Diabetologe
Gestern beim Diabtelogen gewesen. Er ist entzückt: die Insulintherapie ist ein voller Erfolg! Tolle Werte morgens!
Ich sage ihm, daß ich morgens aber gar nicht spritze seit vorletztem Wochenende. Er guckt ratlos auf den Zettel. Aber die Werte...
Ich erkläre, daß ich morgens kohlenhydratfrei frühstücke. Er guckt mich an. Was?
Ich frühstücke ohne Kohlenhydrate. War ich denn so schwer zu verstehen? habe ich aus Versehen Kurdisch gesprochen? Oder bin ins Lateinische gefallen?
Was denn das soll? Das geht doch nicht!
Ich erkläre: Heute morgen gab es eine Avocado, gestern einen Becher Hüttenkäse und ein Ei, vorgestern hatte ich Käse mit Tomaten und Gurken.
Ja... äh... warum denn? Ich deute auf die Berg-und-Talbahn vom vorletzten Wochenende. Was denn das Problem gewesen sei? Ich erkläre, daß ich mich grauenhaft gefühlt habe dabei.
Ja, aber am Ende habe ich das doch gut in den Griff gekriegt, die Werte am nächsten seien doch wieder toll gewesen. Am nächsten Tag habe ich auch kein Insulin mehr gespritzt am morgen.
Aber warum denn nicht? Um die Blutzuckerspitzen zu vermeiden. Aber die sind doch nicht schlimm, Unterzucker ist nicht gefährlich wenn man schnell etwas Apfelsaft trinkt.

Zusammenfassung: ich soll Insulin spritzen, um Kohlenhydrate zu essen. Und die Kohlenhydrate brauche ich, um das Insulin zu kontern.

Das kommt mir ein bißchen so vor wie damals, ich war 15 und hatte Blutdruckprobleme (wie fast alle Mädchen in meiner Klasse). Lösung der medizinischen Fraktion: ein Blutdruckhebermittel. Dumme Nebenwirkung: ich konnte nicht mehr schlafen wenn ich planmäßig die Tropfen drei mal am Tag nahm. Lösung: ein Schlafmittel! Leider war bekannt, daß es den Blutdruck senkte, da halfen wohl nur mehr Tropfen am Morgen.
Ich bin aus der erfolgreichen Junkie-Karriere nach ein oder zwei Wochen ausgestiegen und halt mit den Blutdruckproblemen zurechtgekommen.

Die große Frage des Diabetologen war, wieso ich denn keine Brötchen frühstücken wolle. Das versteht er nicht. Das kann ich ruhig machen. 2 Brötchen am Morgen, das wäre doch schön.

Gehen wir zum Mittagessen über...
wieso hier keine Kohlenhydrate stehen? Weil es Gemüsesuppe gab. Zweifelnder Blick. Und was gab es dazu? Ich sage Würstchen, aber die mag ich nicht zur Zeit. Also habe ich kein Würstchen gegessen.
So geht das aber nicht...


Durchatmen.
Ostern ist der Unfug vorbei.
Dann ist die Frage Insulin oder nicht wieder vom Tisch. Und keiner meint mehr, über mein Frühstück reden zu müssen.

Highlight: er wollte wissen, was denn bitte "Milchschaum" sei, das kenne er nicht. Was da drin sei. Milch. Und außerdem? Luft. Er fragt nochmal nach. Geschäumte Milch halt. Kennt er nicht.




kelef am 15.Nov 12  |  Permalink
die blutdruckprobleme löste unsere schulärztin damals mit dem ratschlag, wir sollten einfach einen ordentlichen (=starken) bohnenkaffee zum frühstück trinken, gerne eine grosse tasse voll, und dazu bitte nicht eine unmenge essen.

jause - wenn gewünscht - aber kein muss.

sie stand - wie unsere biologielehrerin - auf dem standpunkt, dass man erst einmal in sich selber reinhören solle und dann erst rundes in rosa schlucken. und wenn man ohne medizin auskommen kann, dann soll man das auch tun.

hat prima funktioniert. und wir haben alle - soweit ich das nachverfolgen kann - eine sehr vernünftige einstellung zu medikamenten.

cassandra_mmviii am 15.Nov 12  |  Permalink
Der Ratschlag eines Vaters (Notarzt) dessen Tocher ständig im Unterricht kollabierte, war, daß man sie einfach liegen lassen solle statt ständig die Kollegen zu rufen.
Und an sie, daß sie bitte frühstücken möge.

Ganz so dramatisch ging es bei mir nicht zu, aber da es im Krankenhaus auffiel, war die medizinische Fachfraktion sofort auf dem Plan.

Ich werde jetzt erst mal so lange so weitermachen wie es grad halbwegs klappt. In so 2 bis 4 Wochen kann es passieren, daß die Bauchspeicheldrüse streikt, aber das sehen wir dann und auch, wie wir weitermachen. Erstmal ist Einmischung eher ein Weg in Probleme.

Am Ende, und das gefiel dem Hrn Doc überhaupt nicht, trage ich die Verantwortung für das, was passiert.

maracaya am 15.Nov 12  |  Permalink
Manchmal fragt man sich wirklich, wo die Leute die fuer ihren Beruf noetige Bildung herhaben und unter welchem Stein die seitdem gelebt haben...

cassandra_mmviii am 15.Nov 12  |  Permalink
Das erklärt sich ein bißchen aus der Altersstruktur in seinem Wartezimmer: 2/3 waren mit Rollator da, ich senkte den Altersdurchschnitt unter's Rentenalter.

Die Alterskohorte ist erstens eher der Meinung, daß der Hr. Dr. schon recht habe und hat zweitens ein generationell anderes Eßverhalten und drittens kennen die härtere Lebensumstände, wenn man nach dem Essen noch Hunger hat, ist das halt so. Im Krieg und so... nu' ist immer noch Hunger grad weniger mein Problem als "was soll ich alles essen?", wechselnder Appetit läß sich schwer in ein Schema pressen.

Seine Regelpatientin freut sich wenn der HrDr ihr Brötchen "erlaubt" (er wollte mich zwischendrin auch "an die kurze Leine nehmen"- ja sindwa hier den bei 50 Shades???).
Das ich morgens keine Lust habe, auch noch Brötchen holen zu laufen, paßt nicht so recht in sein Weltbild wie es scheint.

Aber trotzdem: der Mann hat ja lt Türschild einen Schwerpunkt auf Gestationsdiabetes, wenn ich auch seiner Meinung nach keinen Gestationsdiabetes habe. Ich hatte das immer unter "solange du nicht spritzt heißt das Prädiabetes und ist halb so wild" gefaßt, aber er sagt, das sei so nicht. Wie es statt dessen sei sagt er aber lieber nicht.