Ich bin an die politisch korrekteste Schule gegangen, die man sich vorstellen kann.
Die Schüler-Cafeteria war nicht nur selbstorganisiert, sondern verkaufte ausschließlich ökologisch angebauten Kaffee einer Bauernkooperative aus Nicaragua, man bekam selbstverständlich schulfrei wenn man zur Anti-AKW-Demo gehen wollte, wir spendeten unser Nachtischobst für die Flüchtlingskinder in der Zietenkaserne und als es zwischendrin mal einen Bombenalarm gab, geriet die chronisch linke Schülerschaft sofort in den Fokus der Ermittlungen. Der Schülerrat hatte Vetorecht (nicht bei den Ermittlungen, sondern in allen Angelegenheiten, die die Schülerschaft betrafen), Rektor hatten wir keinen, sondern eine Kollektive Schulleitung.
Kurz: ein bestimmter Satz Eltern aus
Frankfurt hätte seine helle Freude an unserer Schule gehabt.
Mir haben meine letzten 3 Schuljahre in eben diesem Freiluftversuch neben einer Abneigung gegen das Wort "Mampfreaktor" (das anstelle von Mohrenkopf gebraucht werden sollte) eine halbwegs solide Bildung verpaßt, einen Satz Mitschüler, die ich bis heute schätze, und eine liebevolle Distanz zu den Eigenheiten, die wohl jede Schule bietet.
Manchmal schüttelte ich mein weises 18jähriges Haupt über Mitschüler, die aus einer ganz anderen Welt kamen als ich. Aus einer Welt, in der man unterhalb einer 3-Zimmer-Wohnung doch echt nicht wohnen könne als Student, die dachten, Amerikajahre würden schon vom Sozialamt bezahlt (und nicht begriffen, daß nicht alle Eltern, die sich kein Amerikajahrt für den Nachwuchs leisten konnte, Sozialhilfe empfingen), die Autos für selbstverständliche Geschenke zum 18. Geburtstag hielten und die Frage, was man denn zum Abi geschenkt bekomme, mit "ich fahre meine Gastfamilie wiedersehen" beantworteten. Ich bekam übrigens eine Topfblume.
Ich habe die Mathematik schätzen gelernt, die englische Sprache gehaßt (was sich aber zum Glück gegeben hat) und was noch? Alle drei Strophen des "Deutschlandliedes", die "Wacht am Rhein" und den Text des "Horst-Wessel-Liedes" kennengelernt. Ich kann sie sogar singen, obwohl ich mich selbstverständlich strikt an diesbezügliche Gesetze halte.
Nicht im Rahmen einer musischen Projektwoche, sondern im regulären Deutschunterricht. Das Thema war Nationalhymnen. Wir haben entdeckt, daß das Deutschlandlied doch echt harmlos sei, immerhin tränkt da nicht das unreine Blut der Feinde des Vaterlandes die heiligen Äcker desselben (
" Qu’un sang impur
Abreuve nos sillons!"- Frankreich und es gab auch keine Gefechtssilluminationen (
"And the rockets’ red glare / the bombs bursting in air"- USA), sondern nur Friede, Freude, Eierkuchen.
Und wenn uns als politisch oberkorrekten Zwölftklässlern (wir hätten ja immerhin noch die Erklärung jugendlicher Einfalt und Idealismus gehabt)das auffallen kann, dann... dann.. dann sollten ein Haufen Erwachsene auch merken können, daß das alles nicht so wild ist.
Und vor allen Dingen: was sind die Alternativen?
was singt man vor dem Fußballspiel (ich finde Fußball auch doof, aber trotzdem?). Mein anscheinend geschichtsrevisionistisch-faschistoider Deutschunterricht hat mir ein recht großes Repertoire an patriotischem Liedgut aus dem 19. Jahrhundert nahegebracht. Wenn der besorgte Vater eine Bürgerinitiative gründen will zwecks Neudichtung, melde ich mich freiwillig :-)