"Ach ja, so sind Jungs nun mal. Die hören ja nie"
säuselt Mama.


was vorher geschah:
Tigergeburtstag, eingeladen waren relativ wenige alte Kumpels, größtenteils neue Kinder aus seiner neuen Klasse. Wir hatten die Einladungen auch großzügig gehandhabt, die Klasse soll ja zusammenfinden.

Jedenfalls hatten wir einen Kandidaten dabei, der sich klare Worte des Tigerpapas einfing. Sein Outfit hatte bei mir Augenrollen hervorgerufen- schwarze Anzughose, weißes Hemd, Lederjacke. Jungheld pur sozusagen. Jungheld führte sich dann auch auf wie Jungheld, Regieanweisungen von hinten ("Zieht doch mal die Schuhe aus wenn ihr ins Haus kommt", "Gibt mir deine nasse Jacke ruhig, ich hänge sie auf") waren bestenfalls zum Ignorieren da. Ich wollte ja keine Gastkinder erziehen, sondern nur heile durch die Party kommen. Tigerpapa sah das anders- Jacke abgeben. Mir egal, wenn du sie mit hochnehmen willst. Schuhe ausziehen. Mir egal, daß du das nie tust. Hinsetzen, Kuchen essen, Mir egal, wenn du den Kuchen nicht magst, trinkst du halt nur Saft.

Am Ende klappte das ganze relativ gut, zumindest mit Tigerpapa.

Dann holte Maman ihn ab. Sanft säuselnd bemerkte sie, daß er ja seine Schuhe ausgezogen habe, daß täte er zu Hause nie, auch wenn sie ihn drum bittet. Und so bat sie ihn lieb und leise, ob er nicht nach Hause kommen wolle. Und als nächstes sprang der Junge auf dem Sofa rum.

"Ach ja, so sind Jungs nun mal. Die hören ja nie" säuselt Mama.

Aha. Gut. Kann man so sehen. Ist aber wie mit Duschvorhängen- die können schimmeln, müssen sie aber nicht. Tigerpapa holt ihn vom Sofa. Maman bittet, er könne jetzt vielleicht die Schuhe anziehen und säuselt derweil mich an, daß sie nicht wisse, was sie mit drei Jungs täte und wie ich das "aushalte".

Vorschlag: aufhören zu säuseln, Erwartung formulieren, Sanktionen etablieren. Habe ich ihr aber nicht so gesagt, hätte ich vielleicht tun sollen.




admiral am 15.Sep 13  |  Permalink
"Vorschlag: aufhören zu säuseln, Erwartung formulieren, Sanktionen etablieren."

So funktioniert es! Vollkommene Zustimmung aus eigener Erfahrung.

"Habe ich ihr aber nicht so gesagt, hätte ich vielleicht tun sollen."

Jep! Hättest Du! :-)

cassandra_mmviii am 15.Sep 13  |  Permalink
Ich suche immer noch nach einem Weg, wie man "ich find deinen Erziehungsstil daneben" so formuliert, daß man nicht allzuviel soziales Porzellan zerbricht. Man muß sich ja nicht wie der Elefant in der Nymphenburger Porcellan-Manufaktur aufführen, Warzenschwein im Haushaltswarengeschaäft reicht ja :-)

Neben dieser sanft hauchenden Dame, die immer alles versteht und unterstützt, fühle ich wie der drill instructor auf Parris Island (bestenfalls).

admiral am 15.Sep 13  |  Permalink
Du bist nicht der einzige Drill Sergeant auf der Welt. :-)

Dialog zwischen meiner Frau und unserer neuen Nachbarin (frisch zugezogen, Kinder im geichen Alter, der Kleine kam schon in der ersten Woche selbstständig zum spielen rüber):

(Gedächtniszitat aus dritter Quelle)

Nachbarin: Hoffentlich war es nicht so laut, als ich gestern brüllen mußte.

MinFrow: Nö, wir haben nichts gehört. Wahrscheinlich weil ich da gerade selbst gebrüllt habe.

cassandra_mmviii am 16.Sep 13  |  Permalink
:-)

veilchenpastille am 16.Sep 13  |  Permalink
Mal wieder einer Meinung, Frau Cassandra
Das sind die Muttis, die ich manchmal am liebsten schütteln würde. Ich wurde auch schon bestaunt, als nach der Ansage "Wir fahren jetzt nach Hause, zieh dich an", das Kind dem tätsächlich Folge leistete und zwar ohne Diskussion: "Der macht das ja wirklich".
Das geht mit einem wie mit zwei wie mit drei ...

cassandra_mmviii am 16.Sep 13  |  Permalink
Wenn ich schon davon ausgehe, daß etwas nicht klappt, muß mich nicht wundern, wenn es tatsächlich nicht klappt.

Wir hatten vor einer Weile einen Studienkumpel zu Besuch, der Lehrer ist und völlig verdattert war, daß hier getan wird, was wir gesagt hatten.
Er steht halbwegs regelmäßig vor seiner Klasse und die Aufforderung, Buch auf Seite X aufzuschlagen, klappt nicht weil einige gar nicht reagieren, andere erst bei persönlicher Ansprache, die dritten fangen an zu diskutieren, warum denn... wenn das hier so zuginge, würde ich mich nicht mehr aus dem Badezimmer trauen :-)

Er ist echt kein Freund von Befehl&Gehorsam aus Grundsatz, aber so eine gewisse Grundakzeptanz sollte schon vom Elternhaus vorgelegt werden.

mark793 am 16.Sep 13  |  Permalink

cassandra_mmviii am 16.Sep 13  |  Permalink
ich neige auch zu der Ansicht, daß Kinde rein Recht darauf haben, zu hören, wenn mit ihnen geredet wird. Wenn das aus Gründehn der akustischen Physik nicht möglich ist, zählt: "mit der Schwerkraft diskutiert man nicht".

Und so werde ich auch gelegentlich lauter. Ansonsten hört man mich nämlich nicht und dann hat sich die Frage, ob ich eine freundliches, unverbindliches Angebot (Kekse in der Küche) oder eine Anweisung (Pfoten weg von der Fontanelle) gegeben habe, als unwichtig erwiesen.

Die große Frage ist: dürfen Pädagogen (auch Eltern sind Pädagogen) mal klar werden? Ja, müssen sie sogar, denn wenn alles immer nur harmonisch gesäuselt wird, fehlt dem Kind die Orientierung, was nicht geht weil es nicht geht und was es mal ausprobieren kann.
Und manchmal gehört zur Klarheit, daß man gehört wird.

Natürlich wäre es schöner, wenn man drauf zählen könnte, das eine nette Bitte erfüllt wird. Das geht aber davon aus, daß das Problembewußtsein dafür, daß man weder die kleine Schweter an der Fontanelle drückt noch mit dem Sushi-Meser spielen geht, bereits da ist und leider ist das nicht der Fall. Das sind nämlich Kinder und keine Erwachsenen.

meermond am 27.Sep 13  |  Permalink
ich bin pädagogin und rede (bzw. brülle auch mal ordentlich im kasernenhofton) ausschließlich klartext. und genau dafür werde ich geschätzt - von den kindern!
vertreter der kuschelkuschelpädagogik schütteln verständnislos das haupt - aber sie sind die ersten, die dann "völlig ausgebrannt" sind.
beste grüße,
meermond

zwetschgenkrampus am 17.Sep 13  |  Permalink
Ein leises Säuseln
das war der HErr, als er dem Propheten Elias erschien - aber in einem durchschnittlichen Kinderzimmer hätte Er wohl eher die Feuer- und Wolkensäule gebraucht, um gehört zu werden ...

Theologische Kalauer beiseite, ich (m) habe ein echtes Problem mit weiblichem Gesäusel. Vergleich für Fernseh-Kundige: Das Phänomen "Säusel-Flöt" erinnert mich immer an Frau Knackal aus "MA2412", auch unabhängig von allfälligen äußerlichen oder geistigen Übereinstimmungen. Ich frage mich, ob ich mit meiner entschiedenen Präferenz für Frauen mit Altstimme (muss ja nicht gleich nach "Gauloise filterlos" klingen) so allein bin ... und ja, danke der Nachfrage, auch meine Frau spricht nicht in Diskant-Tonlage.

cassandra_mmviii am 17.Sep 13  |  Permalink
Meine oberste Regel für's Lautwerden ist: bloß nicht anfangen zu Piepsen, ich bin Drill Seargent, nicht Spatz.

In dem Säuselton (ich habe ihn ja gehört) kann man sich nicht durchsetzen. Das liegt weniger an der Tonhöhe, auch helle Stimmen können ernstzunehmen klingen, sondern am gewollt Sanften, Fragenden. Und wenn man schon mal im Vorraus amüsiert-resigniert ist, dann klappt das nicht.

Nimmermehr.

loco-just-loco am 20.Sep 13  |  Permalink
So Paradoxa wie: "ich sags zum allerletzten Mal: komm jetzt bitte da runter" fehlen noch in der Aufzählung.

Ich möcht nicht ins Detail gehen, wo meiner Einschätzung nach im konkret von mir beobachteten Fall die Ursachen liegen, aber da ist es so, Mama behandelt die Sechsjährige wie ein rohes Ei und läßt sich alles gefallen; Papa ist konsequenter, aber nicht so oft zuhause, und wenn Papa sich auch noch gegen Mama durchsetzen müßte, gibt er auf. Und ich glaube, die tun weder sich eine Freude damit an noch ihrem Kind. Das knallt dann nämlich irgendwann mal völlig ungeschützt in eine Gruppendynamik, die über ihm zusammenschlägt.