http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,809671,00.html
Wir haben vor nicht sooo langer Zeit in einem Viertel gewohnt, was durchaus seine Probleme hatte. Und dort wohnend kam unser Grosser Tiger ins Kindergarten-Alter, also maxchten wir uns auf die Suche. Der erste Weg führte zur KiTa in der Strasse.
Ich schaute mir die Kindergarten an. Ich hatte angerufen und nachgefragt, ob und wann ich vorbeikommen kann bzw ob es einen Info-Abend gibt. Ich solle einfach vormittags vorbeikommen, was ich tat.
Das erste, was ich sah, waren Kinder, die ankamen, ihre Schuhe auszopgen, ihre Jacken aufhängten und in den Waschraum abtapften, sich die Zähne putzen. Warum einzelne Kinder das nicht zu Hause gemacht haben leuchtete mir ein, aber alle? Das erschien so eingespielt, machten die das immer? Und wenn ja, warum? Ich fragte.
Ja, das machten sie hier so. "Unsere Eltern" putzen nämlich nicht alle zu Hause Zähne, da übernimmt das die KiTa. Ich fragte, was den mit Kindern sei, die zu Hause Zähne putzten. Die machen das auch, das wäre dann einfacher weil sich kein Kind beschwere weil es ja alle machten.
Nun hatte ich mich erst vor kurzen mit unserem Zahnarzt über Kinderzähneputzen unterhalten. Und der sagte, mehr als 2 Mal am Tag sei bestenfall unsinning, schlimmstenfalls schrubbt man sich damit den Schmelz von den Zähnen. Solange man eine Kinderzahnpasta verwende (hoher Flouridanteil) solle man das bitte auf 2 Mal am Tag, nämlich morgens und abends, beschränken. Und bitte zwischen Obst (saft) und Putzen eine halbe Stunde Zeit lassen, sonst reibt man die Säure in den Schmelz, was auch eine ungute Idee sei.
Da wir da schon mal dabei waren erklärte die Erzieherin, dass sie beim Ankommen die Zähne putzten, nach dem Frühstück (viele ihrer Kinder hätten auch nichts zu Hause gegessen), dann noch mal nach dem Mittagessen und vor dem Nachhausegehen.
Ich fragte, wie das denn mit dem Obst und der Säure sei- nicht so wichtig war die Antwort.
Ich fand langsam aber sicher, dass man den KiGa-Tag auch mit Zähneputzen ganz gut füllen könne.
Nächster Programmpunkt: die Gruppenräume. Mir stachen 2 PCs ins Auge. "ja, wir sind ein Mikrosoft-Schlaumäuse-Kindergarten!". Der Computer gehöre heute für die Kinder einfach dazu, die meisten hätten zu Hause auch eine eigene Playstation.
Was machten sie denn damit? "Oh, nicht viel, nur Formen und Farben und ein paar Konzentrationsübungen!"
Sprache sei bei ihnen ein zentrales Thema. Sprachvermittlung finde sowohl gezielt als auch in der Gruppe statt. Ich wies dadrauf hin, dass unser Kind recht gut spreche, und zwar deutsch, das sei also eher nicht so wichtig für uns. Das fand sie prima, solche Kinder hätten dann ja in der Gruppe eine ganz wichtige Vermittlerfunktion.
Der nächste Punkt war das Essen: da legten sie viel Wert auf gesunde Ernährung. Milchschnitte zB und Nutella-Brot dürfe man nicht mitgeben, oder Cola in Dosen. Und sie kochten hier nach islamischen Speisevorschriften. Da ging mir dann endgültig die Geduld aus, das war doch ein evangelisch-lutherischer Kindergarten! Ja, sie seien in Trägerschaft der örtlichen Gemeinde, aber da viele ihrer Kinder aus moslemischen Familien käme wolle man dadrauf besondere Rücksicht nehmen.
Wir haben dann den Tiger im katholischen Kindergarten angemeldet. Vielleicht elitär, aber irgendwie fanden wir die andere Alternative keine wirkliche. Und wir waren damit nicht alleine.
Ausschlaggebend war nicht das bessere Bildungsprogramm bei der Jungtruppe von
una sancta, der KiGa der Wahl erklärte damals noch rundraus, dass sie Lesenlernen im Kindergarten nicht machen würden, Kindergarten-Programm sei es, die Kinder sozial fit für die Schule zu machen und so selbständig, dass sie den Vormittag alleine ohne allzu grosse Katastrophen durchstünden- also alleine Schuhe anziehen etc können. Lesen&Schreibenlernen würden sie vorbereiten indem die Kinder lernten, wie man einen Stift festhält, wie man eine Bildermappe anlegt und so weiter. Punkt.
Es gab weder Wahlenglisch noch Yoga, sondern einfach nur Kindergarten: viel draussen sein, im Dreck wühlen, eine kleinen Garten mit versorgen, die Tiere des KiGa füttern... Und genau das hat uns überzeugt.
In der Kombination hätten wir wohl auch eher gesagt, nö danke. Schönes Beispiel, wie eine Einrichtung vor lautem guten Willen, alles richtig zu machen, zum No-go wird. Wenn alles andere gestimmt hätte, hätte man sich mit einzelnen Schwachpunkten in der Aufzählung vielleicht noch arrangieren können, aber wenn so gar nichts den eigenen Vorstellungen entgegenkommt - puh.
Bei unserer Kleinen war das mit dem Zähneputzen auch mal ein Thema, aber dann kam irgendwann ein neues Kind in die Gruppe, dessen Mami Zahnärztin ist, und die brachte den Laden dann mal auf den neuesten Stand. Die war übrigens aus dem Orient, und ich fand die Multikulti- und Sozial-Mischung in der Gruppe überhaupt ziemlich toll, da war von Deutsch über Türkisch, Persisch, Japanisch, Halbthailändisch, Bosnisch und Kanadisch alles mögliche dabei (und durchaus nicht nur upper class, sondern querbeet). Gewisse Sachen, die uns wichtig waren, konnte die Einrichtung zwar nicht leisten, aber das Standard-Programm und die Policies kamen unseren Vorstellungen schon recht nahe. Und nachdem wir dort nach etlichen Absagen andernorts für eine noch-nicht-ganz-2Jährige ohne Hassel einen Platz kriegten, war das schon wie ein 6er im Lotto.
Die getroffene Wahl scheint eine gute zu sein. Kein pseudopädagogisches rund-um-die-Uhr Korsett.