"Rom ist die wichtigste Stadt der Christenheit, denn dort liegt Jesus Christus begraben"
las vor vielen, vielen Jahren die Referentin von ihrem Blatt ab.
Und im Raum herrschte diese Stille, die man greifen kann. Die Professorin guckte geradeaus, die Hälfte der Teilnehmer waren Studenten der evangelischen Theologie und in deren Augen sah man einen kleinen Luther mit Hammer, Nagel und Thesenpapier ausziehen.
Ich schrieb meiner Nachbarin ein "WTF?" auf den Tisch, gefolgt von "wenn man ein Grab hätte, wäre Jesus im Verlauf des Mittelalters in 12345678987654321 Einzelreliquien zerlegt worden", was sie zu einem Kicheranfall brachte. Normalerweise hätte das einen strafenden Blick von der Prof zur Folge gehabt, aber die versuchte immer noch, einen Anfang zu finden, während die Referentin weiter über die Bedeutung Roms als Grabesort Jesu referierte.
Die Dozentin fing sich. "Die Kreuzigung fand in Jerusalem statt".
Referentin gab sich unbeirrt. Erstens sitzt der Papst in Rom, zweitens ist da ja auch das Grab Petri, drittens haben die Römer Jesus gekreuzigt und viertens wird der Kreuzweg im Kollosseum gebetet.
Die Pro holte weiter aus. Der Papst ist der Nachfolger Petri als Bischof von Rom. Die Referentin bestätigte dies, klarer Fall.
Aber Jesus ist in Jerusalem gekreuzigt worden.
Referentin starrte auf ihre Unterlagen. Und warum ist dann das Grab in Rom?
Dozentin fragte, wessen Grab. Na, das von Jesus. "Es gibt keine Grabstätte Jesu. In Jerusalem gibt es mehrere später erbaute Kirchen, die über dem Grab stehen sollen, aber nicht in Rom".
Wieso es denn kein Grab gäbe?
Professorin erklärte, daß Christen glauben, Jesus sei von den Toten auserstanden. Ungläubiges Gesicht der Studentin "Aber das gibt es doch gar nicht!"
Das ist der Grund, weshalb man Religionsunterricht an Schulen erteilen sollte.
Das ist der Grund, weshalb man Religionsunterricht an Schulen erteilen sollte.
In der Frage, ob dergleichen unbedingt zur Allgemeinbildung gehören sollte, komme ich ehrlich gesagt bislang zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die ganze Geschichte vom Lattenjupp ist zwar "nice to know", aber in Grunde wäre es mir lieber, die Verbreitung einschlägiger Mythen fände dort statt, wo sie hingehört, in Kirche und Gemeindesaal.
ich fand Kurvendiskussionen immer ziemlich sinnfrei, aber sie scheinen dazuzugehören.
Auch konnte ich für Nanomühs und wie der Winzkram in Physik hieß nie so recht eine Anwedung jenseits des Physikunterrichtes finden. Auch sich peripher im Unendlichen tangierende Linien sind eher zweckgefreit.
Trotzdem gehören sie dazu, zumindest wenn man via Gymnasium zu höheren Weihen strebt. Ansonsten reichen auch Lesen, Schreiben und die Grundrechenarten.
Duiese "Mythen" haben in den vergangenen grob 1500 Jahren ihre Spuren hinterlassen, sowohl in der Literatur (was soll der Faustkrams eigentlich?) als auch im Stadtbild, in der Kunst, in der Rechtsgeschichte, man kommt kaum dran vorbei.
Schon klar, ich plädiere ja auch nicht dafür, diese Mythen komplett aus jedwedem Unterricht draußenzuhalten. Aber ob das Fach Religion in seiner bisherigen Darreichungsform der richtige Ansatz ist, davon bin ich nach anderthalb Grundschuljahren des Töchterleins nicht mehr so klar überzeugt wie vorher.
In Bremen kommt Religionsunterricht weitgehend ohne Religion aus. Ich finde Fragen wie "was will ich werden wenn ich groß bin?" ja auch irgendwie wichtig, aber mit Religion (egal welcher) hat das nur sehr am Rande zu tun. Das überzeugt mich auch nicht.
Aber ganz weglassen oder durch so was wie Philosophie ersetzen ist auch keine Lösung.
Von Kurvendiskussion bis Physik...
Bitte hören sie auf jegliches technisches Gerät, das komplexer als ein Butterfass ist zu benutzen, also insbesondere kein Computer und Internet mehr.
(Auf die Idee, das irgendwer das ja alles können muss, damit sie den Luxus haben es benutzen zu dürfen, scheinen sie ja nicht zu kommen)
Ansonsten reichen auch Lesen, Schreiben und die Grundrechenarten.
Genau, ein bisschen Bibel noch dazu und wir leben wie die christlichen Taliban...
Meine Güte, das sind Abgründe.
Was ich sagen wollte:
wenn wir auf alles verzichten, was nicht ganz dringend nötig ist und eher unter "nett zu wissen" zählt, in der Schule verzichten, dann können wir nach 4 Schuljahren auch schlußmachen.
Und zur Allgemeinbildung gehört auch, was man an Ostern feiert. Ob Ihnen das paßt oder nicht ist mir relativ egal.
Sie haben geschrieben, das es sinnfrei sei.
Sie haben NICHT geschrieben, das es für IHREN persönlichen Lebensweg nicht nützlich war.
Schreiben sie, was sie meinen - denn andere gehen davon aus, das sie meinen, was sie schreiben.
die frage stellt sich allerdings, ob der religionsunterricht in der heutigen form gerechtfertigt ist, sofern er das überhaupt einmal war. glaube/religion und lesen/schreiben/rechnen in einen karton zu werfen und zu sagen: das muss jetzt so oder so rein in die kinder! erscheint mir ein sehr zweifelhafter zugang gerade zu dingen, die so viel mit glaube und glauben, mit den allereinfachsten regeln des miteinander zu tun haben.
vor allem aber: sie haben zweifellos völlig recht mit ihrer feststellung dass man vieles an geschichte, kunst, philosophie, krieg und weltgeschehen überhaupt ohne kenntnis der jeweiligen religion nicht begreifen kann, nicht einmal akzeptieren. aber trifft das denn nicht auch auf alle anderen grossen religionen zu? haben die nicht auch die geschichte der jeweiligen länder und völker ganz massgeblich beeinflusst - und tun es heute noch? wurde nicht immer die religion als ausrede/grund missbraucht für kriege, eroberungen, massenmord? wie kann man das verstehen ohne die religionen zu kennen? wie kann man die fatalistischen einstellungen mancher völker verstehen ohne den glauben an wiedergeburt? und wie sehr prägt ein solcher glaube das verhalten des menschen per se?
alle grossen religionen predigen nächstenliebe, anstand, achtung, ehre, egal in welcher form diese gebote nun weitergegeben wurden und werden.
müsste man - um der bildung und des verstehens der zusammenhänge willen - denn daher den kindern nicht ALLE religionen erklären und näherbringen, und mit ihnen darüber sprechen? haben wir wirklich das recht, unseren kindern unseren eigenen glauben als einzig wahren darzustellen und alle anderen glaubensrichtungen - nun, als was eigentlich? falsch, irregeleitet, zu ewiger verdammnis der gläubigen führend?
ich will hier beileibe nicht anklagen oder rügen, es sind dies fragen die mich schon sehr lange beschäftigen, gerade weil ich weiss wie eine einseitige (in meinem fall katholische) kindergarten- und volksschulerziehung zu ganz und gar falschen ergebnissen führt. natürlich hatte ich dann im erwachsenenalter gelegenheit genug, mich auch mit den anderen religionen zu beschäftigen, sowohl mit den "regeln" als auch mit den interpretationen, aber ich wünsche sehr es hätte mir früher jemand einige dinge erklärt.
eine sehr schwierige frage für mich, immer noch. deshalb: gottgläubig, keiner kirche steuerpflichtig (nach heinrich böll, ansichten eines clowns).
müsste man - um der bildung und des verstehens der zusammenhänge willen - denn daher den kindern nicht ALLE religionen erklären und näherbringen, und mit ihnen darüber sprechen?
Genau. In der Philologie nennt man das Komparatistik, und sowas in der Art bräuchte es in Religionskunde. Nicht Dogmen nachbeten und irgendwelche Mythen als Fakt verkaufen, sondern übergreifendes Verständnis fördern. So weiß hierzulande ja kaum ein Christ, dass auch die Muslime an eine Wiederkunft von Jesus glauben (obschon sie ihn nicht als Gottes Sohn sehen).
Alle Religionen zu behandeln, die es auf der Welt gibt, dürfte den Rahmen jeden Unterrichtes sprengen.
Erst mal soll Unterricht dazu befähigen, die eigene Umwelt zu begreifen. Hier ist das Christentum wesentlich prägender als der Shintoismus.
Ich hatte keinen Religionsunterricht in der 5. Klasse (ausgefallen zugunsten von Verkehrserziehung) und zwischen der 7. und 9. Klasse mit der Begründung, daß wir doch eh "alle" Konfirmandenunterricht hätten. Yupp, bis auf die Moslems, die Griechin, die genau 5 Katholiken und die paar Ungetauften und den Kollegen, der mittendrin beschloß, daß Konfirmation nichts für ihn sei, er steigt aus.
Dafür bekamen wir dann unter dem Label "Religion" Allgemeinblabla (alles von Gedichtinterpretation bis hin zur Mondlandung war Thema) ab Klasse 9 serviert. Was hatte das mit Religion zu tun?
Eben weil es bei Religion um mehr und individuelleres als die einfachsten Regeln des Miteinanders geht, ist es sinnvoll, ehrlich zu sagen, was man unterrichtet. Die allgemeinen Regeln des Miteinanders kann man ja in Sozialkunde vermitteln, wenn man denn denkt, daß dies staatlicherseits getan werden müßte.
Die Kirchensteuerpflicht ist eine sehr deutsche Angelegenheit, ein gewisser Kardinal Ratzinger schlug vor Jahren mal vor, daß ganze abzuschaffen und statt dessen nach italienischem Vorbild jeden zu verpflichten, einen Prozentsatz seines Einkommens an eine gemeinnützige Organisation seiner Wahl (also Tierheim, Frauenhaus, Theater oder eben auch Kirche) abzuführen.
Mark:
ist das in der Grundschule leistbar?
ist das in der Grundschule leistbar?
Nicht unbedingt in der Detailtiefe, aber ein paar Grundzüge und Unterschiede der abrahamitischen Buchreligionen hielte ich schon für vermittelbar. Umso mehr, wenn man
a) den allgemeinen und areligiösen Teil stark reduziert (also das "über Gefühle reden" und das Sozialkundezeugs)
b) die Kids nicht wochenlang mit allzuvielen Detail-Episoden à la "Jona und der Walfisch" traktiert.
Sondern es mehr so aufziehen an konkreten Fragen, Warum feiern wir Weihnachten und die anderen nicht? Da kann man dem in unserer Kultur prägenden Faktor Christentum gerecht werden ohne anderes komplett unter den Tisch fallen zu lassen.
Wir haben damals im Grundschulunterricht auch Islam und Judentum behandelt, gerade weil man sich ja auf gemeinsame Wurzeln beruft und sich im Zweifelsfall auf Walfisch&Co zusammen zurückziehen kann. Da wir muslimische Mitschüler hatten, war das irgendwie ziemlich easy, aber die fehlten im Reli-Unterricht grundsätzlich weil sie da muttersprachlichen Unterricht hatten.
Das ist mit Buddhimus&Co schwieriger sowohl auf der Mitschüler-Ebene als auch weil die Religionen doch recht unterschiedlich sind.
Damit sollte man vielleicht warten bis man ein paar Dinge etabliert hat, die vertrauter sind, also eher was für ältere Schüler.
nun, ich meinte nicht man solle auf alle religionen eingehend eingehen, aber ich meine, den kindern die grossen weltreligionen ein wenig zu erklären wäre nicht zu viel verlangt. gerade in schulen, in denen viele verschiedene kinder unterrichtet werden, könnte das vielleicht auch helfen spannungen und unverständnis zu vermeiden.
hier in österreich gibt es jetzt die diskussion ob man "religion" als freiwilliges fach nicht durch "ethik" als verpflichtendes fach ersetzen solle. ich halte das für einen durchaus soliden ansatz, ob dann das daraus wird was daraus werden soll bleibe dahingestellt.
persönlich wehre ich mich grundsätzlich dagegen, dass jemand mir sagt wie ich an gott zu glauben habe. ich denke, dass ein guter gott - und das ist allen grossen religionen gemein - durchaus imstande ist auseinanderzukennen ob ich mir meinen platz im himmel (und auch den haben alle, in irgendeiner form) erkauft habe durch scheinheiliges beten vor zeugen oder durch eine anständige lebensführung.
"gottgläubig, keiner kirche steuerpflichtig" - nun, das ist ein zitat, heinrich böll lässt das den clown recht am ende der geschichte sagen, ich weiss nicht ob sie das buch kennen, sonst würden sie verstehen was ich meine.
kirchensteuer haben wir in österreich übrigens auch. was man damit macht ist eine frage mit der ich mich gar nicht beschäftigen will, sonst wird mir, glaube ich, ziemlich übel. grundsätzlich aber: wenn jemand überzeugt davon ist dass eine kirche/religion/glaubensform die einzig richtige ist, und dieselbe gerne unterstützen will, dann soll er das tun. ich unterstütze auch eine menge menschen, und organisationen, aber die suche ich mir selber aus. den staat als helfershelfer für die einhebung von religionsabgaben zu missbrauchen erscheint mir sehr merkwürdig, ebenso wie die gedanken vieler: ich spend' eben was, dann bin ich ein guter mensch. das ist einfach der falsche zugang. glaube und religion müssen freiwillig und aus echter überzeugung heraus stattfinden, sonst haben sie für den menschen keinen wert, und können nicht die unterstützung bringen die sie eigentlich bringen sollten und auch können, wenn sie entsprechend ge- und erlebt werden.
andere kulturen haben andere religionen - irgendwann einmal, vielleicht, wird es dazu kommen dass sich die kulturen angleichen und dann auch die religionen sich einander wieder nähern - viele haben den gleichen ursprung, die gleichen wurzeln, und sind dann durch kulturelle oder wirtschaftliche ereignisse gespalten worden. sollten unsere kinder nicht auch das lernen: fanatismus ist immer und überall schlecht, ob in der politik oder im glauben?
Ich habe mit dem Konzept Ethik-Unterricht eher gemischte Erfahrungen gemacht. Ein Lehrer unterrichtete Biologie, die andere lies Gedichte über den Tod interpretieren, die dritte wollte eigentlich lieber Geschichte unterrichten. Nr 4 (chronologisch gesehen war er der erste) wollte "Islam" als Thema behandeln, es stellte sich aber raus, daß er den Koran nicht gelesen hatte und der Moslem im Kurs ihn wirklich dauernd verbessert hat (nein, der Koran schreibt nicht vor, daß eine Frau bei Geburt eines Sohnes ihren Namen ablegt und ähnliches).
das Thema wurde aber ganz schnell abgehakt und statt dessen "Jugendreligionen" behandelt. Okay, das, was in den 1970ern mal Jugendreligion war, keiner von uns wäre von alleine auf Hare Krishna gekommen oder dadrauf, daß das für Jugendliche attraktiv sein könne...
ich besuchte im Auftrag des Lehrers zu Referatszwecken die Baghwan-Kommune, deren Haus ich ohne diesen Auftrag wohl eher nicht betreten hätte. Es war auch jemand bei den Scientologen. Nurt in die Moschee durften wir nicht, das wollte unser Lehrer dann nicht verantworten :-)
Das war alles ziemlich planlos.
eben: die idee ist an sich begrüssenswert, was dann daraus gemacht wird ist ein anderes kapitel.
OK, ganz so wie in meiner Kommentarüberschrift war’s nicht. Dass aber Rom von den Christen im Römischen Reich tatsächlich als Fortsetzung Jerusalems, gewissermaßen als eine Art neuen Jerusalems, gesehen wurde, arbeitet ein Artikel zur Madonna di Foligno in der nächsten Ausgabe des Vatikan-Magazins schön heraus. Wenndes kannst, schau mal rein, ich finde ihn unterhaltsam und lehrreich.
:)
Genau dadrum sollte es in dem Referat gehen :-)
Es ging um die Frage, wie Rom an diese Stellung gekommen war, was es bedeutete, wie man auf Rom als letztes Weltreich kam etc.
Da nach dem letzten Weltreich erst die Ankunft des Antichristen und dann die Wiederkehr Christi ansteht und die Zeitgenossen feststellten, daß die weder Christus noch der Antichrist schon da waren, mußte Rom als Weltreich ja noch bestehen. Eigentlich ganz logisch.
Ich hatte das Referat über Gnosis und die Johannes-Offenbarung und damals war ich in Eschatologie viel firmer als ich es heute bin.
Ungläubiges Gesicht der Studentin "Aber das gibt es doch gar nicht!"
indeed ^^
Um in diesem Seminar zu sitzen, mußte man seine Zwischenprüfung abgelegt haben.
Man mußte einen Mittelalter-Proseminar hinter sich gebracht haben, sonst hatte man den Schein nicht, den man zur Anmeldung auf den Tisch legen mußte. Zusätzlich mußte man den Mittelalter-Teil der Prüfung geschafft haben.
Mit anderen Worten:
sie hatte es geschafft, sich völlig zum Deppen zu machen UND zu zeigen, daß sie bisher auch eher geschlafen hatte.
Das man uU frisch vom Abi unbeleckt ist Mittelalter-Grundkenntnissen ist- geschenkt, das bügeln die Dozenten aus bevor man die Studis den Prof zumutet.
Ein Freund von uns (der diese Geschichte liebt und heftig bedauert, dieses Seminar verpaßt zu haben) ist im Lehrbetrieb der Historiker gelandet und hat letztens versucht zu vermitteln, warum man im Mittelalter diese großen Kirchen gebaut hat. Auf den Bänken eher "was soll denn das? Wofür ist das gut?". Er "freut" sich schon auf den Tag, an dem er Gebetsverbrüderung erklären soll oder eine fromme Stiftung- er sagte, den Tag nimmt der statt Kaffee Whiskey mit in den Kurs, das erträgt er nicht nüchtern.