Rätselhaftes Indien
ich werde die begeisterung einiger Althippies und Linker für Indien wohl nie verstehen. Was ist an einem Land, im dem der grösste Teil der Bevölkerung in einen völlig starren, religiös begründeten Kastenssystem feststeckt, toll?
Oder an der massiven Unterdrückung von Frauen?
Der Weg raus aus dem Kastenssystem mit seinen Einschränkungen ist für viele die Konversion zu Christentum oder Islam. Das ist dann die Folge von bösen Kulturimperialismus. Dass Menschen einfach keinen Bock haben könnten, weiter Müllsammler zu sein weil irgendwelche Hindu-Götter das so wollen und ein paar privilegiert Geborene davon eine Menge Vorteile haben finde ich relativ offensichtlich.
Aber das stört dann das althippige Bild vom glücklichen Indien, wo die spirituelle Weisheit nur so rumfliegt und von denen wir dumme Christen ja so viel lernen können.
Indien ist mehr als ein Kastensystem - das sich in den letzten Jahrzehnten auch gelockert hat. Wer aus dem Westen kommend nach alternativen Denktraditionen sucht, wird in Indien jede Menge davon finden.
Unkritische Indienbegeisterung ist natürlich irgendwie eine krumme Sache, andererseits lassen sich in Indien ziemlich viele spannende Dinge und Anregungen finden, gerade auch für diejenigen, welche nach alternativen Wegen suchen.
Wenn mensch mal davon ausgeht, dass Alternativlinke tendenziell denkoffener sind, ist es dann doch vielleicht nicht völlig abseitig, wenn sich eine Reihe von Alternativlinken für Indien interessieren. Ist wirklich ein faszinierendes Land.
(ähem: und mit faszinierenden Problemen und teils furchtbarsten Arbeitsbedingungen usw. usf.)
Vielleicht liegt es in der Natur des utopischen Denkens, ganz allgemein, bestimmte Orte und historische Phasen zu idealisieren. Ich glaube übrigens, Cassie, dass ziemlich viele linke Indienbegeisterte mit deiner Kritik an indischen Verhältnissen viel anfangen könnten.
:D
"Ich glaube übrigens, Cassie, dass ziemlich viele linke Indienbegeisterte mit deiner Kritik an indischen Verhältnissen viel anfangen könnten.
Das hoffe ich. mein Mann war als Teenager einen Monat lang in Indien, seine Geschwister abholen. Das Kinderheim lag im Slum, mit bettelnden Leprakranken und allem, was so dazu gehört. da stand eine Mauer,. Hinter dieser Mauer war ein Hotel. Und da wohnten die westlichen Indien-Touris.
Indien hat ein Gesetz, wonach nur jedes 7. Kind ins Ausland vermittelt werden darf. Superlöbliche Idee, aber: Hindus (also die Bevölkerungsmehrheit) hat starke religiös begründete Vorbehalte gegen die Adoption.
Wer seine Kaste nicht kennt, ist automatisch Paria/Harijan/Unberührbar. Dafür gibt es ganz bestimmt noch mehr Wörter. Bedeuten aber ale das gleiche: kein Kastenangehöriger kann sich mit dir zum Essen hinsetzen ohne rituell unrein zu werden. Und mit der wachsenden bedeutung der Hindu-Partei ist das alles andere als ein alter Hut.
Was das für Kinder bedeutet, die in den Kinderheimen der Slums leben weil sie auf der Strasse gefunden worden sind, mag sich jeder selbst überlegen.
Eins meiner Hauptprobleme mit westlich-linker-alternativer Indien-Begeisterung ist, dass es Indien "tieffrieren" will und so "indisch" erhalten wie möglich und damit realen Menschen dort eine Menge Möglichkeiten nimmt.