Realitäten
Lebenswelten sind subjektiv. Für diese Erkenntnis sollte ich den extra für mich geschaffenen Logiknobelpreis bekommen oder aber ein eigenes Uni-Institut, oder?

Dem einen sind die kurdischen Berge näher als die KiTa 2 Straßen weiter, der andere trifft nie Leute mit kreativen Identitäts- oder Gendervorstellungen. Man trifft nach Umzug und damit Bezugsfeldwechsel vermehrt andere Eltern und die sind erschreckend oft heterosexuell, gar verheiratet und im übelsten Extremfall hat sogar einer den Nachnamen gewechselt und nun steht nur ein Name an der Klingel. Gar schockierend Zuständ :-)

Den ersten Umfeldwechsel macht man, wenn der Nachwuchs kommt. Plötzlich ist alles anders und man sieht sich in ener neuen Welt wieder. Manche Beziehung hält, andere nicht.
Wir waren die ersten, die von "Paar" auf "Familie" upgradeten.
Daß die Geburt nicht nur bedeutete, das ich wieder dünner wurde, fiel so manchen schwer zu begreifen. Mit Mini-Baby geht noch vieles, es kommt einfach mit im Tragetuch oder Wagen, aber nun mal nicht mehr alles.
Kumpel wohnte fast nebenan und schaute zwischendrin fast abendlich vorbei, um Tigergatten zu fragen, ob er nicht mit in die Kneipe kommen mag, Tigergatte stand um die 12 Stunden im Labor. Wenn er nach Hause kam, war er oppe wie nur was und nicht geneigt, noch größere Kneipenzüge zu unternehmen. Dazu kam, daß durch den Wegfall meines Verdienstes die Kohle für's Rumsumpfen nicht mehr so dicke war. Und dazu kam dann noch, daß wir auch mal Zeit zusammen wollten Und ganz am Ende stand dann da noch ich, die nach Babybespaßung gerne mal mit einem Erwachsenen reden wollte. Ich könne ja gerne mitkommen. Äh, ja, wenn wir meine, daß einer beim Baby bleiben müsse, dann sei das natürlich unsere Entscheidung, das müßten wir wissen, aber er würde da nicht so sehen.
Vielleicht ganz gut, daß er sich unseres Wissens bis heute nicht reproduziert hat...

Man lebt plötzlich anders. Bis mitten in der Nacht aufbleiben wenn der nächste Tag regulär arbeitsfrei ist? Baby ist das egal, Baby wacht auch sonntags um 7 auf.
Babywill was zu essen haben, egal ob einem grad nach Kochen ist oder nicht.

Solange Baby mit einer Decke in der Ecke zufrieden war, klappte das noch halbwegs. Aber als Baby dann Kleinkind wurde und man am Nachmittag auf dem Spielplatz saß..,. "ja, wenn du das spannend findest"...

Dann jemand anderes, der nicht verstand, wieso es nicht egal ist, ob er vormittags oder nachmittags vorbeischaut. Kind störe ihn nicht- ja, aber vielleicht habe ich keine Zeit zum Kaffee trinken wenn Kind da ist.

Die äußerst amüsanten Vorschläge, ich könne ja mit einem knapp 3-jährigen einen Berg im Harz zu Trainingszwecken hochrennen (nein, nicht wandern war der Plan, sondern auf Zeit rennen), das ich schwanger sei mache doch nichts.

Wenn man dann noch umzieht und somit sein Bezugfeld wechselt, dann lockern sich Bindungen noch weiter. Dafür knüpft man neue am neuen Ort. Nur lernt man da bevorzugt andere "langweilige" Leute kennen wie Nachbars, die heute mitgegrillt haben.

Manchmal trifft man Leute wieder, die man früher kannte. Die haben dann meist den selben "Initiationsritus" hinter sich, auch 3/4 ihres Umfeldes verloren und sich neu aufgebaut. Das ist schön, denn manchmal merkt man, wie sehr man den anderen vermisst hat. Cool ist es, wenn man denn wirklich mal wieder ein Wochenende zusammen verbringt, die Monsterchen verstehen sich zum Glück mit den Tigern.


Was mich in der Retrospektive am meisten anpißt ist, daß da nicht nur mein Leben völlig ignoriert wurde, sondern auch daß da ein Kind war, wurde ignoriert. Daß ein Kind Ansprüche hat und daß es Platz und Zeit braucht, daß dessen Bedürfnisse nicht die eines Erwachsenen sind. das ist besonders seltsam wenn man doch sonst immer alles und jeden anerkennen muß.

Wenn Sätze wie "dieser Kindergartenthematik ist weiter von mir weg als die kurdischen Berge" kommen, dann löst das in mir grad nur noch ein "und was verdammt noch mal gibt dir das Recht, meine Realität herabzusetzen?" aus.

Wenn ich "gebeten" werden doch mal was über schwule Bekannte zu bloggen weil ich sonst so homophob rüberkomme, dann frage ich mich, wo ich die hernehmen soll. Aus dem Sandkasten im Kindergarten? Oder vom Elternabend mitbringen?
In politisch hippen Kreisen mag man es sich kaum vorstellen können, daß man nicht an jeder Ecke eine/einen "Transe" trifft.

Und so lebt denn jeder in seiner kleinen Westentasche der Realität vor sich hin. Der eine kommt aus seinem Politquark nicht raus, der andere nicht aus dem Vordergarten.




admiral am 22.Mär 14  |  Permalink
Geht der letzte Satz noch weiter? :-)

arboretum am 22.Mär 14  |  Permalink
.... 12 Stunden im Labor.

cassandra_mmviii am 22.Mär 14  |  Permalink
Yupp, der war im Labor.

arboretum am 22.Mär 14  |  Permalink
Für die Leser setzen Sie wohl den Logi-Knobelpreis aus, wie der Text weitergeht. ;-)

cassandra_mmviii am 22.Mär 14  |  Permalink
äh ja. Aber nu' ist er weg. Wieso ist der weg? Eben war da noch mehr!

Okay, dann eben "V2"- Rekonstruktion aus dem Gedächtnis. Aber est nach dem Fmilienideoprogramm "Th,
e Clone Wars"

Könnte es daran gelegen haben, daß ich ein Kleinkind auf dem Schoß hatte beim Sende, welches die Tastatur total cool findet?

admiral am 22.Mär 14  |  Permalink
Ich wollte schon den Vorschlag machen, daß wir eine Fortsetzungsgeschichte raus machen könnten.....

admiral am 22.Mär 14  |  Permalink
Die Fortsetzung war ja spannend. Du kennst ja interessante Typen. Ich hab glücklicherweise nie jemand kennengelernt, das mir vorschlug die Jungs allein im Haus zu lassen......

Blogge ruhig weiter über Familienthemen. Für alles andere gibt es andere Spartenblogs, sollen die machen.

cassandra_mmviii am 22.Mär 14  |  Permalink
Ich lasse die grundsätzlich machen- aufhalten kann ich sie eh nicht :-)

Tiger guckem Clone Wars. Grillfleischgesättigt und durchgefroren weil wir plötzlich im Regen standen... es hörte auf als wir drinnen waren. war ja klar :-)

Familie ist das größte Abenteuer, auf das man sich einlassen kann, ruppelig und ohne Sicherungsseil.

Ich behaupte mal, diese "Papitypen" sind härter als Abenteuersportler-auf den Berg rennen kann jeder mit ein bißchen Training und wenn man scheitert, tut es nur einem selbst weh, aber jeden verdammten Tag aufstehen und die Verantwortung für den Nachwuchs tragen, das ist ein echter Kerl!

loco-just-loco am 22.Mär 14  |  Permalink
Es kann Vorteile haben, schon während des Studiums den Freundeskreis gepflegt, aber klein zu halten.
Umgekehrt kann so eine Kirchengemeinde auch ganz toll sein, unter 30 Omis sind nämlich garantiert mindestens 2, die einem unbedingt mal das Kind hüten wollen. :D Wenn das Kind damit auch noch einverstanden ist, dann ist das wunderbar.

Die erste Tochter war ein Handtaschenkind: mitnehmen, abstellen - schläft. Sogar neben der Orgel im Gottesdienst. Aber das bleibt nicht so, und die drei anderen forderten ihren Rhythmus.

Mit schwulen Bekannten kann ich übrigens auch nicht dienen, nicht aus den letzten 20 Jahren. Halt, doch, der Sohn eines früheren Gemeindeglieds, der lebt mit seinem Freund zusammen. Ein netter Mann, sehr hilfsbereit, aber den Freund kenne ich gar nicht. Meine Kirche diskutiert heuer über die Frage, ob - nachdem der Staat die Ehe für Paare gleichen Geschlechts eingeführt hat - die Kirche solchen Paaren auch Segen aussprechen solle. Ich bin da nicht liberal, sondern Theologe... aber die Frage bleibt, praktisch gesehen, für mich doch reichlich hypothetisch, wenn statistisch gesehen 4 bis 5% der Bevölkerung homosexuell sein soll (was ich für zu hoch gegriffen halte), dann ist das das 20. bis 25. Paar, das sich mit solchem Ansinnen an mich wendet. Mit einem score von 4 Hochzeiten in 5 Jahren hab ich also noch viel Zeit...

cassandra_mmviii am 23.Mär 14  |  Permalink
Ich habe zufällig einen sehr lieben Studienfreund, der schwul ist UND au0erdem Pastor in einer evangelikalen Gemeinde. Bezahlen können die ihn nicht soweit, daß er davon leben kann, also machte er neben dem Pastoren noch den Handwerker. Er sagt, das sei gut so, so bekommt er nämlich Bodenhaftung. Supernetter Mensch, nur: der wohnt mittlerweile in den USA, also wann treffe ich den mal? Steckte damals im Vikariat irgendwo am anderen Ende der Republik. Studienende ist auch eienr dieser Umbrüche.
Der ist was die Ehefrage angeht auch Theologe. Und weil er nicht verheiratet ist, zölibatär. Das war für ihn mit ein Grund, seine Landeskirche zu verlassen und sich stärker den unabhängigen Gemeinden zuzuwenden.
Er hat relativ ausdauernd versucht, mich für die Reformation zurückzugewinnen, aber als er sah, daß das nicht wie geplant funktioniert (er dachte, ich bräuche nur eine vernünftige Gemeinde, dann werde das schon wieder), war er ziemlich unterstützend.


Großer Tiger war ein einfaches Kind, den nahm man mit und gut solange die Umgebung halbwegs kindergeeignet war. ich hatte ja gedacht, unsere damalige Gemeinde sei kindergeeignet, lag aber falsch: ich solle mit dem Kind vor der Tür oder im Gemeindesaal "warten", da werde dann auch die Predigt hin übertragen.
Oder wir könnten abwechselnd kommen, das ginge docjh auch. Oder vielleicht ein Babysitter?
Und dann gäbe es ja alle halbe Jahr den Familiengottesdienst, da könnten wir ja auch gerne kommen. Nur nicht mehr mit Kind in den Gottesdienst.
Als wir der Pastorin recht deutlich sagten, daß das für uns keine Lösung sei und alleine würde ich nicht in den evangelischen Gottesdienst gehen, sondern zur Messe, meinte sie, wenn die Bindung an die Gemeinde sowieso nicht da sei, dann müsse man eh überlegen... was man überlegen müsse, war nicht so recht klar. Aber sie war immerhin vorbeigekommen, um zu überlegen.
Da haben nach der Aktion übrigens genug Leute mit den Füßen abgestimmt, die recht große afrikanische Gemeinde war nämlich deutlichst kinderfreundlicher.

So ist Tigergatte dann mit zu den Katholiken gekommen, wo Kinder eben nicht mehr die Ausnahme waren, sondern die Regel. Mitsingende Kinder waren nicht "die tanzen Rock'n'Roll auf dem Altar!", sondern "ah, da hat schin eineer angefangen, wir wollen ihn jetzt mal einholen" und wenn das Kind völlig unwillig ward, gab es ein Spielzimmer, dann fühlten sich die Eltern nicht außen vor.

Nach Umzug nach Bremen wieder genau das gleiche: ich solle vor der Tür warten, da steht ja auch eine Bank. Nee, das Arme-Sünder-Bänkchen ist abgeschafft :-)
Mir war nicht danach, im Nieselregen auf einer Bank mit 2 Kindern und einem Baby zu warten. Als wir nach der Messe Tigergatten da abholen wollten, steltle sich übrigens raus, daß die Bank auch nicht ging, man hörte in der Kirche das Baby weinen und das störe. Ich möge bitte woanders warten, sagte der Küster.
Irgendwie soll sich von denen keiner mehr bei mir beschweren, daß die Kirche so leer ist und der Altersdurchschnitt so hoch.

Eine supertolle Familienarbeit macht hier vor Ort St Martini. Die schaffen es, Kindern tatsächlich nicht nur Bastelstunde, sondern Bibelunterricht ab 5 Jahren zu geben, ohne dabei bohrend langweilig zu sein. Und weißt du was? Deren Kirche ist gerammelt voll am Sonntag.

che2001 am 23.Mär 14  |  Permalink
@"Wenn Sätze wie "dieser Kindergartenthematik ist weiter von mir weg als die kurdischen Berge" kommen, dann löst das in mir grad nur noch ein "und was verdammt noch mal gibt dir das Recht, meine Realität herabzusetzen?" aus." ---- Sorry, ich setze überhaupt keine Realität herab. Ich wäre bei einer Debatte zum Thema Gender nur nie darauf gekommen, über das nachzudenken, was sich in Kindergärten abspielt, weil die in meiner Realität so weit weg sind wie ein fremder Planet. Das würdigt nicht herab, was Du so erlebst. Nur ist Kinder aufziehen etwas, das in meiner Realität nicht vorkommt und wohl auch nie vorkommen wird. Fängt schon mal damit an, dass es den ganzen Bereich Partnerschaft/Beziehung in meinem Leben nicht gibt.

cassandra_mmviii am 23.Mär 14  |  Permalink
"das in meiner Realität nicht vorkommt"

Genau das ist das Problem: solltest du nicht in einem Wandschrank leben, kommen Kinder vor. Wenn nicht die eigenen, dann als Nachbarn oder von Verwandtschaft/Freunden oder sonstewo. Es sei denn, man ignoriert sie systematisch. Nennt man dann "ageism".

Wenn du von "Papikram" sprichst, ist das nicht grad einen akzeptierende Sprechweise.

Okay, jeder lebt in der Realität, die er (mehr oder weniger) mag.

Erwachsenendiskurse in Kindergarten oder Grundschule zu tragen geht nicht. Wenn man sich zum Beispiel nicht fragt, ob die "hehre Theorie" gender, sobald sie auf den Boden kommt und wirkmächtig wird, nicht nur Blödfug anrichtet, ohne den man auch sehr glücklich wäre, dann blendet man einen Bereich bewußt aus. Kann ja nicht so schwer sein, sich klarzumachen, daß man von Menschen redet wenn es um "frühkindliche Sozialisationsmuster" geht und das man Menschen in ihr ganz persönliches Leben pfuscht wenn man politische Zielsetzungen wie "Rollenstereotype überkommen" formuliert.

Wenn sich Erwachsene damit beschäftigen wollen- bitte. Aufhalten kann man eh keinen und nur daß ich andere Fragen interessanter finde (zB warum signifikante Teile der Weltbevölkerung keine Zugang zu sauberem Wasser haben) muß ja keinen aufhalten, das Übel der Welt grammatikalisch zu lösen.
Nur bitte möge man "innocent bystanders" nicht zwangsmitbeglücken.

che2001 am 23.Mär 14  |  Permalink
In den 7 Monaten, in denen ich an einer Schule unterrichtet habe, spielte das Thema "Gender" in Bezug auf die Erziehung der SchülerInnen null komma keine Rolle, lediglich im Werte+Normen-Unterricht bezogen auf Homosexualität. Solche verpeilten Erzieherinnen wie Du sie da beschreibst habe ich zum Glück nicht erlebt. Aber die Umsetzung des Themas (erzieherische Abstrusitäten in der Praxis) und das Thema an sich (Gender als erkenntnistheoretische Kategorie) sind zwei Dinge, die systematisch gar nicht zusammengehören. Ebenso wie der Hinweis auf Foucaults Aids-Spruch: Hat nichts mit seinen Werken wie "Überwachen und Strafen", "Der Staub und die Wolke" und "Sexualität und Wahrheit" zu tun. Ansonsten könnten wir auch die Bedeutung des Lebenswerks von Karl Marx für null und nichtig erklären, weil der seiner Dienstmagd ein Kind gemacht hat, das er nie anerkannte und eine Vergewaltigung nicht ausgeschlossen ist.