Problemlösungen, die keine sind
Das Robert-Koch-Institut spricht von einem "einem unverändert hohem Niveau": Nach wie vor stecken sich jährlich Tausende Menschen in Deutschland mit dem HI-Virus an. 3400 waren es im Jahr 2012 den Schätzungen des Instituts zufolge. 3000 der Neuinfizierten sind Männer. Von diesen haben sich wiederum 2500 beim Sex mit anderen Männern angesteckt. Über heterosexuelle Kontakte infizierten sich etwa 630 Menschen. Hinzu kommen zirka 200 Drogensüchtige, die sich das Virus über geteilte Nadeln zuzogen

Ich lebe noch weil jemand bzw mehrere Menschen so nett war, einen Liter 0 negativ zu spenden. Ich bin dafür ausgesprochen dankbar und irgendwie endet jeder Missionsversuch der Zeugen Jehovas an dem Punkt wenn ich sage, ohne diese Spende wäre ich bei der Geburt des Großen Tigers verblutet und wenn mein Wandeln auf dieser schönen Erde nicht Gottes Plan sei, dann wäre ich nicht hier. Aber egal, grad nicht Thema.

Noch dankbarer bin ich, daß diese Blutkonserven mich nicht krank gemacht haben. Die Spender hatten kein HIV. Es gibt keine Heilmittel bei HIV. Vielleicht später mal, oder eine Impfung, aber noch nicht, noch bedeutet HIV den Tod.

Mich ereilte grad das hier:

Wir fordern daher, dass es, anders als in den Richtlinien zur Hämotherapie beschrieben, nicht von der sexuellen Orientierung abhängen darf, ob ein Spender infrage kommt, sondern vom individuellen Risikoverhalten. Die bestehende Regelung, wonach MSM grundsätzlich von einer lebensrettenden Blutspende ausgeschlossen werden, muss aufgehoben werden.


Sagt mal, habt ihr sie noch alle?

Wie wäre es damit, diese lobenswerte Energie da rein zu stecken, daß Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, nicht mehr die größte Gruppe von Neuinfektionen mit einer TÖDLICHEN KRANKHEIT stellen?

Ja, safer sex und so. Zählt aber für alle, die Pest kann man sich beim heterosexuellen Verkehr ja genau so fangen. Wieso schaffen es dann Heterosexuelle, nicht die größte Neuinfektionsgruppe zu stellen? Die machen wohl was anders, und zwar so, daß es ihr Infektionsrisiko senkt. Was auch immer das sein mag... ich weiß es nicht.

Nochmal:
3400 Neuinfektionen.
Davon 3000 Männer.
Von diesen hatten 2500 Verkehr mit Männern.

Da liegt das Problem. Nirgends anders! Und es wird auch nicht besser wenn man die Blutspenderegeln ändert! Das wird keinem die Infektion mit einer tödlichen Krankheit ersparen, steigert das Risiko aber für alle, die eine Blutspende erhalten.




borrachon am 25.Jun 14  |  Permalink
Naja ganz so einfach ist das auch wieder nicht. Denn erstens wird Spenderblut ohnehin standartisiert auf HIV, Hep B, Hep C, TPPA, Nopterin und anderes getestet, zweitens könnte man das Risiko ja duch HIV Tests vorab ausschließen und bräuchte nicht eine Spendergruppe an sich ausschließen. Und drittens suchen lt. Allensbach ja auch mehr als 20 % aller heterosexuellen Familienväter regelmäßig Prostituierte auf.

das mariechen am 26.Jun 14  |  Permalink
Wo kann man diese "Familienväter"-Umfrage von Allensbach mal nachlesen, bitte?

cassandra_mmviii am 26.Jun 14  |  Permalink
das mit der Biologie ist immer ein wenig komplizierter. Virentests funktionieren erst ab einer spezifischen Virendichte, Infektionen, die erst kurz zurückliegen, kann man somit nich nachweisen. Es bleibt also immer ein Restrisikio, weshlab ich mich 2 Monate nach der Transfusion habe testen lassen.

Das zählt auch für Tests am Spender vorab. Und es kann ja recht viel passieren zwischen Test und Spende, ein 2 Monate altes Attest hat kaum Aussagekraft über jetzt.

Und drittens schaffen es anscheinend Männer, die Sex mit wechselnden Frauen ahben und/oder Frauen, die Sex mit wechselnden männlichen Partnern haben, nicht einen erschlagend großen Teil der Neuinfektionen zu stellen, obwohl das für mich deutlich gefährlicher klingt.

Familienväter sind nicht die größte Neuinfiziertengruppe. Oder?

borrachon am 26.Jun 14  |  Permalink
Mal der Reihe nach....
1. marie: die Zahl stammt von dem Polizeipsychologen Adolf Gallwitz, der hat sie auf einer Konferenz in Berlin mit Quellenangabe Allensbach gebracht. Infos dazu hier: http://tinyurl.com/qy5cvrc
18 % sind im Schnitt regelmäßige Puff-Geher, dass verheiratete Männer hier überrepräsentiert sind liegt auf der Hand und wurde ebenfalls schon in mehreren Studien nachgewiesen.
2. cassandra: ich habe auch nicht behauptet, dass Familienväter per se potentiell gefährlichere Virusträger sind. Über Homosexuelle per se kann man das aber auch nicht sagen. Im übrigen gibt es Testmethoden wie den PCR-Test, die sehr schnell sehr valide Aussagen treffen können. Und testen müssen Sie heute ohnehin jedes Blut.

cassandra_mmviii am 26.Jun 14  |  Permalink
Ja, ich weiß, was eine PCR ist... der "PCR-Test" ist kein Test an sich, sondern eine Testmethode, bei der das Blut mittels PCR aufbereitet wird und dann getestet. PCR ist eine Polymerase Kettenreaktion. Damit testet man an sich nichts, sondern konzentriert das auf, was getestet werden soll.

Und ich weiß auch, daß man damit zwischen 10 und 14 Tagen bis zur Nachweisgrenze hat. Ob das schnell ist... es muß für's erste reichen weil es nichts schnelleres und zuverlässigeres gibt.
Aber das alles ändert nichts am Kernproblem: wieso legt sich der Verband nicht ins Zeug, damit diese Neuinfektionsraten runtergehen? Bin ich die einzige, die es seltsam findet, daß man sich mehr drüber aufregt, von der Blutspende ausgeschlossen zu sein als darüber, daß die Gruppe, für die man zu sprechen meint, sich mit einer tödlichen Krankheit ansteckt?

Lesbische Frauen sind übrigens nicht ausgeschlossen- nur mal für's Protokoll. Einfach weil sie das geringere Infektionsrisiko haben! Man schließt also nicht Homesexuelle aus, sondern Männer, die Sex mit Männern habe, was ja nicht immer nur aus Liebe&Zuneigung geschieht und manchmal trotz Liebe und Zuneigung unterbleibt, aber wie üblich bleiben wir hier bitte jugendfrei.

Und wieso liegt es "auf der Hand", daß verheiratete Männer in den Puff gehen? Ich dachte immer, das tun bevorzugt Herren, die keine abkriegen und deswegen zahlen müssen.

borrachon am 26.Jun 14  |  Permalink
Interessant - was Sie hier über Männer, die Sex mit Männer haben gilt für Männer, die Sex mit Frauen haben (und umgekehrt) aber genauso. Es liegt deshalb auf der Hand weil für verheiratete Männer halt One Night Stands wesentlich riskanter sind als für Singles oder unverheiratete. Es gibt eben Familie und gemeinsames Vermögen und so. Da ist der Puff eine sichere Alternative. Und das Publikum dort ist eine repräsentative Mischung der Gesamtbevölkerung, bei der - wie gesagt - Singles eher unterrepräsentiert sind. Wie heisst es so schön: in den Puff gehen Männer, die sonst keine Möglichkeit haben ihre Sexualität zu leben - zum Beispiel weil sie verheiratet sind ;-)

cassandra_mmviii am 26.Jun 14  |  Permalink
Aha.

Was Männer motiviert, Prostitution zu fördern, ist eine Frage, über die man sehr gelehrt forschen kann.

Meine Position:
Menschen sind keine Ware.
Frauen sind Menschen.
Also sind Frauen keine Ware.

Prostitution macht Menschen zur Ware.


Und immer noch erhellt sich für mich nicht, warum es fast schon zwangsläufig ist, warum verheiratete Männer zu Prostituierten gehen müssen.

borrachon am 26.Jun 14  |  Permalink
Was verstehen Sie unter "Prostitution fördern?" Bedeutet das diese zu "konsumieren"? Mit dem Thema "Ware" ist das so eine Sache. Jeder, der sich am Arbeitsmarkt in irgendeiner Form anbietet ist eine Ware, die einen gewissen Nutzwert hat
und irgendwann jenseits der 50 eben keinen Nutzwert mehr hat. Egal ob er oder sie im Supermarkt um 8 Euro die Stunde abkassiert und sich von jedem zweiten Kunden beflegeln lässt oder ob sie im Kaffeehaus bedient und sich von jedem zweiten Gast am Hintern greifen lassen muss. Da ist die Prostitution kein Sonderfall sondern eher der Normalfall in einer neoliberalen Gesellschaft. Also: nicht nur Prostitution macht Menschen zur Ware. Und was den zweiten Punkt betrifft: ich habe nie behauptet das verheiratete Männer wesentlich häufiger zu Prostituierten gehen als nicht verheiratete. Nur eben auch nicht seltener. Und ich wüsste beim besten Willen auch keinen Grund warum nicht.

cassandra_mmviii am 28.Jun 14  |  Permalink
Wenn Sie Prostitution für einfach nur einen ganz normalen Geschäftszweig halten, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Der Handel mit Menschen, besonders jungen Frauen, ist dermassen gut dokumentiert, daß man willentlich taubblind sein muß, um die "einfach nur ein Job"-Theorie zu vertreten.


Im Übrigen bleibt es dabei: verheiratete Männer stellen aus irgendeinem Grund nicht die größte Neuinfiziertengruppe mit einer unheilbaren, tödlichen Krankheit.

borrachon am 28.Jun 14  |  Permalink
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nur festgestellt dass Menschenhandel, Druck und Erniedrigung auch in anderen Sparten vorkommt. Leider - bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung - in letzter Zeit immer häufiger. Der Mensch wird immer mehr zur Ware über die sich willkürlich verfügen lässt. Dass es in der Prostitution besonders bedenkliche Entwicklungen gibt ist mir bekannt. Deshalb bin ich auch sehr skeptisch was eine weitere Liberalisierung betrifft. Trotzdem bleibt es dabei. Zuneigung und Liebe als Voraussetzung von sexuelle Beziehungen spielt eigentlich nur in unserem Kulturkreis und auch da erst seit relativ kurzer Zeit eine Rolle. Die direkte oder indirekte Gewährung von materiellen Vorteilen die die direkte oder indirekte Androhung von Gewalt ist da viel weiter verbreitet und älter. Ihren Schlußabsatz bestreite ich nicht und habe ich auch nie bestritten.

cassandra_mmviii am 28.Jun 14  |  Permalink
Kassierinnen werden eher selten mit dem Versprechen, hier Kindermädchen werden zu können, in Nigeria angeworben.

okavanga am 28.Jun 14  |  Permalink
Wenn ich mir ankuck wie oft mich verheiratete oder vergebene Typen anbaggern, und wie viele da fremdgehen (nein, ich arbeite nicht im Puff), dann möchte ich nicht wissen wie hoch die Anzahl derer ist, die eine Nummer sicherer gehen und sich im Bordell ihr Vergnügen holen. Ist halt so.

Ich halte einen Ausschluss aufgrund sexueller Orientierung für überaus veraltet. Nebenbei bemerkt: am Ende wäre es ein solcher, der das Leben eines anderen rettet. Verrückt. Oder vielleicht war der Ihre heimlich bisexuell. Gibt genügend die ihre Zuneigung zu Gleichgeschlechtlichen verheimlichen.

sid am 29.Jun 14  |  Permalink
@oka
Ist Dein Blog offline?

cassandra_mmviii am 29.Jun 14  |  Permalink
Bin ich wirklich die einzige, die die hohen Neuinfektionsraten für ein Problem hält? Eins, was völlig unabhängig von Blutspenden existiert?
Wenn die hohe Neuinfektionsrate nicht wäre, würde die Einschränkung in der Tat keinen Sinn machen. Aber sie ist da!

Also: Problem lösen, nicht es verdecken.

borrachon am 29.Jun 14  |  Permalink
Die Zahl jener, die durch infizierte Blutkonserven angesteckt werden ist -gottseidank - seit Jahren bei 0. Problem lösen ist sicherlich eine gute Idee, die Frage ist nur wie? D.h. was konkret hätte man tun können um die 3.400 Menschen vor einer Ansteckung, die ja inzwischen zum Glück kein Todesurteil mehr ist, zu schützen?

zwetschgenkrampus am 30.Jun 14  |  Permalink
ad borrachon: "was konkret hätte man tun können um die 3.400 Menschen vor einer Ansteckung, die ja inzwischen zum Glück kein Todesurteil mehr ist, zu schützen?"

Typische Formulierung des Bürgers eines fortgeschrittenen Sozialstaats des 21. Jahrhunderts.

Wie schon aus dem Schlagabtausch zum Thema Statistik weiter oben hervorgeht, hätte ein nicht unerheblicher Teil der Neuinfizierten (ein blöder Laie hätte gesagt: zwei Drittel) bei eigenverantwortlichem Handeln ("Enthaltsamkeit" oder "Treue" sind ja sowas von vorgestrigen Vokabeln) ihr Infektionsrisiko ins Überschaubare drücken können.

Und was den Anlass zu diesem Posting Cassandras angeht: So lange die europäischen Gesundheits- und Sozialsysteme nicht über Goldesel verfügen, sind unnötige Ausgaben zu vermeiden. Wenn man statistische Risikogruppen zum Blutspenden zulässt, steigen unvermeidlich auch die Kosten für die Blutsicherheits-Vorsorge, damit ja niemandem etwas passieren soll ... Traurigerweise gibt es eine Grenze dessen, was an Infektione nachweisbar ist, und Mediziner sind die ersten die das zugeben. Blutspenden ist nicht Selbstverwirklichung. Helfen wollen ist nicht immer gleich effektive Hilfe (siehe auch das traurige Beispiel "Entwicklungshilfe"). Mancher Hilfswillige muss sich damit abfinden, dass er anderen am meisten hilft, indem er - nichts tut (z.B. ein unmusikalischer Mensch - sein Erfolg als Chorleiter wird überschaubar sein).

cassandra_mmviii am 30.Jun 14  |  Permalink
"D.h. was konkret hätte man tun können um die 3.400 Menschen vor einer Ansteckung, die ja inzwischen zum Glück kein Todesurteil mehr ist, zu schützen?"

AIDS ist ein Todesurteil. Immer noch. Nur dauert es bis zur Exekution ein paar Jahre bis Kahrzehnte. Aber sterben tut man dran wenn einem nicht vorher was anderes tötliches passiert.

Wie steckt man sich mit AIDS an? Unterricht 9. Klasse oder so was.


In Ländern, wo man für Hygiene extra zahlen muß (und schon der Arztbesuch aus eigener Tasche gezahlt wird), zahlt man für die Verwendung steriler Handschuhe extra. Zahlt man nicht, schützt der Arzt sich indem er Handschuhe wiederverwendet.
Das zählt auch für Kondome in besagten Ländern, die werden auch gerne wiederverwendet, oft nachdem man sie ordentlich durchgeschrubbt hat. Was gegen Durchfall hilft, kann ja bei anderen Krankheiten nicht schlecht sein...

Das ist hier anders.

Die erste Frage nach den Ursachen ist: wie kommen die Leute zu dem Virus?
Vor ein paar Jahren hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einen ihrer Böcke geschossen: da gab es ein Heftlein, wie man denn mit der Diagnose AIDS umgehen könne und zu Wort kam einer, der sagte "als ich das erfahren habe, habe ich erst mal ungeschützt Verkehr gehabt". Solange man dann dazu schreibt "Hallo? Erde an Idioten: so nicht!" kann das noch gehen, aber wennd as als einfach nur ein Weg, AIDS zu verarbeiten, dargestellt wird, ist das hirnzerreizender Unfug.
Wer so was tut, der spendet auch Blut.

Mit AIDS kann man hier leben. Es gibt Medikamente, mit denen das lange gutgeht (und jetzt würde ich ja wieder auf die Länder, in denen das anders ist, hinweisen, aber das wäre dann mal wieder übel neokolonialistisch/-liberal oder so was).
Und weil man mit AIDS vergleichsweise gut leben kann, scheint das Problembewußtsein recht niedrig. Und da könnte man als Interessenvertretung doch ansetzen, oder?!

Ich will niemandem was unterstellen oder Praktik X herunterziehen, aber: könnten die hohen Raten was mit dem Ausschalten von Hirn beim Sex zu tun haben?

Ich hätte Drogensüchtige für die viel gefährdetere Gruppe gehalten- wer Drogen nimmt, hat mit der Geplantheit, der Risikoabschätzung etc Probleme und das Selbstzerstörungsargument wird auch nicht so recht greifen, sonst spritzte man sich ja kein Gift.. wieso schaffen sogar die es, weniger risikoreich zu leben?
Und wieso regt sich keiner dadrüber auf, wenn Drogensüchtige, frisch Tätowierte oder Leute mit einem Ohrlochstechen vor 2 Wochen ausgeschlossen sind, ebenso Menschen, die in Südafrika Urlaub gemacht haben?


Treue, der Zwetschgenkrampus sagte es. Dann verbreite ich das Virus nur auf eine andere Person weiter und dann hätten wir das verflixte Problem so nicht!

Wieso ist die AIDS-Rate in Südamerika mit seinen bekannten Armutsproblemen so viel niedriger als in Afrika? Wieso trifft es in Afrika bestimmte Regionen? Kalliopevorleserin hatte dazu vor einiger zeit was interesantes gefunden:
http://kalliopevorleserin.wordpress.com/2012/07/24/religion-seuche-und-statistik/
und
http://kalliopevorleserin.files.wordpress.com/2012/07/katholizismus-und-hiv.pdf


Das Risiko durch Blutkonserven ist mittlerweile gering. Das ist schön- und kann auch so bleiben.
Es gibt Gründe, weshalb der residente Biologe bei einer OP als es um eventuell notwendige Transfusionen ging, mich als Lebendspenderin angab: die Grenzen des Machbaren. Schwer zu glauben, aber wir können nicht alles durch Technik lösen.

borrachon am 30.Jun 14  |  Permalink
Zwetschgenkrampus: das mit dem "eigenverantwortlichen Handeln" trifft auf Herzkrankheiten (Stichwort Rauchen und Übergewicht) genau so zu, denke ich. Und an denen sterben in Deutschland wesentlich mehr Menschen. Warum die Kosten für die Blutsicherheits-Vorsorge steigen sollten, wenn man sogenannte "Risikogruppen" zulässt ist mir nicht ganz klar. Denn zur Kontaminierung von Blutplasma reicht ja schon ein positiver Spender und der kann auch aus einer völlig unverdächtigen Gruppe kommen. Es muss also so und so alles getestet werden egal ob aus sogenannten Risikogruppen oder nicht.
Gegenseitige lebenslange Treue als Vorsorge gegen HIV (wie auch gegen andere Geschlechtskrankheiten) ist sicher ein gutes uns sicheres MIttel. Darauf allerdings ein bundesweites Vorsorgeprogramm aufbauen zu wollen, scheint mit - Verzeihung - doch etwas naiv.
Cassandra: danke für den LInk mit den Zahlen. Afrika ist wirklich ein eigenes Kapitel. Dort gibt es die meisten Übertragungen im heterosexuellen Verkehr und die meisten Infizierten sind Frauen (und leider auch viele Kinder bei Geburt).

cassandra_mmviii am 30.Jun 14  |  Permalink
"Gegenseitige lebenslange Treue als Vorsorge gegen HIV (wie auch gegen andere Geschlechtskrankheiten) ist sicher ein gutes uns sicheres MIttel. Darauf allerdings ein bundesweites Vorsorgeprogramm aufbauen zu wollen, scheint mit - Verzeihung - doch etwas naiv."

Aha. Ich hielt mich ja immer für eine Pessimistin, aber selbst ich hielt es für menschenmöglich, selbstgefährdendes Verhalten zu ändern. Denn irgendwas läuft ja wohl bei Männern, die mit Männern undsoweiter anders, und zwar so, daß es zu einer tödlichen Krankheit führt. Könnte die Antwort "Darkroom", "barebacking" und ähnliches sein?

borrachon am 30.Jun 14  |  Permalink
Die Zahl ist sicherlich richtig, sie gibt nur keinen Hinweis auf das DERZEITIGE Risiko nach einer Infektion zu sterben. Personen, die sich nach 2008 mit HiV angesteckt haben, haben eine bessere Chance 5 Jahre zu überleben als Personen, die sich im selben Zeitraum mit Influenza angesteckt haben.

zwetschgenkrampus am 30.Jun 14  |  Permalink
ad borrachon:

"Warum die Kosten für die Blutsicherheits-Vorsorge steigen sollten, wenn man sogenannte "Risikogruppen" zulässt ist mir nicht ganz klar." - Hmja, ist nicht so ohne weiteres ersichtlich, gebe ich zu, aber in einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft wie der unseren leider unvermeidlich. Also: Zum medizinisch bedingten Zusatzaufwand für Untersuchungen usw. kommt natürlich auch die steigende Prämie für die Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung; diese Institute agieren, anders als unsere politischen und gesellschaftlichen Institutionen, nicht ausschließlich auf Zuruf medial vernetzter Gruppen, sondern auch aufgrund mathematischer Argumente: das versicherte Risiko steigt; ergo steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schade (ja, der Schade: O-Ton österr. ABGB von 1811) eintritt; ergo muss die Versicherung Vorsorge treffen, Rückstellungen bilden usw. Das kann sie nur, indem sie die Prämie anhebt. Da die Risikogemeinschaft der Versicherten bei Blutbanken usw. nicht SO groß ist wie z.B. bei Kfz-Schäden, werden die Prämien der einzelnen Versicherten m.E. also recht geschmalzen sein. Weiters muss die einzelne Blutbank, falls ihr das möglich ist, auch selbst Vorsorge treffen - wir leben in einer Gesellschaft, die sich das Wort "Vollkasko-Mentalität" nicht nur zu Herzen genommen, sonder auch gleich eintätowieren lassen hat. In dem traurigen Falle, dass es zu einer Ansteckung aufgrund Blutkonserven kommt (wie gesagt, es gibt eine naturwissenschaftliche Nachweisgrenze - ein kleines Zeit- und Infektionsfenster bleibt immer offen; das sage nicht ich, das sagen Mediziner) wird der Betreffende natürlich einen Rechtsstreit einleiten; nur die Versicherung, man habe alles menschenmögliche getan, wird jemanden, der soeben von seiner HIV-Infektion erfahren hat, sicher nicht beruhigen. Prozesse aber, das ist allgemein bekannt, kosten Geld. Dazu die Kosten einer "medialen Schadensbegrenzung" (Motto: Retten, was noch zu retten ist). Im Vergleich dazu wahrscheinlich geringer dürften die Aufwendungen der Blutbanken für eine professionelle PR-Arbeit unabhängig von allfälligen Vorfällen sein (ohne die ja heute nichts mehr geht), inklusive die Auftritte der Institutionen in social media (bin das nur ich, oder klingt das verdächtig ähnlich den 'social diseases', einem engl. Euphemismus für Geschlechtskrankheiten?).

Ende dieser Wortmeldung.

"Don't take life so seriously. You won't get out of it alive."

cassandra_mmviii am 30.Jun 14  |  Permalink
Gemäß dem Verursacherprinzip trüge im Fall einer Infizierung durch Blutkonserven die entsprechende Institution alle entstehenden Kosten, was recht happing werden kann, wo wir dann wieder beim geld sind: der Grund, weshalb man heute in Westeuropa mit dem HI-Virus recht gut leben kann, ist die hohe medizinische Versorgung, die wir allerdings nicht aus eigener Tasche zahlen müssen.

Woanders ist es anders, was dann wiederum erklärt, warum AIDS woanders so viel schneller so viel tödlicher verläuft. Aber man täusche sich bitte nicht: auch wenn zwischen "Sie haben HIV" und dem akutem Sterben lange liegen kann, so lange, daß es nicht mehr bedrohlich wirklt, wie borrachons Insistieren auf "dadran stirbt man nicht" sehr hübsch illustriert.

Influenza überlebt man. Wenn man Fieber etc überstanden hat, dann wird man wieder gesund und hat (Bio für Anfänger) Immunität gegen den entsprechenden Virus und enge Verwandte entwickelt.
AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome- Erworbenes Immundefizit Syndrom) nicht. AIDS wird vom HI-Virus (Human Immunodeficiency Virus) verursacht. Dieses Virus zerstört das körpereigene Abwehrsystem, also das, was dafür sorgt, daß man wieder gesund wird.
Strikt genommen stirbt man nicht an AIDS, sondern an irgendeinem Pieselvirus, dem der Körper nichts mehr entgegenzusetzen hat weil das Immunsystem aufgrund des HI-Virus nicht mehr funktioniert.

Man hat "nur" eine Latenzphase, den für Menschen schwer zu fassen ist. Damit ist der Zusammenhang wohl zu schwer zu fassen.

borrachon am 30.Jun 14  |  Permalink
Nur um das ein wenig zurecht zu rücken. Ich hab nicht behauptet, dass man an einer HIV Infektion nicht sterben kann. Ich hab nur behauptet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass z.B. ein 50 jähriger, der sich heute mit HIV ansteckt die nächsten 5 Jahre überlebt größer ist als wenn er sich mit Influenza ansteckt. Wenn Sie das wiederlegen können feel free to do it.

okavanga am 01.Jul 14  |  Permalink
@sid: ja, hat Gründe und dauert auch noch ein bisschen.

Ansonsten geh ich hier jetzt wieder. Not my world.

cassandra_mmviii am 01.Jul 14  |  Permalink
Man kannnicht an einer HIV-Infektion sterben, man wird es- solange einen nicht vorher ein Auto überfährt oder ähnliches.
Das ist kacke, und zwar so richtig.

Wie viele Menschen haben jedes Jahr irgendeine Grippe?
Wie viele sterben dran?
Und wie viele waren, abgesehen von der Grippe, gesund vorher?
Eie viele Leute überleben jedes Jahr die Grippe?
Grippespät- und Folgeschäden?

Sie wußten, daß ich mit einem Biologen verheiratet bin? Und so wie der mittlerweile meinen Kram auseinanderhalten kann, weiß ich, wie man eine PCR macht(zumindest theoretisch), was aDNA ist, was sich hinter mDNA verbirgt usw.
Ging so weit, daß eine Bekannte von früher völlig begesitert erzählte, was sie tut und nach 20 Minuten fiel ihr ein "Äh, ich hatte grad vergessen, daß du keine Biologin bis... sorry, verstehst du eigentlich, was ich sage?"- Ja, zumindest so weit, daß ich mich a) mitfreuen kann und b) Zwischenfragen stellen. Reicht doch :-)

borrachon am 01.Jul 14  |  Permalink
Die Influenza Pandemie 2009 hatte eine Letalität von ca. 1 % - also etwa 40 Todesfälle bei 4.000 Erkrankungen. An AIDS sind hier in Ö auch ca. 40 Personen gestorben - allerdings in den letzten 5 Jahren zusammen - bei geschätzt 15.000 Infizierten. Das sagt allerdings nicht über die gesamte Sterblichkeit über einen längeren Zeitraum aus - wie Sie richtig erwähnen. Aber nun genug von Infektionskrankheiten. Eine gute Bekannte von mir ist kürzlich an Mononukleose erkrankt - bedeutet in diesem Fall Ende der Karriere - bedeutet in diesem Fall Zusammenbruch der Welt. Und das ganz plötzlich - sehr traurig!