Es gibt Momente, da will man ausrufen „Ja, Frechheit“ Wie können sie es wagen, die Schurken!“
Mich überkam genau dieses Gefühl als ich
das las:
„Welche Rolle spielten die christlichen Organisationen?
Eine sehr starke, sehr selbstbewusste und extrem missionarische. Aber eben nicht, wie man sich vielleicht denken würde. Sie verdammten Sex nicht. Sie sagten, wenn du dich zu dem Porno hingezogen fühlst, wenn du deine Ehefrau nicht mehr attraktiv findest, wenn du Schwierigkeiten hast, die Treue zu halten und zugleich befriedigt zu sein, na dann, Jungs, lest unsere Bücher, kommt zu unseren Wochenendworkshops, wir kurieren euch. Und das wäre ja einfach eine Kuriosität, wenn es innerhalb der evangelikalen Subkultur bleiben würde“
Ja, echt frech- Christen, die Sex nicht böse finden. Das ist echt übel, man möchte fast in Mitleid schmelzen. Was tut man da als sexpositiver Mensch, wenn die fiesen Übelchristen nicht mal mehr Sex ablehnen und das auch noch öffentlich tun? Da verliert man doch das Monopol wenn jeder Sex kann und nicht mal Christsein davon abhält.
Wo bitte habt ihr denn geglaubt kommen die ganzen Christenbabies her? Bringt die der Storch oder was?
Oder ist es nur schlimm, dass Christen Spaß beim Sex haben? Oder vielleicht das sie es zugeben, denn eigentlich haben die ja verklemmt und langweilig zu sein. Die Idee, dass eine völlig unterdrückte Frau (muss sie als Christin ja sein solange sie nicht explizit Feministische Theologin ist), vielleicht gar eine Mutter mehrere Kinder, Spaß dran hat, mit ihrem Mann zu schlafen… die ist schon schwer zu schlucken.
Schittkrams, möchte man sagen, verlieren die selbsternannten Oberaufklärer und Sexologen ihr Revier und bekommen deswegen Schnappatmung?
Denn wenn es einfach nur drum ginge, Menschen zu helfen, diesen Bereich entspannt zu genießen, dann müsstet ihr doch eigentlich jubeln, dass da ein Klientel angesprochen wird, am dem alle Workshops bisher vorbeigingen. Eigentlich ist das doch nur die konsequente Fortsetzung der Sexuellen Revolution.
„Was war denn das Lockangebot der Rechten und Religiösen?
Eben die sexuelle Perfektion - aber die sei nur in der Ehe möglich. Alles ist dann erlaubt. Die Hauptlast aber fällt in der rechten Vorstellung natürlich den Frauen zu. Wenn er nicht will, muss sie sich mühen. Aber grundsätzlich kann es fantastischen Sex geben und soll es auch.“
Ja, schon schlimm. Die haben nicht nur Sex, sie haben ihn auch nicht nur in Missionarsstellung…
„Wenn er nicht will muss sie sich mühen…“ in meiner spießigen, langweiligen, biederen Welt ist Sex etwas, was Kommunikation erfordert, über Bedürfnisse reden, sie formulieren und dann miteinander zusehen, was davon umsetzbar ist. Das erfordert Bemühen auf beiden Seiten. Nur die Frauen in die „Pflicht“ zu nehmen ist in der Tat verfehlt. Was kann man tun? Lasst mich überlegen: evangelikale Sex-Seminare für von Frauen für Frauen! Dann steht dem fantastischen Sex nichts mehr im Weg, und schon gar nicht die Bibel. Ihr wisst schon, dieses Buch, in dem Petrus, der alte Frauenhasser, solche Sätze loslässt:
"Ebenso sollt ihr Männer im Umgang mit euren Frauen rücksichtsvoll sein"
Oder fragen wir Wolfgang Amadeus:
Du wirst im Eh'stand viel erfahren,
was dir ein halbes Rätsel war;
bald wirst du aus Erfahrung wissen,
wie Eva einst hat handeln müssen,
daß sie hernach den Kain gebar.
Doch, Schwester, diese Eh'standspflichten
wirst du von Herzen gern verrichten,
denn glaube mir, sie sind nicht schwer.
Doch jede Sache hat zwo Seiten:
Der Eh'stand bringt zwar viele Freuden,
allein auch Kummer bringet er.
Drum, wenn dein Mann dir finstre Mienen,
die du nicht glaubest zu verdienen,
in seiner übeln Laune macht,
so denke, das ist Männergrille,
und sag: "Herr, es gescheh' dein Wille
bei Tag, und meiner in der Nacht."
Sex ist Macht. Diese Macht in den Händen von Frauen- schlimm genug! Aber auch noch von Frauen ohne Ausbildung, die richtige theoretische Unterfütterung oder gar politische Grundeinstellung?
„Bis zur Trauung …
… gilt natürlich für alle Enthaltsamkeit.“
Oh je, und Frauen entscheiden auch noch, wann sie ihn haben wollen! Was kommt als nächstes- etwa Frauen, die entscheiden, mit wem sie wollen? Das wäre ja nun wirklich ganz entsetzlich. Was ist, wenn da Frauen Sex im Rahmen einer Ehe haben wollen?
„Und wer das nicht schafft?
Jetzt kommen wir auf den zweiten Trick der religiösen Rechten, mit dem sie die moralische Macht errungen hat. Bei Nichteinhaltung dessen, was einzig richtig ist, droht keine Hölle mehr, sondern die Vergebung auf Erden, weil Gott den reuigen Sünder mehr liebt als jeden anderen.
Deshalb konnte auch Sarah Palin, die Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner, so erfolgreich ihre schwangere Tochter vorzeigen: Sie war nicht verheiratet, aber wenigstens treibt sie ihr werdendes Kind nicht ab. Überhaupt beichten die Konservativen sehr gerne und ausführlich ihre eigenen Sünden - sie prahlen fast damit. Dadurch wirken sie authentisch und erfahren, und vor allem schaffen sie es dadurch, etwaige liberale Kritik vorwegzunehmen.“
Ach du Schreck, die steinigen keine Ehebrecherinnen und auch „The Scarlett Letter“ ist out? Was soll aus dieser Welt nur werden?
„Sie wirken so entsetzt ob des konservativen Diskurses?
Ich bin es auch“
Sex in der Ehe- das ist wirklich total schockierend, geradezu schon skandalös. Muss SOFORT aufhören! Und unehelich Schwangere müssen bitte in Scham&Schande aus der Stadt getrieben werden.
Die Meldung, dass eine Heirat dem Sexleben schadet, wird ja relativ regelmäßig wiedergekäut. Da wird gerechnet, wer wann wie was tut. Freut euch doch, dass da ein bisschen Leben in die Federn kommt.
„Die Evangelikalen in den USA verlegen sich neuerdings auf Themen wie Armut oder Gerechtigkeit. Ist das schon ein Fortschritt?
Nicht unbedingt. Was heißt es schon, wachsende Armut zu beklagen und gegen sie zu kämpfen, aber gleichzeitig sexuelle Selbstbestimmung für absurd halten? Wir müssen wieder fragen lernen: Was würde unsere Kinder glücklich machen? Was würde uns glücklich machen? Wenn wir das ernst nehmen und nicht mehr gegen Gegner ankämpfen müssten, die schreien "Abtreibungsrechte? Nein, das ist Mord" - und die übrigens neuerdings versuchen, auch Pille und Spirale als Abbruchsmethoden umzudefinieren.“
Also erstmal täte die Lektüre eines Bio-Buches für die 7. Klasse not. Die Spirale IST eine Abbruchsmethode, da sie die Einnistung eines befruchteten Eis in die Gebärmutterschleimhaut verhindert und damit dem Entwicklungsprozess ein jähes Ende setzt. Das tun auch die Mikro-Pillen (das sind die Pillen mit dem engen Zeitfenster)- zu allem weiterem befragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, besonders aber zu den Risiken der Dinger. Die sind übrigens nicht auf den Markt gekommen um Frauen selbst bestimmten Sex zu ermöglichen, sondern weil damit ein paar Großkonzerne ganz großes Geld verdienen können. Über die Arten der „Erprobung“ an Frauen ohne Lobby (sprich armen schwarzen Frauen) informiert im Zweifelsfall auch feministische Reproduktionsmedizinkritik, zB in „Strange Fruit“ von Ingrid Strobl. Spätesten da wird frau klar, dass es hier nicht um weibliche Gesundheit ging.
Und außerdem: schöne Scheiße aber auch. Die haben nicht nur Sex, die reden auch über Armut und Gerechtigkeit. Dabei haben wir doch ein Monopol auf diese Themen….
„Was würden Sie lieber sagen?
Ich fänds schöner, wenn die Abtreibungsgegner sagen würden: "Hey, wie ist das denn mit diesem Sexspielzeug? Vielleicht könnte man Orgasmen haben, ohne schwanger zu werden." Das wäre doch Brücken bauend, oder?“
Und was ist, wenn ich aber Sex mit meinem Mann haben will statt mit dem Spielzeug? Was ist, wenn ich Sex mit Technik einfach nicht so schön finde wie Sex mit einem Menschen? Oder wenn ich gar besagtes Spielzeug am liebsten zu zweit einsetze?
Was ist, wenn es mir beim Sex um den anderen Menschen geht und nicht nur um genug mechanische Reibung? Was ist, wenn ich eigentlich Sex mit meinem Mann will?
Und überhaupt- verhindert Sexspielzeug Schwangerschaften? Kann ich zwar so aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, bin aber zu weiteren Versuchen bereit.
Und wenn da wieder Tiger bei raus kommen verklag' ich diejenigen auf Unterhalt, die so einen Ratschlag gegeben haben. Ts.
Manche Dinge ändern sich, andere nicht: brave Mädchen haben keinen Sex am Sex. Zumindest im Weltbild einiger Leute. Und DAS nenn’ ich dann mal echt konservativ!