"Jordanische Logik"
Ich muß dieser Tage viel an das denken, was eine Studienfreundin nach ihrem Studienjahr in Jordanien erzählte. Wenn irgendwas in Jordanien schief geht, ist wer schuld? Der Nachbar Israel.
Israel kontrolliert in Jordanien so ziemlich alles- medizinische Versorgung, den Arbeitsmarkt, Studienplatzvergabe, sogar die Staatsangehörigkeit.

Jordanien hat den Flüchtlingen, die nach der Staatsgründung Israels in ihr Land kamen (das auch ziemlich frisch gegründet war, vorher stand das Gebiet genau wie "Palästina" unter britischer Verwaltung) immer noch keine Staatsbürgershcaft gewährt und diese Flüchtlinge der dritten bis vierten Generation leben bis heute größtenteils in Lagern. Warum? Weil Israel das so will.

Israel ist auch für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Wer eigentlich Jura studieren will, aber nur eine Studienzulassung für irgendwas religiöses bekommt, beschwere sich bitte auch bei den Israelis. Die machen auch die Steuern und sind wahrscheinlich auch für das Wetter und Pickel am A**** verantwortlich.

Wir mußten damals kräftig lachen über solche Sachen, was täte Jordanien eigentlich, wenn es Israel nicht gäbe?
Mittlerweile vergeht mir das Lachen dadrüber.

Der Süden Israels wird mit wechselnder Häufigkeit beschossen aus dem Gaza-Streifen, wer genau das macht, ist soweit ich weiß ungeklärt. Normalerweise würde man sagen "da hat doch die Autonomiebehörde, Abteilung Hamas, das Sagen. Sollen die mal dafür sorgen, daß das aufhört und zwar ganz fix". Aber man bedient sich lieber Jordanischer Logik: die Israelis sind schuld. Was sollen sie tun? Irgendwas zwischen stillhalten, verschwinden und ganz schnell in den Unterstand rennen wenn die Qassams angeflogen kommen.

Das erinnert mich an den saublöden Ratschlag unseres Schulrektors in der 8. Klasse als nach einem Streit eine Mitschülerin so heftig getreten worden war, daß sie das Steißbein gebrochen hatte: sie solle die "Nervensägen" doch einfach ignorieren, dann hören die schon irgendwann auf. Sicher, aber wie viele Knochen wird sie das kosten?
Oder an den Hundebesitzer, der seine Leine am Horizont wedelt und dabei schreibt "der tut nichts, der will nur spielen!". Ja, super, ich aber nicht.

Wer hat angefangen? frage ich immer wenn es in der Tigeretage Ärger gibt.
Und in diesem Fall muß man leider sagen: die Raketenabfeuerer. Wer an Frieden interessiert ist, sorgt dafür, daß diese Leute nicht mehr feuern.

Die Hamas stellt grade Bedingungen für einen "Waffenstillstand" (das heißt übersetzt so was wie "wir schießen, ihr aber nicht"). Äh, Moment: ich dachte, das mit den Raketen seit ihr gar nicht, ihr wißt auch nicht so genau, wer das ist. Aber offensichtlich wißt ihr ziemlich genau, unter welchen Bedingungen die Selberbau-Artilleristen aufhören. Aha.
Und dazu: ihr stellt also Bedingungen, unter denen Israel aufhören darf, euer Hauptquartier zu beschießen? Iron Dome scheint zwar unkosher teuer zu sein, aber wer hält das länger durch? Ich tippe auf Israel, denen gehen die Abwehrraketen oder die Geduld niocht so schnell aus.

Ich stelle einen schweren Fall von Jordanischer Logik bei der Hamas fest. Heilbar? Weiß ich nicht. Vielleicht wenn alle Israelis endlich so kooperativ sind, sich eigenständig im Meer zu ersäufen. Mal sehen, wer dann immer schuld ist.




conma am 19.Nov 12  |  Permalink
Wir können eigentlich froh sein, dass wir hier an einem sicheren Ort geboren wurden. Ich persönlich blicke in diesem Konflikt nicht durch. Wie immer trifft es die einfachen Leute am meisten und auf beiden Seiten gibt es Profiteure des Konflikts.
Aus meiner Sicht könnte Israel sicher durch Stopp des Siedlungsbaus zu einer Entschärfung beitragen.

cassandra_mmviii am 19.Nov 12  |  Permalink
Im Gaza-Streifen gibt es doch keine israelischen Siedlungen mehr und in der Westbank, wo es sie noch gibt, scheint das ja wesentlich problemloser zu klappen. Oder?

Da ist auf beiden Seiten viel Mist gelaufen, mit dem Panzer durch Wohnzimmer fahren erzeugt böses Blut, evenso in die Luft gesprengte Linienbusse, aber mit der Existenz Isreals wird sich die Hamas abfinden müssen. Niemand verlangt, daß sie zum Staatsgründungstag Blumen schicken, aber die "wir treiben sie ins Meer!"-Rhetorik geht auch nicht. Wenn man sich schon nicht mögen kann, kann man sich ja vielleicht ignorieren. So zum Anfang.

So ganz abgesehen davon haben wir Glück, daß wir in einem ziemlich friedlichen und sicheren Land leben. Ich göne jedem seine Meinugn (auch wenn ich ganz oft eine andere habe), aber der Gedanke, 15 Sekunden zu haben, um einen Unterstand aufzusuchen, ist für mich erschreckend jenseits von vorstellbar. Und das geht ja nicht erst seit gestern so, Südisrael hat da ja traurigerweise Übung.

conma am 19.Nov 12  |  Permalink
"So ganz abgesehen davon haben wir Glück, daß wir in einem ziemlich friedlichen und sicheren Land leben."
"Wenn man sich schon nicht mögen kann, kann man sich ja vielleicht ignorieren. So zum Anfang."

Genau meine Meinung.