Ich bin ernsthaft beeindruckt. Da hat es jemand drüben beim Che (
http://che2001.blogger.de/stories/1832622/#comments ) geschafft, all' die Irrtümer in einem Absatz zu versammeln, die ich immer als meine Lieblingsirrtümer betrachte:
-die Hexenprozesse fanden im Mittelalter statt
-Folter im Mittelalter
-institutionalisierte Vergewaltigung während der Hexenprozesse
-das ius primae noctis
Aua.
Die Anzahl an Hexenprozessen während des Mittelalters ist äusserst übersichtlich. Die grosse Welle fand während der Frühen Neuzeit statt. Und zwar nicht weil da eine Kirche durchdrehte, sondern weil es Stand der Wissenschaft war und die städtischen Eliten es wollten.
Und dabei sieht man schon den grausigen Keller, die Eiserne Jungfrau und allerlei anderes Gerät, dass findige menschliche Geister ersonnen, um andere zu quälen.
Auch falsch. Das Mittelalter ist zwar nicht zimperlich, aber wenn das Geschehen Geräte beinhaltet, die extra gebaut werden müssen, sind wir in der Frühen Neuzeit, nicht im Mittelalter.
Die Aussage, die wegen Hexerei verhafteten Frauen seien erst mal standartmässig vergewaltigt worden, ist aufgrund der Aktenlage nicht haltbar. Und mehr als die Aktenlage und lebhafte Phantasie mit klaren Feindbildern haben wir wohl nicht.
Und dann das ius primae noctis, das Recht das Adligen, mit jedes Mädel auf seinem Grund zu entjungfern... nicht zu belegen. Da ist wohl der Wunsch nach bösen Verhältnissen, die man überkommen muss, Vater des Gedankens, Pate steht auch hier wieder das klare Feindbild.
Und als ob hier noch nicht genug gemurkst worden sei geht es weiter:
Strafverfolgung von Vergewaltigung als junges Recht, zu verdanken der Schwarzer-Alice.
Dann schau ich in die Bibel (ich weiss, böööööse) und lese was von Steinigung bei Vergewaltigung. Das ist dann wohl keine Strafverfolgung.
Das Mosaische Recht ist im Mittelalter normsetzend. Da wurde dann zwar nicht gesteinigt, aber definitv strafverfolgt.
Auch die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. ahndet Vergewaltigung.
Das Preusische Allgemeine Landrecht kennt den Straftatbestand der Vergewaltigung.
Das wurde nicht erst mit der Strafrechtsreform in den späten 70ern eingeführt.
Doppel-Aua. Aber die Feindbilder bleiben gewahrt, dass ist äusserst beruhigend.
Ich gebe zu, dass habe ich auch ncht gewußt. Ich bin also auch auf Legendenbildung herein gefallen.
Was beunruhigend ist: Ich habe diese "Erkenntnisse", wie z. B. das Hexenprozesse vorzugweise im Mittelater stattfanden, überhaupt nicht hinterfragt, obwohl ich für mich gerne in Anspruch nehme, eben doch alles zu hinterfragen.
Schäm......
Danke für die Aufklärung, mehr davon.....
Das "finstere Mittelalter" ist eine Konstruktion des Barock und der Aufklärung.
Und um zu zeigen, wie barbarisch die Altvorderen waren, wurden dann Geräte wie die Eiserne Jungrfau" erfunden, die zwar auf Vorbildern auf der Frühen Neuzeit beruhten, aber den letzten Schliff bekamen sie dann,damit man sich wohlig schauern konnte über die armen Menschen im Mittelalter. Man selbst war ja aufgeklärt. So aufgeklärt, dass in Zedlers Universalem Lexikon, dem "Standartwerk" der Aufklärung im deutschsprachigen Raum, man wissenschaftliche Beweise für das Treiben von Hexen lieferte und Anleitungen zur Hexenprobe gleich dazu.
Die Hexenjagden waren "state of the art" der damaligen Wissenschaft. Die Entscheidung, ob ein Mal ein Hexenmal oder ganz natürlich sei, wurde von Arzt getroffen, nicht vom Priester.
Man ging davon aus, dass es den Teufel gäbe und er Macht auf Erden habe. Eine Aussage, die im "finsteren Mittelalter" ein Gespräch mit der Inquisition zur Folge gehabt hätte (soweit man denn zivilisiert genug wohnte, um etwas so fortschrittliches zu haben),denn zu lehren, dass der Teufel genug Macht habe, um Menschen zu schaden, und sei es über seine willigen Dienerinnen.... das war im Mittelalter Ketzerei.
Was mich zum nächsten Punkt bringt: da, wo der Inquistionsprozess etabliert war hieltman sich an die Verfahrensvorschruiften, doe vorsahen, dass mit Verdächtigen erst einmal gütlich geredet werden musste.
Der Inquisitor ("Nachforscher") musste entscheiden, ob die Anschuldigungen überhaupt glaubhaft waren. Dazu brauchte es glaubhafte Zeugen (man beachte den Plural) oder Beweise.
Das blosse Gerücht "der ist ein Ketzer!" liess da noch keinen Scheiterhaufen lodern. Das Scheiterhaufen-lodern-lassen war übrigens Aufgabe der weltlichen Herrschaft, selbst bei Ketzerei. Man befand schuldig und übergab den irdischen Gewalten.
Jedes Geständnis musste nochmals ohne Folter oder die Androhung derselben 2 tage später wiederholt werden.
Das Verbrennen, was wir ja alle im Kopf haben, war die ultima ratio. Zuerst wurde ermahnt, belehrt, man war sich im Klerus einig, dass das einfache Volk besser katechisiert werden müsse.
Die Übergabe an die weltliche Justiz kam am Ende einer sehr langen Kette.
Und da die Katharer theologisch schwere Schlagseite hatten (Säuglinge sollten besser verhungern als Muttermilch trinken, die ist vom Teufel und das Kind muss doch erlöst werden aus der Knechtschaft des Fleisches) kann ich gut verstehen, dass man die nicht mit 20.-Jahrhundert-Diskursen über religiöse Toleranz gewähren lassen wollte.