellaantonia am 25.Jan 12  |  Permalink
ich empfehle dir zu dem thema das buch
der gotteswahn
nach lesen dieses buches habe ich die welt anders gesehen.der autor hat bei mir offene türen eingerannt und alles erschien mir so schlüssig und einleuchtend.
man muss aber vorurteilsfrei daran gehen und mal ernsthaft darüber nachdenken.
es ist nicht abwegig,als wissenschaftler solche fragen zu erörtern,warum auch?
und alle fragen und themen,die du in deinem beitrag ansprichst werden erörtert und für mich sehr schlüssig erklärt.
würde mich freuen,wenn du dich anschließend mal diesbezüglich melden würdest.

cassandra_mmviii am 25.Jan 12  |  Permalink
Autor?

Ich kenne mehrere Naturwissenschaftler (promovierte Physiker und Chemiker), die christlich sind. Es geht ja auch nicht drum, dass man als Naturwissenschaftler kein Christ sein könne- eher im Gegenteil: das man nämlich nicht völlig vernagelt und von vorgestern sein muss um Christ oder gar Katholik zu sein.

Es geht um die Frage, was die Biologie erklären kann und was nicht. Und ob die Idee, naturwissenschatfliche Erkenntnisse als normengebendes System zu nehmen sinnvoll ist. Ich denke nicht- denn die Tatsache, dass wir wissen bei wie viel Grad ein Mensch erdferiert sollte echt nicht heissen, dass wir Menschen erfrieren lassen müssen.

Der Bereich der Biowissenschaften ist einer, der imemr stärkere Gewichtung erhält. Mir ist das das erste Mal wirklich klar geworden in der ersten Schwangerschaft, als ich überrascht angeguckt wurde weil ich keine Amniozentese habe machen lassen. Für mich stand fest, dass ich das Kind bekommen würde, egal ob gesund oder nicht. Ich lehne die Tötung von behinderten Menschen absolut ab- da werde ich wohl kaum mein eigenes Kind umbringen!
Jedenfalls gab es grosse Augen bis hin zu "aber das muss man doch machen, was machst du denn wenn das Kind behindert ist?" Es lieben. Was sonst? Es wird nicht mehr wirklich hinterfragt, was dabei passiert, das nämlich die Aminozentese nicht so harmlos ist wie dargestellt (5% Fehlgeburten nach dem Eingriff).

In der zweiten Schwangerschaft musste ich einem Arzt fast schon die Hände festhalten weil er unbedingt punktieren wollte. Das war mir zu gefährlich. Ausserdem wollte ich auch dieses Kidn bekommen- egal ob "fehlerhaft" oder nicht.

sturmfrau am 25.Jan 12  |  Permalink
Richard Dawkins. Ist glaube ich nicht Ihr Fall... Falls Sie sich aber doch durch den Schinken durcharbeiten, bin ich gespannt darauf, ob Sie reagieren, wie ich es vermute.

cassandra_mmviii am 25.Jan 12  |  Permalink
Ich habe auch Vorlesungen bei Thomas Junker durchgehalten. Man muss niocht mit allem was man liest einverstanden sein.

bellaantonia am 26.Jan 12  |  Permalink
alleine der begriff"schinken"trifft auf das sehr spannend und interessant geschriebene buch nicht zu und nur durch offenheit und aufgeschlossenheit anders denkenden gegenüber kann man sich weiter entwickeln.
man muss nicht alles annehmen und abnicken,was man liest.eine mögliche reaktion vorauszuahnen finde ich auch sehr gewagt und schürt vorurteile.

cassandra_mmviii am 27.Jan 12  |  Permalink
Ich habe es angelesen und sehe einproblem mit seiner Argumentation: er behauptet, dass es Unsinn sei, an Gott zu glauben weil es Ihn nicht gäbe. Aber den Beweis tritt er nicht an, er behauptet, und zwar in einer "das ist richtig ubnd alles andere ist falsch, dämlich und allegemin gefährlich", dass mir dazu nur eins einfällt: Atheismusextremist. Fundamentalismus funktioniert genau so.
Atheismus wird hier zur Religion, und zwar in ihrer fanatisch-intoleranten Variante.

sturmfrau am 27.Jan 12  |  Permalink
@bellaantonia:

Entschuldigung, mit "Schinken" bezog ich mich bloß auf die Dicke des Buches. Das stellt keine Wertung dar.

Eine Reaktion vorweggenommen habe ich mitnichten. Ich bin einfach nur gespannt, ob mein Hosenbodengefühl in dieser Sache zutrifft. Werde mich aber auch gern überraschen lassen (was bislang aber nicht geschah).

cassandra_mmviii am 27.Jan 12  |  Permalink
Spannend geschrieben fällt mir zu dem Buch echt nicht ein.

"offenheit und aufgeschlossenheit anders denkenden gegenüber kann man sich weiter entwickeln."
Ich denke, Herr Dawkins will sich gar nicht weiteretwickeln. Das ist sein Recht.

Aber auch er wird damit leben müssen,d ass es Menschen gibt, die es anders sehen als er.