"Eine Geburt ist schließlich eine Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod."
Das klingt megadramatisch und wenn man genau da ist, denkt man über kluge Sätze eh nicht mehr nach, aber es stimmt.
Man hört auf zu Denken und tut. Manchmal tut man genau das Gegenteil von dem, was die Profis empfehlen- bei der Geburt der Tigerprinzessin wollte die Hebamme mich partout baden schicken, ich wollte aber auf keinen Fall ins Wasser. Was ich wollte war ein Espresso. Dieselbe Hebamme schmiß den Tigergatten zwischendrin raus, ich fand das eine dumme Idee, den brauche ich zum Festhalten wenn es weh tut, sie meinte, ich könne mich dann ja an ihr festhalten. Das nächste, was sie zu diesem Thema sagte war dann "Sie müssen mich loslassen, Sie tun mir weh" und es gab auf der Welt einerseits nichts, was mit egaler gewesen wäre (die Anzahl an interessanten Themna war grad übersichtlich), andererseits konnte ich sie noch fragen, ob ich ihr das nicht gleich gesagt hätte. Dann durfte er wiederkommen, war wohl sicherer für alle Beteiligten. Und ich bekam meinen Espresso, den ich aber leider nicht mehr trinken konnte.
Geburt kann eine fremdbestimmte Erfahrung sein. Das Krankenhaus war für mich immer nur Lösung C; A wäre zu Hause und B im Geburtshaus gewesen. Aber da bei der Geburt des Großen Tigers ja so ziemlich alles schief gegangen war, was schiefgehen kann, ohne daß es Tote gibt, lehnt mich jedes Geburtshaus dankend ab (am liebsten würden sie wahrscheinlich fragen, ob ich einen 2 km Sperradius um sie einhalten kann) und keine Hebamme würde eine Hausgeburt bei mir riskieren. Wobei ich immer noch denke, daß die beinahe lethale Verkettung unglücklicher Umstände nicht passiert wäre wenn zu Anfang ein paar Weichen anders gestellt worden wären, aber das ist Jammern über verschüttete Milch und Spekulation auf gehobenem Niveau.
Was war hinterher?
"Na, alles gutgegangen? Na prima" hörte ich oft. Nein, nicht alles gutgegangen. Wie... nicht alles gutgegangen? Was ist denn passiert? Kaiserschnitt? Ja, aber das haben doch viele, das machen die heute doch täglich, das ist doch heute alles kein Drama mehr.
Ja, vielleicht machen die Ärzte das täglich, aber ich lasse mir nicht täglich den Bauch aufschneiden und soll dabei auch noch zugucken.
Und dann die Erfahrung, sich selber beim Fast-Verbluten zuzugucken. Unschön. Aber: "ach, Kaiserschnitt ist doch nichts großes mehr", in den Raum geschwafelt von männlicher Verwandtschaft, die jede Menge Frauen kannte, die einen Kaiserschnitt hatten und das nicht schlimm fanden.
Schwägerin fand Kaiserschnitt sogar gut: "dann mußtest du nicth da rumliegen und aa-aaa-aaaaa *augenverdreh* schreien, das mache die Promis doch auch alle, das ist doch viel besser". Aha, danke für die Meinung.
Dieses Mal bekam ich die Wehen zu Hause, das erste Mal von alleine statt durch medizinische Maßnahmen seit dem Großen Tiger. Vielleicht weil das Trauma dieser Geburt mittlerweile nicht geheilt, aber zumindest vernünftig vernarbt ist.
Ich war alleine als es losging und blieb ruhig- ich bekomme nicht einfach so Wehen, die gehen schon wieder weg. Als sie im 7-Minuten-Takt kamen, wurde mir dann klar, daß wir hier ernst machen und rumdöddeln vorbei ist.
So, 1% der Frauen haben hinterher eine posttraumatische Belastungsstörung? Wundert mich nicht.
Aus völlig intakten Flugzeugen springen?
Mit einem Gummiband um die Füße von der Brücke runter?
Brauch ich nicht, ich weiß, daß meine Grenzen viel weiter draußen liegen als ich es je ausnutzen kann.
Wenn man also mal wieder über "Mamis" ablästert, dann sollte man sich überlegen, daß die Frau zwar Mama ist und es immer bleiben wird, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Herausforderung gestellt hat, die einem, nüchtern betrachtet, Angst machen muß.