Leute gibt's....
der R. rief an. Der R musste musste sich mal wieder ausheulen. kein Ding, das müssen wir alle mal.
Der R ist arbeitslos. Trotz Studienabschluss. Was den R ärgert. Immerhin hat er doch einen Bachelor. Mit Note 3,7. Das ärgert den R. auch, ist aber nicht seine Schuld, findet der R. Das ist halt so passiert, war der Prof und das hat alles nicht so geklappt wie es sollte.
Jedenfalls versucht R., einen Job zu finden. Möglichst was in der internationalen Wirtschaft. Aber bis das klappt (mit der internationalen Wirtschaft) hat er erst mal die Chance auf Hartz4. Da sehen die Chancen gut aus, das er was bekommen könne, sagte der R., habe die Frau auf dem Amt gesagt. Versprechen könne sie aber nichts, sie muss das erst mal ihrem Teamleiter vorstellen.
Das war aber nicht R.s Hauptproblem, das Problem war, dass er seine Geldreserven aufbraucht. Die sind doch für später, wenn er sie mal braucht.
Ich fragte den R., ob er immer noch Motorrad und Auto habe. Ja, klar, sagte der R.
Der R. beschwerte sich. Er müsse nur mit dem notwendigsten über die Runden kommen. Für Lebensmittel gebe er nur noch so was um die 500 Euro im Monat aus, er könne sich halt nur noch den allerbilligsten Scheiss leisten.
Alter Studienfreund oder nicht, das reichte. Ich fragte ihn, ob er eine Ahnung haben, was wir hier zu fünft für Lebensmittel ausgeben.
R. nahm das Stichwort. Familie kann man sich ja nicht mehr leisten, da müsse jeder selbst sehen wie er durchkommt.
Ich sagte ihm, dass wir zu fünft grob 700 Euro ausgeben, und das wäre nicht der allerbilligste Scheiss, sondern lecker.
Ja, sagte der R., wir wären ja auch nichts besseres gewohnt, da würde uns das wohl nichts ausmachen. Er hingegen stamme aus dem Großbürgertum, da leistet man sich schon was Gutes.
In diesem Sinne:
guten Appetit bei Nichtgrossbürgers!
Ich schaffs mit ca. 100 Flocken im Monat den Kühlschrank nicht zu füllen.
Irgendwie... die Leute haben teilweise echt keinen Bezug zur Realität.
Und Bachelor - was soll das sein? Das ist ein Halbstudierter, mehr nicht. Und bei der Note noch dazu wundert mich nicht, daß der Schwierigkeiten hat.
ich fühlte mich verarscht. Und zwar in epischem Ausmass.
Wir haben zeitweise unter der HartzIV-Grenze gelebt weil Tigergatte als eingeschriebener Student nix bekam und mein Vertrag wg Schwangerschaft nicht verlängert wurde.
Ging auch. War nicht immmer schön, aber ging. Und ging auch vorbei. Höchstwahrscheinlich weil unsere Perspektive nicht "ich warte auch einen Jobn in der internationalen Wirtschaft" war, sondern dass man möglichst fix das Examen machte. Und zwar ein richtiges Examen.
Bachelor ist ein Halbstudierter, aber mit der Note kommt wer nie und nimmer in den von ihm angestrebten Master-Studiengang.
Mal ehrlich: Auto und Motorrad haben und dann über mangelnde Kohle jammern.
Ich habe in Kulturanthro mal ein Seminar über Verarmung gehabt. Der Verarmte aus höheren gesellschaftlichen Schichten (definiert im Sinne Bordieus über den Dreiklang aus kulturellem kaotal, souzialem Kapital und materiellem kapital) leidet (archetypisch betrachtet) übrigens weniger unter Armut, denn er definiert sich weniger über Besitz und gibt sein Geld nachhaltiger aus (weniger Flatscreens). Im Gegensatz dazu merkt der Verarmte mit niedrigerem gesellschaftlichen Status sehr fix, was ihm fehlt.
Er hat aber bestimmt eine fünfköpfige Familie, bei EUR 500.-. Oder? Oder geht jeden Tag ins Restaurant essen. Dann würde ich das auch schaffen.
ne, wir reden von einem Alleinstehenden.
Der Kerl kann anscheinend nicht haushalten.
scheint so.
Was mich geärgert hat ist aber die Bezeichnung "allerbilligster Scheiss". Lebensmittel sind kein Scheiss. Nicht mal wenn sie nicht die Lieblinge auf dem Teller sind.
Dumm und dreist wie der ist, bin ich versucht, ihm einen Ein-Euro-Job an den Hals zu wünschen, damit er 'mal auf sein passendes Maß zurecht gestutzt wird, indem er ein bisschen Demut lernt. Die tut offenkundig Not.
da ich keine Ahnung habe, wie schnell diese ominösen Geldreserven sich verbrauchen, bin ich mir nicht so sicher, ob ich ihm einen 1-Euro-Job oder lieber eine Weile HartzIV pur gönne.
Jemanden zu sagen, dass "wenig Geld" (alles relativ wie es scheint) für ihn schon ok sei, er/sie sei ja nix "besseres" gewöhnt, aber für einen selbst sei das eine totale Härte weil man ja "besseres" gewöhnt sei...
und wissend, das der Gesprächspartner Familie hat dieses Einzelkämpfer-Geseier von "jeder muss elbst sehen wo er bleibt, wer sich Familie zulegt ist selbst schuld, kann man sich ja heutzutage nicht mehr leisten..."
das ist einfach nur dreist.
Als Selbstständiger weiß ich am Anfang des Monats nicht, was ich in diesem Monat verdienen werde. Können 2000 Euro sein, kann aber auch null Cent sein. Kann passieren, dass ich einen Kredit aufnehmen muss, um meine Steuern zu zahlen. Arbeite 60 Stunden in der Woche und die Wochenenden durch. Habe mit Magisternote 1 9 Monate von Sozialhilfe gelebt, bevor ich meinen ersten Job bekam - Eine BSHG 19-Stelle, d.h., eine ABM speziell für SozialhilfeempfängerInnen, allerdings sehr akademikerspezifische Tätigkeit mit Protektion durch eine befreundete Landtagsabgeordnete. Solche Maßnahmen gibt es heute nicht mehr. Ansonsten: Mit Doktortitel Klos geputzt.
@ cassandra: Der Ein-Euro-Job käme ihn gewiss härter an. Müsste er doch mit "gewöhnlichen" Leuten arbeiten, die noch nie 500 Euro im Monat für Lebensmittel nur für sich ausgegeben haben. Und die ihm wahrscheinlich ganz schnell zeigen würden, wohin er sich sein dummes Getue stecken kann. Außerdem sind das meistens nicht die tollsten Jobs und auf jeden Fall weit weg von der internationalen Wirtschaft. Und wer da nicht kooperiert, indem er versucht, sich darum herumzudrücken, der bekommt ganz schnell Leistungen gestrichen.
Das sind so Momente, wo man am Telefon steht und sich fragt "macht Hape Kerkeling jetzt irgendwas, wo er Leute anruft und völlig abstruses Zeugg erzählt?"
Da wohnt jemand in einem Haus, das er sich mit einem Mitbewohner teilt, nett mit Garten und Terasse, fährt sowohl Auto als auch Motorrad, gibt 500 Euro für Lebensmittel aus und beklagt sich über Geldmangel. Honig zB kann er nur noch "das Zuckerzeug aus dem Supermarkt von Lagnese" kaufen, den vom Imker geht nicht mehr. Das ist zwar persönlich doof, aber nicht das allerschlimmste, für was meine Fantasie ausreicht. Ausserdem kennt Tigergatte einen Imker- der (Imker, nicht Tigergatte)verkauft die gute Ware an Lagnese und das, was er da nicht loswird weil es nicht sortenrein genug ist, dann über Öko-Kanäle weiter. Es scheint sich also nicht unbedingt um den minderwertigsten Honig zu handeln.
Das man wg einer kurzfristigen Durststrecke nicht umziehen mag oder Auto, Motorrad oder was auch immer verkauft- klar. Aber wenn sich abzeichnet, dass die internationale Wirtschaft wohl doch nicht so ganz eifrig mit dem headhunting auf einen beschäftigt ist, muss man sich wohl einen Plan B überlegen.
Erst mal nicht mehr blind ans Telefon gehen, sondern bis die Geduld wieder funzt caller ID nutzen.
Geldreserven, Haus und Mitbewohner - oh, da steht noch einiger Spaß ins Haus. So lange er nämlich noch Geldreserven besitzt, die über dem Schonvermögen liegen, gibt es kein Hartz IV. Als Hartzie stehen ihm maximal 45 Quadratmeter Wohnfläche zu. Außerdem muss er erst einmal beweisen, dass er nicht mit dem Mitbewohner liiert ist, der ihn sonst durchzufüttern hätte. Mit anderen Worten: Womöglich bekommt er noch Besuch vom Amt, um das zu überprüfen.
Es handelt sich um ein Haus zur Miete, also ist mit Vermögensanrechnung nicht zu rechnen was das angeht.
Interessanter dürfte das das Motorrad sein. War für uns nie relevant weil unmotorisiert, aber mein Bauch sagt mir: das ist nicht vorgesehen.
Das kann spassig werden- der Entscheid, ob ein gemeinsamer Kühlschrank eine gemeinsame Haushaltsführung bedeutet ist arg sachbearbeiterabhängig.
Habe ich das eigentlich richtig im Kopf, dass das vorhandene Geld angeschaut wird, gerechnet, wie lange es reichen müsste und erst wenn das aufgebraucht sein darf (was sich vom Ist schwer unterscheiden kann) gibt es Kohle?
Irgendwie fühle ich ja den Drang, ihn vorzuwarnen, weil ich grundsätzliche Schwierigkeiten habe, Leute in die Kacke laufen zu lassen, aber....
Auch wenn das Haus gemietet ist, stehen ihm nur maximal 45 Quadratmeter Wohnfläche zu bzw. nur für diese Wohnfläche werden die Mietkosten übernommen. Der Mitbewohner wird sich freuen, der darf sich womöglich auch vor dem Amt "ausziehen".
Seine finanziellen Verhältnisse wird der R. offenlegen müssen, einschließlich des Werts seiner Fahrzeuge. Das Schonvermögen wird anhand einer Formel berechnet, was darüber liegt, wird angerechnet, sprich: muss erst einmal aufgebraucht werden, bevor es Geld vom Staat gibt.
Sie brauchen ihn nicht vorzuwarnen, er ist alt genug, um sich selbst zu informieren, was ihn erwartet. Das sollte selbst jemand mit einem 3,7-Bachelor hinbekommen.
Ich fand die Formuilierung, er "habe jetzt aber die Chance auf Hartz4" sagte einfach alles.
Ob er das Fahrzeug behalten darf oder nicht hängt vom Berufsumfeld ab, in dem er arbeitssuchend ist, ich durfte zum Beispiel als Sozialhilfeempfänger mein Auto behalten, denn in Bereich Journalismus arbeitsuchend und nicht mobil, das geht gar nicht. Aber Auto UND Motorrad, das geht erst recht nicht. Ich würde ihn warnen. Es ist nicht gut, Leute ins offene Messer rennen zu lassen.
Mal schauen, ob ich ihn heute abend erreiche. Auch wenn ich nicht so recht weiss was das bringen soll. Es ist ja nicht so als ob ein Wissen um die Gesetzeslage diese Gesetzeslage verändern würde.
Die Warnung bringt jetzt wahrscheinlich eh nichts mehr, denn er scheint ja schon mit einer Frau vom Amt gesprochen zu haben.