Der Gläserne Schüler
"Das elektronische Klassenbuch ist Teil des Regierungsvorhabens, die Verwaltung der rund 700 Berliner Schulen zu modernisieren. Dazu gehört auch eine einheitliche Datei, die jede Schule mit Informationen über ihre Schüler füttern soll. Was manche Schulen bisher noch handschriftlich auf Karteikarten notierten - also Name und Geburtsdatum, aber auch Daten zum Migrationshintergrund und zur Lernmittelbefreiung -, sollen sie nun elektronisch speichern. Die Datei werde derzeit schrittweise aufgebaut, sagte Stoffers.

Bestimmte Schülerdaten sollen dann auch die Polizei, das Schulamt und die Senatsschulverwaltung einsehen können. "Der weitgehende Austausch zwischen Schule, Jugendamt, Polizei, Familiengerichten und Schulaufsicht muss systematisch ausgebaut werden", zitiert die Tageszeitung "Die Welt" Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). "

Quelle

Schule, Jugendamt, Polizei, Familiengerichte und Schulaufsicht sollen also Zugriff auf Name, Geburtsdatum, Migrationshintergrund, Lernmittelbefreiung (mit anderen Worten: ob die Familie HartzIV bezieht), Fehlstunden, Unterrichtsverlauf und vielleicht auch auf die Noten bekommen. Adresse und Namen der Eltern stehe da wahrscheinlich auch.

Wozu? Damit man Schwänzer den Schulen zuordnen kann. Dazu müssen die Polizisten wissen, wie der Schüler in Mathe steht oder ob der Vater aus Frankreich stammt?

Das ganze erinnert mich an ELENA


Wozu das?
Wenn der Große Tiger nicht pünktlich mit Unterrichtsbeginn in der Klasse sitzt, bekomme ich einen Anruf. Eine SMS an sich ist nicht viel was anderes, damit sollte man keine Probleme haben, das machen auch heute schon Schulen, ganz ohne Zentralregister.
Es gibt auch legale Gründe, nicht in der Schule zu sein. Die Abwesenheit alleine sagt erst mal nicht, ob der Schüler mit 40 Grad Fieber im Bett liegt oder "unentschuldigt dem Unterricht fernbleibt" wie es zumindest zu meiner Schulzeit offiziell hieß. Dazu muß man dann irgendwann aufhörem zu "simsen" und reden und dabei auch zuhören.

Nun ist aber nicht jedes Schwänzen der Beginn einer steilen kriminellen Karriere, die sofortige Aufmerksamkeit der Jugendgerichte benötigt, sondern bis zu einem gewissen Grad einfach erst mal normales Heranwachsendenverhalten. Ich hatte zwischendurch eine gute Anzahl Fehlzeiten, damit aber erst angefangen, als ich 18 war und meine Entschuldigungen selber schreiben konnte.
Eine Mitschülerin hatte beträchtliches Talent im Unterschriftenfälschen entwickelt, das ganze flog auf als sie im Einkaufszentrum die Rolltreppe runterkam und dummerweise Mutter und Lehrer sich am Fuß der Treppe miteinander unterhielten.
Ihre Mutter bekam zu Hause einen Wutanfall und zitterte dabei so sehr, daß sie ihren Kaffee verschüttete während sie sagte "ich kann übrigens selber schreiben", was Töchterchen mit "Im Moment aber nicht!" konterte. Beide mußten dadraufhin lachen und die sache war vom Tisch. Warum schwänzte das Mädchen? Weil sie
a) ein ganz normaler Teenager war
b) "de bello civile" schon durch hatte und ihre Lateinnoten top waren, sie sich den Lateinunterricht also schenken konnte wenn man es mal nüchtern betrachtet
Eine Karriere im Fälscherhandwerk hat sie nicht angetreten.

Ich denke sowieso, der Besuch einer Schule sollte freigestellt werden. Die allermeisten Schüler werden auch ohne Schulanwesenheitszwang zur Schule gehen. Solange in jährlichen/halbjährlichen Tests das staatlich gewährleistete Mindestniveau (als "ausreichend" auf der Hauptschule) erreicht wird, hat der Staat niemandem vorzuschreiben, wo und wie gelernt wird.
Zum Lernen kann man niemanden per Gesetz oder Verordnung zwingen und allein die körperliche Anwesenheit scheint mir nicht zwangsläufig zum Lernen zu führen.
Wenn man feststellt "du willst also nicht lernen. Das ist blöd für dich, wir hoffen, daß du deine Meinung in ein paar Jahren änderst. Wenn du das tust, dann komm' einfach wieder. Aber solange störe zumindest niemanden, der Lernen will, und halte dich woanders auf" könnte man das Problem einiger Schulen, in denen Unterricht nur noch unter erschwerten bedingungen möglich zu sein scheint, zumindest verkleinern. Schulen sind zum Lernen da, nicht als Aufbewahrungsanstalten für Leute, bei denen man Schiß hat, daß sie woanders Blödsinn anstellen.

Aber auch ohne grundsätzliche Zweifel am Sinn einer Schulanwesenheitspflicht gefällt mir die Idee, Menschen einer bestimmten Altersgruppe unter Generalverdacht und -Überwachung zu stellen, gar nicht.

Was tut man eigentlich mit Eltern, die wie ich ihr Handy fast nie anhaben oder keins haben? Ich habe seit 2 Monaten wieder eins und kann nicht behaupten, daß ich grad weiß, wo es ist und ob es grad überhaupt Strom hat.
Oder mit Eltern, die das zwar zur Kenntnis nehmen, aber unwillig sind, was zu ändern?

Wenn der Teenager morgens um halb 8 mit Rucksack und Frühstück loszieht, habe ich als Mutter nur begrenzte Kontrolle dadrüber, wohin er geht. An der Schultür abliefern werde ich keinen 16jährigen. Da ändert auch eine SMS nichts.