Tiger Mom schlägt wieder zu
Amy Chuas neues Buch steht auf meiner Leseliste. Den erstens war ihr erstes Buch anders als die Kritiken suggerierten und zweitens: ich bin neugierig.
Der Vergleich mit Thilo Sarrazin wird gezogen. Soweit ich das bisher (ohne Lektüre immer Kaffeesatzleserei) ersehe, verzichtet Chua allerdings auf Expeditionen ins Land der Genetik, sondern beschränkt sich auf kulturelle Faktoren: anerzogene Leistungsbereitschaft, anerzogene Selbstdisziplin und die vermittelte Zugehörigkeit zu einer Gruppe- Mormonen sind beim besten Willen keine Ethnie.
Soweit, so politisch korrekt. Wenn man darauf verzichtet, alle Eigenschaften genetisch zu erklären, steht man eigentlich auf sicherem Boden. Oder hat sich das die letzten jahre geändert?
Das eine Umgebung, die Leistung einfordert, leistungsfördernd wirkt, ist auch so weit unbestritten.
Das sich ein Gruppen leicht für überlegen halten, ist auch bekannt. Gründe gibt es dafür viele:
- weil sie eine so großartige (Sub)Kultur haben
- weil sie die coolere Musik hören
- weil sie im Kleinstadtpromimagazin schon mal erwähnt worden sind
Sich irgendwie für besser zu halten, passiert leicht. Wenn leute das denken weil sie sich die "richtigen" Eltern ausgesucht haben, zeigen sie eminer meinung nach ja höchstens ihre Klatsche und auch andere "Leistungen" wie den Rekord im Bierschnelltrinken nötigen mir nicht zwangsläufig Bewunderung ab oder lösen akute Unterlegenheitsgefühle aus. Sollen sie in ihrer eigenen Welt ruhig die Oberhelden sein :-)
Haarig wird es, wenn man sagt "du kannst da nicht zugehören weil du falsch bist" und genau das scheint Prof. Chua nicht zu tun- sie betont immer wieder, jedes Kind könne so Klavier spielen wie ihre Tochter, wenn es nur ausreichend übt- es läge an den Eltern, die ihre Kinder zu schnell vom Haken lassen.
Wie gesagt, steht auf meiner Leseliste.
Ich hab irgendwo mal gelesen, jeder könne die Mondscheinsonate spielen, wenn er nur 30.000 Stunden üben würde - wie man überhaupt mit diesem Einsatz eigentlich jede Tätigkeit zu Meisterschaft bringen könne. Nur täte das eben kaum einer. (Ich übrigens auch nicht. Ich bin Universaldilettant.)
Aber daß es kaum einer tut, hat vielleicht auch damit zu tun, daß ein Minimum Freude an dem, was man tut, durchaus dazugehören sollte.
(Und manches kann man nicht stur erlernen, das ist und bleibt einfach Charisma.)
Erfolg=Übungszeit+Talent. Wenn das eine kleiner ausfällt, muß man beim anderen drauflegen.
Nun gibt es Dinge, bei denen man sagen kann "muß nicht"-Mondscheinsonate. Bei anderen heißt es "geht nicht anders, muß sein".
Ich komme aus einer lernfeindlichen Familie. Wenn was auf Anhieb nicht klappte, hieß es "du kannst das eben nicht". Vokabeln lernen war Zeitverschwendung, die kann man oder man kann sie nicht. Schularbeiten waren anguckbare Schreibarbeiten, Lernen ohne Papierberg war suspekt.
Da fält man dann auf der anderen Seite vom Pferd.
Der Weg liegt irgendwo dazwischen. Wenn man völlig talentfrei ist oder einfach die körperlichen Vorraussetzungen nicht erfüllt (zu klein für Basketball), dann ist das sinnfreie Schinderei.
Mutter Chua hatte mit Tochter Nr1 Glück- das Mädchen spielt gerne Klavier. Nr2 hatte mit der Geige nicht viel Spaß und rebellierte. Daß Mutter Chua aufgab weil ihre Tochter noch dickköpfiger ist als sie, wird bei all' den Rezensionen nicht diskutiert. Schade, denn als sie vor der Wahl stand, ihre Tochter zu vergraulen, entschied sie sich, und zwar richtig wie ich finde.
Was stimmt, ist, daß "ich kann das nicht" oft als Grund gilt, etwas nicht zu lernen. Lernen ist aber ungleich Können.
In einem Anfall von Tigermütterlichkeit verbot ich heute den Schneeausflug bis alle Hausaufgaben erledigt sind. Gejammer, Maulen und effektloser Wutanfall. Am Ende waren die Hausaufgaben erledigt und das Kind im Schnee. Na bitte, klappt doch :-)